Zettel von Franz Beckenbauer

Blog-Nr. 424



Gilbert Gress im Dress des VfB Stuttgart

«Völlig gaga», sagte Uli Hoeness in dieser Woche in seiner Rede, als er von der Deutschen Fussball-Liga mit dem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Völlig gaga sei das, was in diesem Sommer auf dem Markt für Fussballspieler wieder passierte, mit wahnsinnigen Summen, die bezahlt werden, grosser Hektik überall, weil sich Transfers  erst im allerletzten Moment abwickelten, Berater am Deadline Day noch Stunden vor Abschluss abends um acht wild telefonierten, Spieler wie Manuel Akanji im letzten Moment erfuhren, dass Mailand und nicht vielleicht Istanbul oder eine andere Stadt der neue Arbeitsort sein soll.

Es gab eine andere Zeit. Als Transfergespräche anders abliefern. Franz Beckenbauer während eines Spiels einen Zettel hätte übergeben sollen, auf dem der Ort des Treffens für ein Gespräch gestanden wäre. Und dieses dann auch in einem Wald stattfand.

Das ist die Geschichte dazu. Sie handelt von Gilbert Gress, der damals als erster Franzose in der Bundesliga beim VfB Stuttgart spielte. «Schillbär» riefen die Fans, die ihn liebten, den Spieler mit den langen Haaren und der Brille mit damals noch dickem Gestell; zuvor, in seinem Strassburg, war und ist er bis heute der «Engel von der Mainau» gewesen.

Im April 1968 war es. Stuttgart spielte gegen den FC Bayern, der Zweite gegen den Ersten damals, die Münchner hatten Interesse an Gress, und Robert Schwan, ihr Manager, rief ihn am Tag vor dem Spiel an. «Franz Beckenbauer wird ihnen nach der Halbzeit beim nächsten Corner oder Freistoss einen Zettel überreichen und darauf steht der Ort, wo wir uns treffen. Gehen sie in diesem Moment zu ihm.»

Gress glaubte, nicht richtig zu hören, ein Spitzenspiel, «70 000 im Stadion, 25 TV-Kameras oder vielleicht nur 10, damals, und der Franz soll mir während dem Spiel einen Zettel überreichen, unmööööglich ist das doch.»

«Herr Schwan, das geht doch nicht», sagte Gress.


Stuttgart-Trainer Albert Sing schnitt Gress die Haare,
 symbolhaft mit einer Gartenschere

Sie verabredeten sich anders. Gress solle zum Hotel der Bayern fahren, unauffällig parkieren, sie würden dann zu ihm ins Auto steigen. Stuttgart gewann gegen die Bayern 3:0, Gress schoss zwar kein Tor, aber, «klar, Herr Wettstein, wer war der Mann des Spiels?», es sollte keine Frage sein, er lacht, als er dies am Telefon erzählt, als wäre es gestern gewesen.

Gress fuhr am Morgen nach dem Spiel in seinem Mercedes zum Hotel, wo die Bayern übernachteten, Robert Schwan stieg ein, setzte sich auf den Nebensitz, hinten Frau Gress und Branco Zebec, der damalige Trainer der Bayern. Gress musste auf der Hauptstrasse etwas ausserhalb von Stuttgart 500 Meter fahren, «dann rechts, dann links, dann nochmals links», und dann hielten sie auf einem kleinen Weg im Wald. «Da sieht uns niemand», sagte Schwan.

Zwei Stunden blieben sie ihm Auto und verhandelten, «Frau Gress, sie müssen nicht zu den Spielen kommen, sie können auch in der Stadt bleiben, München ist schön», versuchte Schwan auch Frau Gress zu überzeugen.

Zwei Tage bekam Herr Gress Bedenkzeit. Er sagte ab, sagt heute, er sei ein Idiot gewesen, München statt Stuttgart, «es war ein grosser Fehler, ich hätte viel mehr verdienen können und dazu Titel mit den grossen Bayern gewinnen.» In Stuttgart, wo er drei weitere Jahre blieb, gewann er nichts.

Gilbert Gress heute

In diesem Sommer mit den wahnsinnigen Transfersummen zahlte Liverpool für den schwedischen Stürmer Alexander Isak 145 Mio Euro an Newcastle United. Gress sagt, Bayern hätte damals ungefähr 400 000 DM bezahlt, ein Rekord, «aber das wäre ich doch wert gewesen», lacht Gress nochmals, «vielleicht hätte ich doch einen Berater haben müssen.»

Er hatte nie einen. Aber das Bild, wie Beckenbauer bei einem Freistoss Gress plötzlich einen Zettel zusteckt – es wäre einmalig gewesen.

Auch: Gress am Sechseläuten


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