4.70 Franken mehr

Stadtgeschichten (2)



Am Nebentisch im Bistro sitzen sie zusammen, eine Gruppe älterer Männer, und sie reden über das, worüber fast alle reden in diesen Tagen, draussen regnet es.


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Einer sagt, die Bank hätte pleite gehen sollen. Das wäre das Beste gewesen.

Ein anderer sagt, diese Manager gehören hart bestraft, und sie müssen ihre Millionen-Boni zurückgeben.

Ein dritter sagt, wenigstens das Schweizer Geschäft muss man retten und abspalten von diesem Monster UBS, und am besten nennt man dann die Bank wieder wie früher Kreditanstalt.

Jetzt sagt einer, und dann sollen sie an alle Schweizer und Schweizerinnen wieder diese Skimütze von damals verteilen, gratis. Er sucht auf seinem Handy ein Bild, hier! wunderbar, sieht sie doch aus, weiss-rot-blau!

Ein anderer, der, der bisher nichts gesagt hat, sagt, und am Ende müssen wir, die kleinen Steuerzahler, für alles blechen, was diese Abzocker verbrochen haben.

Er habe heute morgen sein ganzes Geld abgehoben, sagt jetzt einer. Und auf die Frage eines anderen, wohin er es denn gebracht habe, zu welcher Bank er noch vertrauen habe, sagt er: Unter mein Bett, vorläufig. Wieviel es ist, sagt er nicht.

Alle lachen.

Und einer legt das Gratisblatt «20 Minuten» zur Seite und sagt: Ja, ja, ihren Stammplatz an den Zürcher Zünften sollen diese CS-Oberen auch verlieren, die haben am nächsten Sechseläuten nichts mehr zu suchen.

Und ich schlürfe meinen Espresso macchiato und denke, wie glücklich ich damals war, als Kind. Zum Jahresanfang zeigten mir meine Eltern das Kinder-Sparbüchlein von der Sparkasse in unserem Dorf, und der Götti hatte mir zum Geburtstag und als Weihnachtsgeschenk 100 Franken einbezahlt, und es gab dafür 4,7 Prozent Zins, 4.70 Franken mehr. Es stand drin, fein säuberlich von Hand aufgeschrieben. Abheben durfte ich das Geld aber erst nach meinem 18. Geburtstag.



 
 
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