Bichsels Langeweile

Gesehen, gelesen, gehört –
Der Katar-Blog (Nr. 16)
 

Sätze sind manchmal wie ein schöner Spielzug. Wie dieses zauberhafte dritte Tor der brasilianischen Sambatänzer gegen Südkorea. Schönste Poesie. Wie es Sätze sein können.

Ich dachte daran, an diesem Donnerstag, als in Katar nicht gespielt wurde. Keine Ballpoesie. Aber solche mit Buchstaben.

Peter Bichsel, 87, der Mann der schönen Gedanken und Sätze, sagte es in einem langen Interview in der NZZ. Die Frage lautete: «Sie waren also ein glückliches und zugleich trauriges Kind?» Und die Frage wurde gestellt, weil Bichsel vorher sagte, er sei als Kind pessimistisch gewesen, Traurigkeit könne auch ein sehr angenehmes Gefühl sein, und er lasse sich die Traurigkeit nicht nehmen. Wenn er sich richtig erinnere, habe er schon als Kind so gelebt, allerdings in einer guten Umgebung.

Bichsel antwortete also auf die Frage:

«Ja, ich kann mich, auch ohne zu leiden, langweilen. Ich kann hier sitzen und nichts tun und merke nicht einmal, dass ich denke. Ich mag die Langweile, sie wird mir auch immer wichtiger. Die Leute wollen lange leben, aber sie wollen es dann immer kurzweilig haben. Wenn man die Zeit kurz macht, wenn es kurzweilig ist, dann wird das Leben kurz. Dann ist nach jedem Augenblick Weihnachten.»

Wir sollten uns mehr langweilen. Beim Fussball tun wir das ja immer wieder. Und wir warten auf den kurzweiligen Augenblick, der zur Poesie wird. Manchmal.

Interview mit Schriftsteller Peter Bichsel in der «NZZ» 


 
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