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Es werden Posts vom Mai, 2020 angezeigt.

Natur mit Latour

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Hanspeter Latour beobachtet Tiere und Pflanzen statt Bälle: Geissegg im Eriztal, Mai 2020. Er hat einen Feldstecher umgehängt. Er möchte nicht, dass seine Frau Thildi im Garten jätet, weil sie sonst eine Wegwarte ausreisst, die einem Löwenzahn zum Verwechseln ähnlich sieht. Er beobachtet in seinem Garten vierzig verschiedene Schmetterlinge und fünfzig unterschiedliche Vogelarten. Er sagt, er möge es nicht, wenn seine Frau Beeren für Konfitüren pflückt, denn diese sollen den Vögeln bis im Winter als natürliche Futterquellen dienen. Er sieht plötzlich einen Trauermantel, ein seltener Falter mit wunderschönen dunklen Flügeln mit weissen Umrandungen. Oder einen «Himugüegli», ein einheimisches Chäferli mit sieben Punkten. Er steht in seinem selbstgebauten Schopf am Fenster und fotografiert. Es fasziniert ihn, den Ameisen zuzuschauen. Er sagt, in der Natur realisiere er immer wieder, dass ich nur ein winziger Teil vom Ganzen bin. Ich lese das alles in der neuen Ausgabe der «Schweizer Fa

Ein Anruf von Papst Franziskus

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Der Papst und der Fussballgott: Franziskus und Diego Maradona. Auf meinem Handy leuchtet manchmal «Anonym» auf. Ich weiss dann ziemlich sicher, wer mich sucht. Auch «Unbekannter Anrufer» heisst es manchmal. Aber da habe ich keine Ahnung, und solche Anrufe ignoriere ich, es dürfte bestimmt ein Callcenter sein, das nur irgendetwas, Wein, eine Zeitung oder eine Versicherung, verkaufen will. Leuchtet jedoch «Anonym» auf, dann ist es ein Anrufer aus dem Ausland, ich kenne ihn, «Hallo …», sage ich dann – ich verschweige hier natürlich den Namen, er will ja anonym bleiben. Eine Geschichte kürzlich in der stets schönen «Streiflicht»-Kolumne auf der Frontseite der «Süddeutschen Zeitung» hat mich auf dieses Thema gebracht. Es ging darin wieder einmal um Papst Franziskus, der gerne telefoniert und schon viele mit seinen Anrufen überrascht hat. Diesmal soll er die Nummer von seinem geistlichen Freund Miguel Dominguez Garcia in Mexico-City gewählt haben, dummerweise war der gerade an seiner

Uli Hoeness, 36.4, fieberfrei

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Uli Hoeness klatscht mit Maske: Allianz-Arena, München, 23. Mai 2020. Was macht der da?, fragte sich Uli Hoeness, als er am Samstagabend mit seinem Wagen an der Eingangsschranke zur Allianz Arena in Fröttmaning im Norden von München stand und die Fensterscheibe herunter gelassen hatte. Ein Ordner hielt ihm ein kleines Gerät an die Stirn und sagte einen kurzen Moment später: «Gut, 36.4.» Hoeness war fieberfrei. Er durfte zu seinem Parkplatz fahren, direkt beim Eingang zum Ehrengastbereich, wie immer öffnete er den Kofferraum, nahm seinen rot-weissen Schal heraus, es ist immer der gleiche, doch diesmal hielt er noch etwas in der Hand, es ist auch rot, die Farbe seiner Bayern, seines Klubs, seiner Liebe. Es gibt im Fanshop den Uli-Hoeness-Schal, und bald wird es vielleicht die Uli-Hoeness-Maske geben. Uli Hoeness findet, dass schon einiges seit langem nicht mehr gesund gewesen sei. Und so sass er dann auf der Tribüne mit Schal und Maske, als einer der ganz wenigen, die dabei sein

Welche Bilder bleiben vom Mai?

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Impressionen aus diesen Zeiten. Und einige Gedanken dazu. Gitterspiel.   Ping. Oder pong. Oder päng. Wie lieb ich dieses Spiel. Bin fast süchtig danach. Ein Ball, 4 Gramm schwer, Durchmesser 4 Zentimeter, aus Kunststoff, weiss oder orange. Max Frisch hat dieses Spiel einst auch geliebt. Er soll ehrgeizig gewesen sein, ist manchmal fast zornig geworden nach einem verpassten Ball und völlig entfesselt, wenn er spielte, meistens mit seiner Pfeife im Mund. Manchmal spielte er auch gegen Friedrich Dürrenmatt. Was für ein Duell, wie ein Wortwechsel. Ping. Pong. Päng. Der Tisch, an dem ich diese Leidenschaft vor zwei Jahren wieder entdeckte, steht hinter Gittern. - Küsnacht, Badi Kusen. Logenplatz.   Der Stuhl ist frei, er steht in der ersten Reihe. Mit gutem Blick, niemand versperrt die Sicht. Doch auf der Bühne spielt niemand. Keine Aufführung, keine Musik, kein Theater, keine Lesung, kein Match, nichts in diesen Wochen. - Zürich, Sechseläutenplatz beim Opernhaus. Git

Damals, mit dem Transistorradio am Ohr

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Einst: Fussballreportagen am Transistorradio. Zusehen, wenn im Stadion niemand zusehen darf? Es macht Mühe. Die Konzentration lässt nach, es fehlt etwas, auch wenn das Spiel, das reine Spiel, der Ball und die Spieler, am TV besser zu sehen ist, abgelenkt durch nichts, ohne Kameraeinstellungen, die ins Publikum schwenken, ohne grosse Emotionen, mit Spielern, die kein Theater machen müssen, weil ausserhalb des Rasens niemand schreit oder tobt, nur ihre Zurufe sind zu hören.  Sie haben nur den Ball, keine Bühne, vor der sie sich aufspielen müssen, und sie bejubeln ihre Tore weniger selbstverliebt; die Schiedsrichter wirken viel souveräner, ihre Entscheide werden nicht lautstark und mit Protesten kritisiert und von den Spielern einfach so entgegen genommen. Man hört Vögel zwitschern, sagt der Sky-Kommentar. Vielleicht pfeift es auch nur in seinem Kopfhörer. Heute: Reporter bei Geisterspielen. Sender Sky, Mai 2020. Ich denke, wie es damals war, früher als Kind, an den Son

Fritz Gerbers «Scheissfreude»

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Strahlen mit dem Meisterpokal, Fritz Gerber, Hanspeter Zaugg, Rainer E. Gut (v.l.): Hardturmstadion, Mai 2001. Die Erinnerung an ein Gespräch im «Savoy» in Zürich Ein Interview mit Rainer E. Gut wollten wir, dem wichtigen Schweizer Wirtschaftsführer – und Fussballfan. Seit Monaten versuchten wir es, immer kam eine Absage, er gäbe selten Interviews, das wüssten wir doch, und er habe eigentlich nichts zu sagen, liess er jeweils ausrichten - bis dann diese Antwort kam: «Wenn, dann nur zusammen mit Fritz Gerber oder am liebsten mit dem ganzen Verwaltungsrat.» Gut und Gerber, der frühere Präsident der Credit Suisse und später von Nestlé, und Fritz Gerber, Präsident der Zürich Versicherung und dann von Roche, hatten drei Jahre zuvor die Fussballsektion des Grasshopper-Clubs übernommen, sie traten als Investoren auf, als der Club in finanzieller Schieflage und fast am Abgrund gestanden war. Der halbe Swiss-Market-Index habe für GC gebürgt, schrieb die NZZ später einmal. Sie steckten eno

Wenn der Applaus fehlt

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Keine Zuschauer, weder im Theater noch beim Fussball: Zürich, Rigiblick und Letzigrund. Ein spätabendliches Telefongespräch mit Daniel Rohr, dem künstlerischen Leiter des Theater Rigiblick in Zürich. Er ist eben in sein Auto gestiegen, war in seinem Haus oben am Zürichberg, dem Theater mit der schönsten Aussicht auf die Stadt, hatte einiges zu erledigen, nicht nur Angenehmes in diesen Zeiten, und wie immer viele Ideen im Kopf, über neue Stücke, die er vielleicht aufführen will, wenn irgendwann wieder Theaterabende möglich sind. Noch sind diese nur vage, erst umrissen einige, er überlegt sich eine kleine Geschichte, eine Erzählung, die vielleicht zu einer grossen wird, einem Stück für sein Programm.  Rohr spricht davon, wie sehr er die Natur genossen hat in den letzten Wochen, in seinem Bauernhaus, so intensiv wie vielleicht noch nie hat er wahrgenommen, wie etwas wächst und blüht, und er redet auch vom eigenartigen Gefühl, wenn er in seinem Rigiblick war, wie an diesem Abend. 

Der Kiosk in Tavanasa – und der an der Via Veneto

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Immer wieder Kioske gesucht und besucht: Zürich-Seefeld, Mai 2020. Beat Schlatter, der Schauspieler, Kabarettist und Künstler mit ständig tausend Ideen im Kopf, hat ein Buch herausgegeben. «Post Cards» heisst es. Fast tausend Postkarten sind darin abgebildet, die eine Geschichte erzählen und Gefühle aufkommen lassen, an eine frühere Zeit. Schlatter hat schon als Kind und bis heute Postkarten gesammelt. In diesem schönen Buch sind es solche aus den 1960er- bis in die 1980er-Jahre, von Stränden, Kirchen und Kathedralen, Brunnen, einsamen Orten, Hotels und Pools und Passstrassen, Landschaften im Winter und Sommer, am Tag, in der Nacht, mit oder ohne Menschen drauf. «Saluti da Capri» steht auf einem, eine Blondine in Pose lächelt mit einem Apfel in der Hand, «Souvenir di Roma» einem anderen, mit dem Foto von Papst Johannes Paul II. Ich denke, ich hätte auch Bilder sammeln müssen, es wären einige Hundert geworden. Bilder von Kiosken, aus der ganzen Welt, Kioske, die ich gesucht und

75 – ein Glas Wein. Und sein Garten.

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Jupp Heynckes auf seinem Landhof: Fischeln, Mai 2020. Interviews mit Trainern fanden fast immer in ihren Kabinen im Stadion, in irgendeinem Büro oder vielleicht Restaurant oder in einer Hotellobby statt. Bei Jupp Heynckes war es anders, damals vor fast genau sechs Jahren. «Kommt zu mir nach Hause», sagte er, «hier können wir in Ruhe reden.» Sein zu Hause war nicht leicht zu finden, trotz Navi im Auto. Schwalmtal heisst der Ort, am Niederrhein im Westen von Nordrhein-Westfalen, 40 Kilometer von Düsseldorf entfernt; Fischeln ist ein Ortsteil, viel Grün, viel Natur, dichte Wälder, nur wenige Leute wohnen hier, weit auseinander die Häuser. Irgendwie, nach zwei Telefonaten, schafften wir es, seinen umgebauten Landhof zu finden, Heynckes stand am Eingangstor, sein Hund Cando bellte, er zeigte uns zuerst seinen wunderbaren Garten, das weitläufige Gelände, die Rosen, die er selber züchtet, die vielen Blumen, es blühte alles, es war anfangs Mai, und dann führte er uns zu seinem Teich mit

Genug

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Home-Schooling. Home-Office. Home-Pflicht. Home-Sein: Küsnacht, im Mai. Ich habe genug. Genug ...  vom Wort. vom Bild, jeden Abend in der Tagesschau, seit Wochen, diesem roten Kranz. Der ja eigentlich schön aussieht. Wie eine Koralle. von Fledermäusen. Es gibt auf der Welt 1000 Arten davon. Von welcher nun? vom Home-Office. vom Home-Schooling. vom Home-Sein. von der Home-Pflicht. von Bleib-zu-Hause! Home-Office 2: Küsnacht, Frühling 2020. von Maske. Oder Mundschutz.  von der Zahl 19. vom Wort mit -19 hintendran. Warum heisst dieses Wort vor dem -19 überhaupt so? von allen -ologen. von Beschränkungen. vom Recht in der Not. von Geistern. Vor -spielen. Überhaupt von Geistern. von Richtlinien. Damit sie spielen können vor Geistern. Im Papier für die deutsche Bundesliga steht auf 51 Seiten auch die Regel, dass ein Spieler ein Stofftaschentuch, das er vielleicht benutzt, nachher mit 60°C waschen muss. Nicht mit 40. Die Waschmaschine darf nur er selber benutzen

Kein Schüeli

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Gefühlt wie kleine Ronaldos oder Messis: Sieg am Schüeli 2019. Die Synchronschimmerinnen, die seit Jahren nur darauf trainierten. Und ihren Tag im Kopf hatten. Olympische Sommerspiele in Tokio, Sonntag, 26. Juli. Der Eishockeyspieler, der vom Playoff träumte. Sechs Monate darauf wartete, viele Spiele bestritt, in denen es um wenig ging, weil der März und der April noch so weit weg waren. Und klar: Von der WM, im eigenen Land. Der Handballer, der immer noch hoffte, an der nächsten Weltmeisterschaft teilnehmen zu können. Der Radprofi und der Giro und die Tour de France. Die Fussballer und ihre EM in fast ganz Europa. Es sind so viele, die darauf warteten. Die Tage irgendwann im 2020 angestrichen haben. Es gibt aber auch diese. Dann kam der Virus. Am Anfang sagten ihnen die Eltern noch, bis im Juni wird es vorüber sein. Er ist acht. Er liebt den Fussball. Er kickt in jeder freien Minute. Auf der Strasse, im Garten, auf einer Wiese, er ist schon im FC, bei den Kleinsten. Juvent

Telefonnummer 164

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Nummer 164: Einst die Nummer zur Welt des Sports. Es ist so vieles anders in dieser Zeit. Ganz Banales auch. Habe ich in den letzten Wochen einmal auf dem Handy das App «Teletext» gewählt? Nie. (Wobei, tun das noch viele heute, wissen die Jungen überhaupt, was Teletext bedeutet?). Habe ich die Nummer 202 eingetippt? Schweizer Fussball. Die Nummer 231? Bundesliga. Nie. Warum auch? Spielbetrieb eingestellt. Die Seite 505, «Aussichten Wetter Alpennordseite»? Warum auch. Es war ja fast immer schön. Die Hauptseite 100? Sowieso nicht. Auch hier sicher nur Corona, Corona, Corona. Und draussen vor der Kabine brüllte einer energisch, er wollte sicher seine Freundin anrufen Und so überlege ich, wie das einst war, noch ohne Handy und Internet, nur mit Telefonapparaten, die irgendwo an einer Wand hingen oder in den Kabinen, beim Bahnhof oder auf einem Platz. Gibt es das noch, die Nummer 164 beispielsweise? Die Nummer zur Welt des Sports. Ich weiss noch, wie ich, irgendwo auf der We