Der 250. Blog – und eine Idee




Das ist mein 250. Blog. 250 seit April 2020, ich erschrecke oder staune selber. Hatte ich wirklich 250 Ideen, fand ich 250-mal einen ersten Satz, einen letzten, weshalb suchte und fand ich diesen ersten Satz, hatte ich überhaupt jedesmal eine Idee, oder war manchmal nicht einfach ein erster Buchstabe, ein erstes Wort im Kopf, und es entstand dann ein erster Satz? Und ein zweiter. Ein dritter. Und eine Geschichte. Ohne zu wissen, wohin sie führt, zu welchem Ende.

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Martin Suter, von dem in dieser Woche ein neuer Roman erscheint, «Melody» heisst er, sagt, er müsse immer den Anfang und den Schluss eines Textes wissen, es gäbe keinen ersten Satz, ohne den letzten im Kopf zu haben. Peter Bichsel, der Oltener Schriftsteller, wegen dem ich eigentlich als Kind zum Leser wurde – und, weil ich früh viel las und dann nie mehr aufhörte damit, später zum Schreiber –, sagte einmal etwas anderes: Er brauche für eine Kolumne kein Thema, sondern nur einen ersten Satz, und dieser erste Satz produziere dann weitere Sätze, das Thema bleibe nur vage im Hintergrund.

Mir geht es meistens auch so. Denken durch das Schreiben. Und erst beim Schreiben merken, was ich eigentlich sagen will und wie. Das Thema nur vage im Kopf.

Und so sitze ich an diesem Morgen in meinem Bistro im Zürcher Seefeld, in dem ich fast immer sitze und lese, und beim Lesen der Zeitungen oder Beobachten der anderen Leuten an den Tischen kommt plötzlich eine Idee – oder ist es nur ein erster Satz? Aber es gibt ganz viele Morgen-Momente, bei denen ich auch denke, es kommt nie mehr ein erster Satz, nie mehr ein Gedanke aus diesem ersten Satz. Nie mehr ein Text. Kein Blog mehr.

Eigentlich, ja, es ist so, damals als ein Virus unsere Welt veränderte, anfangs 2020, dachte ich, ich hätte meinen letzten Satz und Text für immer geschrieben, nach 45 Jahren im Journalismus, zuletzt noch mit einer wöchentlichen Kolumne im «Tages-Anzeiger», erst hiess sie «Espresso», dann «Im Auge». Freunde sagten mir aber, schreib doch einen Blog, und ich musste fragen, was ist genau ein Blog und wie macht man das?

Und jetzt also der zweihundertfünfzigste. Und ich sitze an diesem Montagmorgen in meinem Bistro, wollte eigentlich nur die Zeitungen lesen, besonders an diesem Morgen nach diesem Sonntag – und dann hörte ich am Nebentisch zwei Leuten zu. 

Und plötzlich kam diese Idee, nur die Idee und noch kein erster Satz: Warum nicht manchmal nur eine kleine Geschichte schreiben, eine Geschichte aus dem Bistro oder von sonstwo in der Stadt? Das Thema geben andere vor, ich höre nur zu, beobachte. Und suche dann einen ersten Satz. Den zweiten. Und irgendwann den letzten.

Manchmal kleine Stadt-Geschichten in meinem Blog, das ist also meine Idee. Und ich kann im Bistro weiterhin lesen. Und manchmal schreiben. Muss nur den ersten Satz finden.

Danke, dass Sie bis hierher gelesen haben. Bis zum letzten Satz. Und überhaupt für die Treue. Nach dem 250. Mal.




Stadtgeschichten (1)

Alles hat ein Ende

Es ist Montag, es ist der Tag, nachdem ein Stück Schweiz gestorben ist, wie eine Gratiszeitung titelt, und es ist der Morgen im Bistro, Frühlingssonnenstrahlen durch das Fenster. Ein älteres Ehepaar sitzt nebenan, trinkt einen Cappuccino, ein Gipfeli liegt auf dem Teller, und in der Hand haben beide eine Tageszeitung, sie diese von Zürich, er die andere, der Zweier fährt draussen vorbei.

Hast du überhaupt eine Ahnung von diesem Bankengeschäft?, fragt sie ihn, er antwortet nicht, liest weiter, legt dann die NZZ zur Seite und sagt: Alles hat ein Ende. Schweigt jetzt wieder. Liest. Und sie nickt.

Und er sagt, frag doch mal, ob es noch ein Gipfeli hat. Sie kommt zurück von der Bar und sagt, auch die Gipfeli sind zu Ende.

 
 
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Kommentare

  1. Anonym21.3.23

    Merci für die 250 Geschichten. Freue mich auf jeden weiteren Blog😀👍

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