Truurig glücklich


Gesehen, gelesen, gehört – Der Katar-Blog (Nr. 10)

 

Andelfingen und Katar. Es sind zwei Bilder. Sie erzählen vom Fussball der Kleinen, vom echten, dem unbeschwerten, so glauben wir wenigstens, wir, die ihnen zuschauen, und es tut gut, ihnen zuzuschauen und nicht an anderes zu denken, Fussball ist bei ihnen nur Spiel, kindliches Spiel, sie und der Ball.

 

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Diego strahlt auf dem Bild. Er ist 8, er spielt beim FC Fällanden, er ist manchmal Torhüter und manchmal Stürmer, und wenn er Torhüter ist, dann ist er Brecher, weil er den so lässig findet und in einem Leibchen von ihm im Letzigrund steht, manchmal gar mit seinem Vater in der Südkurve, und dann singt er alle Lieder laut mit; und manchmal eben ist er auch Stürmer und dann Lewandowski, den findet er einfach cool.

Diego strahlt. Er hat einen Pokal in den Händen, dieser sieht aus wie der WM-Pokal, «Coppa Russo» ist eingraviert, und er hat eine Medaille um den Hals, er ist glücklich.

Aber Diego sagte auch, später zu Hause, er sei etwas traurig. Sie wurden im Turnier Dritte, wieder Dritte und auch schon Zweite waren sie bei anderen Turnieren, er hat schon einige Medaillen zu Hause, sie hängen in seinem Zimmer neben Bildern von Brecher und Lewandowski.

Aber eben: Dritter, Zweiter. Gewonnen hat er mit seiner Mannschaft noch kein Turnier. Und deshalb sagte er auch: «Ich bi scho echli truurig». Diego wäre gerne mal Erster. Dann wäre der Pokal viel grösser.


Diego, 8, mit dem Pokal

Und damit zu den Grossen. Nach Katar, zur WM. Zu einem, der schon ganz viel gewonnen hat und von dem viele sagen, er sei der Beste, der je Fussball gespielt hat, aber eben: Etwas war er noch nie - Weltmeister.

Und an Samstag, am Abend, bevor Diego am nächsten Tag seinen Pokal in den Händen halten wird, spürte man, wie gross der Druck auf ihm lastet, der Druck eines ganzen Landes, von 45 Millionen Menschen, denn in Argentinien sassen wohl zu dieser Stunde fast alle vor einem Bildschirm. «Wir waren dazu verdammt zu gewinnen, und es ist schwierig, unter solchen Bedingungen zu spielen», sagte Lionel Messi.

Messi war in diesem Spiel lange nicht Messi, er trug eine tonnenschwere Last auf seinem kleinen Körper - bis zu dieser 64. Minute, bis er zum ersten Mal etwas Zeit und Raum hatte und ihn die Mexikaner für einen Sekundenbruchteil aus den Augen verloren hatten. Sein Schuss, präzis, sein Tor, das 1:0.

Messi, 35, strahlt wie ein Kind

Und wie Messi nachher zu seinem Jubellauf ansetzte, diese Umarmungen, die nicht aufhören wollten, dieser Blick, dieser weit aufgerissene Mund, diese Augen, diese Tränen, diese Faust und wie er zuletzt noch alleine vor den argentinischen Fans stand und sich feiern liess und selber feierte - da war Messi, 35 ist er, wie ein kleines Kind, einfach glücklich.

Und er dachte nur an eines: Vielleicht habe ich doch noch die Chance, diesen grössten aller Pokale zu gewinnen. Wie es Diego gelungen war, dem grossen Diego, mit dem er immer verglichen wird, Maradona, damals 1986.

Und der kleine Diego will es auch – eines Tages, in Andelfingen oder wo auch immer.


PS: Diego, 8,  hat am Abend reagiert. Er sei nicht mit allem einverstanden. Seit Robert Lewandowski die Bayern verlassen habe und dieser nun bei Barcelona spiele, sei er nicht mehr Fan von ihm. Jetzt sei es Eric Maxim Choupo-Moting, immer der aktuelle Stürmer bei den Bayern. - Die Red. entschuldigt sich bei Diego.
 
 
 
 
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