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Es werden Posts vom August, 2021 angezeigt.

Der Sommer, der keiner war

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Diesen Blog-Beitrag auch hören!   Dieser Sommer ging so. Man fror. Und manchmal, nur manchmal, manchmal war selten, war es nicht mehr ganz grau am Himmel und plötzlich etwas wärmer, wärmer, nicht richtig warm, weil am sonst fast immer grauen Himmel etwas hell leuchtete. Man zog sich aus. Dachte, jetzt kommt er, der Sommer. Es war in diesem Jahr kein Frühling, es war nie Sommer, aber jetzt vielleicht, kurz bevor der Herbst kommt, der vielleicht gleich ein Winter wird, in vier Monaten schreiben wir schon 2022? Jetzt also? Nackt, oder wenigstens fast nackt, sassen oder lagen wir da, irgendwo am See, dachten, jetzt können wir reinspringen, endlich schwimmen, und wir blickten nochmals nach oben, und da, wo es vorher noch hell war und in einer kleinen Wolkenlücke blau und wir ahnten, dort könnte die Sonne sein; da, war es wieder grau, sehr grau, drüben an den Hügeln am anderen Ufer gar schwarz. Und wir froren wieder, zogen den Pullover an und dachten: Haben wir jetzt den Sommer schon wieder

Liverpool in Kemptthal

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Wäre es immer ein Bier gewesen, er wäre betrunken gewesen. Er liebt Bier. Aber er trank, wie er zumindest sagte, stets eine Apfelschorle. Und er trank viel. Immer, wenn ein Flugzeug über die Bühne flog, griff er zum Glas. Und es flogen viele Flugzeuge über die Bühne an diesem Abend. Alle paar Minuten. Auf dem Anflug nach Kloten. Er sah ihnen nach, und das Publikum sah auch immer zum Himmel. Flugzeuge waren ein Thema. Es war ein Abend im Kemptthal, auf dem grossen Areal der ehemaligen Maggi-Fabrik, eingeklemmt zwischen Bahnlinie, die S7 hält hier, Kantonsstrasse und Autobahn, früher roch es da nach Suppe und Bouillon, heute ist es ein geschichtsreiches Industriegelände, ein spezielles, für Start-Ups und auch für Unterhaltung und Kultur, es heisst «The Valley», vieles ist denkmalgeschützt. An diesem wunderbaren Abend war Liverpool in Kemptthal. Das rote Signet des Fussballclubs hing auf der Bühne und eine England-Fahne, rot beleuchtet war auch das Gebäude dahinter, es war ein Abend mit C

Mega happy

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Live, live, Live! Endlich. Nicht Fussball, das auch - nein, ein Konzert. Musik spielen. Musik hören. Musik fühlen. Musik erleben. Musik riechen. Sich zu Musik bewegen, wippen, tanzen, mit vielen Hundert anderen. Einige mit einem Becher in der Hand, Wein, Bier oder irgendetwas sonst, links, rechts, hinten, vorne, dichtgedrängt, mitsummend, mitsingend, mitschreiend, mitjohlend, viele Hände, die hochgehen, Zigaretten, die herumgereicht werden, begeistert alle, die da sind und zuhören, versunken in Töne und Texte, alles andere vergessend, Klavier, Saxophon, Gitarre, Schlagzeug vor Augen. Und zuletzt, nach vielen Zugaben, doch fast wie im Fussball, fünf Musiker, die auch enge Freunde sind und sich auf der Bühne umarmen, lange in einem Kreis innig festhalten, als hätten sie eben im Final das Tor zum WM-Titel geschossen, dabei waren sie einfach glücklich, über den Abend und die Momente, die sie und wir auch so vermissten. Musiker im Glück Live, wieder live, vor Publikum, draussen an einem lau

Für ihn gab es sogar ein Verb: müllern

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Er sagte es, als würde man ihn nicht kennen, leise und zurückhaltend, etwas schüchtern gar: «Mein Name ist Müller.» Natürlich wussten alle, wer er ist, damals vor elf Jahren beim Final der Champions League im Estadio Bernabeu in Madrid, Bayern München, seine Bayern, gegen Inter Mailand.   Gerd Müller. «Bomber der Nation», wie sie ihn nannten, der Mann der vielen Tore, und an diesem Abend sass er in einer Ecke des riesigen Stadions, nicht bei den Edelfans und ganz wichtigen Leute im Klub, er sprach kaum während des Spiels, schaute zu, ein Lächeln manchmal, aber sonst wenig Regung, er wirkte bedrückt, manchmal abwesend, offenbar gezeichnet vom Leiden, aber er war sehr freundlich, bescheiden wie immer, schien eher froh, wenn man nicht mit ihm redete, verabschiedete sich zuletzt und wünschte trotz des Resultats einen schönen Abend. Seine Bayern verloren den Final 0:2. Müller wollte nie mehr sein, als er war, aber er war ein Grosser, einer der besten Fussballer seiner Zeit, in den sechziger

Wer ist Murat Yakin?

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«Ich bin weder Türke noch ein Schweizer, irgendetwas dazwischen.» (Yakin, 1993). «Mein grosses Ziel: Der FC Barcelona.» (Yakin, 1995). «Wenn die Schweizer Nationalhymne abgespielt wird, ist das ein besonderer Moment. Der Schweiss bricht aus, und es läuft mir kalt über den Rücken.» (Yakin, 2 Länderspiele hatte er damals, 1995). «Der ist zu dick und zu langsam» (Friedel Rausch, Basel-Trainer, nachdem Yakin im Probetraining war, 1992). «Istanbul reizt mich». (Yakin 1998). «Ich kam mit dem Leben in Istanbul einfach nicht klar, ein Moloch, der an den Nerven zerrt und die Sinne verwirrt.» (Yakin, nachdem er seinen Vertrag mit Fenerbahce gebrochen hatte, 1999). «Ich warte auf einen Spieler, der ist, wie ich es war. Der kommt nicht mehr.» (Yakin, 2009). Er ist ein Zocker. «Ich sehe Murat weniger als Trainer, eher als Berater eines Klubs, als Technischer Direktor oder auch als Spieleragenten.» (Christian Gross, im Buch «Die Yakins», 2004). «Muri, du klingst wie Gross.» (Sein Bruder Hakan). «Mur

Lionel und Messi

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Diesen Blog-Beitrag auch hören!   Lionel, der Kleine, war wegen Messi schon einmal untröstlich, vor einem Jahr, als sich dieser mit seinem Klub verkracht hatte und sofort weggehen wollte. Lionel heisst nicht wegen Messi Lionel, aber Messi trat bald in sein Leben, weil er sich auch in den Ball verliebte, weil er, Kinderträume, auch einmal so spielen wollte, und er versuchte, im Garten seine Tricks nachzuahmen, weil er ihn, so oft er konnte, am TV bewunderte und einmal sogar im Stadion, live. Und Messi war Barcelona. Und Barcelona war Messi. Sein Spieler, sein Klub. Er trug das Leibchen, manchmal auch in der Schule, fast immer in der Freizeit, das Leibchen von Barcelona, rot und blau, mit der 10 hinten: Messi. Und jetzt brach die Welt für Lionel zusammen. Zufällig war er dort, dem Ort, der für ihn die Welt bedeutete, in Barcelona in den Ferien bei seinem besten Freund, und an diesem Donnerstag, als die Nachricht eine Stadt schockte und es nur noch dieses eine Thema gab, schaute er ständi

«Hai, hai» in Tokio (II)

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Die Journalisten bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio dürfen in den ersten 14 Tagen keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, sie gelten als potenzielle Coronavirus-Träger. Sie dürfen vieles nicht, sie dürfen auch nicht einfach raus aus ihrem Hotel, nur 15 Minuten pro Tag in einem zugewiesenen Supermarkt etwas zum Essen einkaufen, sie werden ständig überwacht.  Es ist so vieles anders in diesen Zeiten, anders als 2002 bei den Fussball-Weltmeisterschaften in Japan. Ein paar kurze Erinnerungen (siehe auch « Hai, hai» in Tokio I ). Schlafen im Zug.  Er kommt in den Zug in einem Tokioter Vorort, es ist nach Mitternacht. Er, schwarzer Anzug, weisses Hemd und Krawatte, setzt sich hin, legt seinen Schirm auf den Boden neben die Füsse - und schliesst sofort seine Augen. Sein Körper baumelt hin und her und rutscht immer tiefer in die Bank, er fällt fast auf den Boden. Er hat seinen Mund bald weit offen, schläft tief.   Nebenan schläft auch einer.  Und auf der anderen Seite auch einer. O