Ferien in Bauma

Fredys EM-Blog – Nr. 1

In elf Städten in elf Ländern, es ist eine sonderbare Fussball-Europameisterschaft in eigenartigen Zeiten. In diesem EM-Blog möchte ich über beides schreiben, Gedanken zum Turnier, das in diesem Sommer stattfindet, aber immer noch Euro 2020 heisst, manchmal nur mit Bildern – aber auch mit Texten von früher zeigen, wie es einmal war, als eine EM nur in einem Land (oder höchstens zwei Ländern) ausgetragen wurde. Einige Erlebnisse von damals.

Ferien in Bauma

Landgasthof «Heimat» in Bauma.


Auszug aus einem Tagebuch der Euro 2008, die in zwei Ländern, in der Schweiz und in Österreich, ausgetragen wurde und überschaubar war. Es waren auch Geschichten aus dem Leben des deutschen Journalisten und Autoren Ronald Reng.


Samstag, 7. Juni. Wo liegt die Schweiz? Das Magazin «Stern» klärt diese Woche auf: «Südlich von uns liegt ein kleines, herziges und schwer bewaffnetes Land, darin noch nicht einmal 7,6 Millionen Menschen leben, die vier Sprachen lesen (eine davon ist Deutsch) und ebenso viele Sprachen sprechen (Deutsch gehört nicht wirklich dazu).» Und zu diesem Land, das nicht im tiefsten Afrika liegt, ist das wichtig: «Röschti und Rütli, Fähnli und Fondue. Das bizarre Volk der Eidgenossen kann fast alles ausser Fussball spielen. Und liebt fast alle, wenn sie Geld haben – ausser die Deutschen.»

Sonntag, 8. Juni. Die «Welt am Sonntag» fordert: «Jetzt aber her mit der Euphorie!» und schreibt vom Wasser, das immerzu vom Himmel fällt, und deutschen Besuchern, die wie Wünschelrutengänger seit Tagen durch die Alpen pilgern und nach Stimmungen und fremden Menschen suchen, die sich freiwillig umarmen, wie es damals war bei ihrem Sommermärchen 2006.

Mein deutscher Kollege Ronald Reng, der sonst in Barcelona lebt, verfolgt für die «Süddeutsche Zeitung» die Portugiesen, nach dem 2:0 gegen die Türkei wird er poetisch und dichtet: «Die Schönheit lag noch in Ronaldos Hand, als er das Stadion gegen Mitternacht verliess.» Reng meldet sich aus Lignières. «Wo bist du?» – «Irgendwo da oben, über Neuenburg.» – «Aha.»


Ronald Reng


Dienstag, 10. Juni. Reng meldet sich. Aus Bauma. «Bauma?» – «Ja, Bauma, ich bin auf dem Weg von Neuenburg nach Innsbruck.» – «Und warum in Bauma?» – «Das Tourismusbüro Winterthur hat für mich das Zimmer hier gebucht.» Sein Gasthof heisst «Heimat». Reng will dort vielleicht einmal Ferien machen.

Freitag, 13. Juni. Reng meldet sich. Er ist in Wetzikon. Für ihn auf dem Weg zwischen Neuenburg und Österreich. «Der Name gefiel mir», sagt er, er hat am Abend zuvor irgendwo das Spiel Deutschland gegen Kroatien sehen wollen und ist von der Autobahn runtergefahren. Auf der Bahnhofstrasse in Wetzikon sei er stehen geblieben, vor einem grossen Flachbildschirm, und nach einigen Minuten habe ihn ein Verkäufer angestarrt, und es sei irgendwie peinlich gewesen.

Sonntag, 15. Juni. «Danke Köbi», das Plakat der Schweizer Spieler, das sie nach dem 2:0 gegen Portugal durchs Stadion in Basel tragen. Und im «Streiflicht» der «Süddeutschen» wird zu lesen sein: «Kuhn geht in Rente. Das ist tatsächlich jammerschade, denn in den vergangenen Tagen hat man Köbi lieb gewonnen – Köbi, der Mann, und Köbi, das Wort. Den Mann, weil er ein feiner alter Herr ist, der so gar nicht in die lärmende Egotruppe der Weltfussballtrainer passt. Das Wort, weil es ein Kinderwort, ein Zauberwort ist, weil es jeden, der es hört, sogleich besänftigt.»

Dienstag, 17. Juni. Und Reng? «Wo bist du?», soll ihn seine Frau jeweils fragen, wenn sie miteinander telefonieren. «Bei der Arbeit», sage er, und er wolle ja nicht verraten, wo er sich oft befinde. Auf Autobahn-Raststätten. «Würenlos ist mein absoluter Favorit.»

Rengs Lieblingsautobahnraststätte Würenlos.


Freitag, 20. Juni. Ein SMS von Reng, unterwegs wieder einmal von Neuenburg, seinem Basislager bei den Portugiesen, nach irgendwo im anderen EM-Land. «Ich bin in Regensdorf.» – «Das ist das Dorf mit dem Gefängnis.» – «Aha, deshalb meine Gitter vor dem Fenster ...» – «Warum kommst du nicht mal nach Zürich?» – «Zürich ist für mich nach meiner Bauma-Erfahrung zu grossstädtisch.»

Freitag, 27. Juni. Ronald Reng erhält eine E-Mail: «Gruezi Herr Reng. Herzlichen Dank für Ihren positiven Bericht im heutigen Tagi. Die liebe Hotelbesitzerin hat sich sehr über Ihren Artikel «EM auf dem Dorfe Bauma forever!» gefreut. Vergessen Sie nicht – in zwei Jahren ist die WM! Liebe Grüsse vom Ende der Welt. Hotel Heimat – nein Landgasthof Heimat. Nelly und Hans Ziegler.»

So war es, damals 2008.
 

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