«Great save»

Fredys EM-Blog – Nr. 16

In elf Städten in elf Ländern, es ist eine sonderbare Fussball-Europameisterschaft in diesen Zeiten. In diesem EM-Blog möchte ich über beides schreiben, Gedanken zum Turnier, das in diesem Sommer stattfindet, aber immer noch Euro 2020 heisst, manchmal nur mit Bildern – aber auch mit Texten von früher zeigen, wie es einmal war, als eine EM nur in einem Land (oder höchstens zwei Ländern) ausgetragen wurde. Einige Erlebnisse von damals.

«Great save»

Bereit für das grosse Spiel gegen England.

England am Sonntagabend im EM-Final im Wembley, und die Schweiz, ja, es hätte ja sein können, soviel hat nicht gefehlt ... Schweiz gegen England hatte es auch bei der Euro 2004 in Portugal geheissen, gleich zweimal, eines war ein besonderes Spiel, auch ein Final, so fühlten wir es, wir Journalisten, damals. 

Es darf nicht sein. Sich nur nichts anmerken lassen. Aber der Schmerz war wieder da, im Abschlusstraining fünf Tage zuvor, nach zehn Sekunden schon, ein Zwicken im linken Oberschenkel. «Wir brauchen dich als Keeper», sagt mein Köbi, der ein Peter ist. Vertrauen tut gut in diesem schwierigen Moment. 

Ich schlucke Tabletten, viele und irgendwelche, salbe fast stündlich, irgendetwas.

Die Augen halb geschlossen, dösend im Bus, an Dörfern und Ausfahrten vorbei, Caldas da Rainha, Valado dos Frances, alles schöne Namen, später Leiria, von der A 8 zur A 1, noch 75 Kilometer bis Coimbra. Im Ohr Musik aus dem iPod, auf «zufällige Auswahl» gedrückt. Leonard Cohen besingt seine Suzanne, die keine Suzanne, aber eine wunderbare Frau war, wie er einmal sagte - die Melancholie des dichtenden Sängerpoeten. Aber das Richtige zur Einstimmung auf ein grosses Spiel?

Das Stück «Cucurucucu paloma» aus Pedro Almodovars Film «Hable con ella» folgt, dann Bob Dylan mit «Romance in Durango», himmlisch schön, wieviel tausendmal habe ich das schon gehört? Cher singt «Dov’è l'amore», aber dies kann und darf kein Thema sein, nicht jetzt. Endlich, das gibt Kraft: Die Stones dröhnen mit «I can’t get no satisfaction». Ich fühle mich stark, putsche mich auf.

Bange Fragen im Kopf. Haben die einen David Beckham, einen schreibenden Beckham (hoffentlich nicht), sitzt seine Victoria auf der Tribüne (hoffentlich)? Stürmt auch so ein Verrückter wie dieser Wayne Rooney? Und es sind sicher alle gross und kräftig und stark, und sie spielen ständig nur hohe Bälle in den Strafraum!

Die Stones müssen auf dem iPod nochmals beginnen, «I can’t get no satisfaction», jetzt mit voller Lautstärke.

So muss sie gewesen sein, diese Parade damals, in diesem Sommer 2004.

An der Vorbereitung kann es nicht gelegen haben. In der Abenddämmerung ein Spaziergang im feinen Sand am Atlantischen Ozean (Gelenke schonend), das Bild von Jörg Stiel mit seiner fast schon clownesken Parade im Spiel der Schweizer gegen Kroatien, liegend auf dem Boden und Kopf voran, knapp vor der Torlinie, Ball an der Stirn, Hände irgendwo, nochmals studiert und verinnerlicht, der portugiesische Wein war vom Besten, nachher noch eine bica, ein sehr starker Kaffee.

Endlich sind wir da, im Stadion von Taveiro, nördlich von Coimbra, Kickoff morgens um elf, die Sonne brennt fürchterlich, schon 34 Grad, auf der Tribüne hat es noch freie Plätze, eigentlich nur freie Plätze.

Schweiz gegen England, sie in Weiss-Blau, wir in Rot, wie echt, die Schiedsrichter in Gelb; gemeinsam stellen wir uns auf, singen nicht (auch wir nicht), aber summen die Nationalhymne, es wird gefilmt und fotografiert.

Sie sind tatsächlich fast alle gross und kräftig. «David» höre ich noch keinen schreien, aber Gary heissen sie, und Paul und Steven, und auf der linken Seite rufen sie einen Georges. Er dribbelt, flankt und rennt so schnell, dass er an Georgie Best erinnert, den Verrückten von damals, oder zumindest an seinen kleinen Bruder.

Und ja, später, habe ich richtig gehört? «Great save, Keeper», hat einer gesagt, vielleicht war es doch Beckham, für mich muss es Beckham gewesen sein, und ich spüre den Oberschenkel in diesem Moment nicht mehr.

... oder doch eher so?

Ein epischer Kampf ist es, es wird geschrien, geflucht, gegrätscht, gefoult, gejammert, vor allem gelitten, die heisse Sonne brennt senkrecht von oben, Georges wirbelt weiter, als sei er immer noch zwanzig, und viele hohe Bälle. Tore fallen – wie, ist unwichtig, «Great save, keeper», hat doch einer einmal gemeint. Es muss David B. gewesen sein. Sicher war er es.

Das Spiel Schweiz - England der Journalisten am 16. Juni 2004 in Taveiro bei Coimbra (Portugal) endete 2:2. Eine Verlängerung gab es nicht, auch kein Penaltyschiessen. Zum Glück wohl.
 

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