Diego (8): «Yanick, Yanick»

 
 

Er weiss nicht, was Fifa bedeutet. Kennt nur das Fifa-Spiel. Der Name Infantino sagt ihm nichts.

Er spielt Fussball, bei den F-Junioren von Fällanden. Er ist manchmal Mittelstürmer, und dann ist er Lewandowski. Manchmal steht er im Tor, und dann ist er Neuer. Lewandowski und Neuer, er ist ein Fan von Bayern München, sein Vater ist es auch, seit langem schon.

Aber manchmal ist er im Tor auch Brecher, Yanick Brecher, Torhüter beim FC Zürich. Er ist seit einiger Zeit fast immer Brecher, weil er im Letzigrund einige Spiele des FC Zürich besuchen durfte, und ihm der grosse Mann im Tor gefallen hat, vor allem auch die schönen Trikots, die Brecher trägt. Er hat inzwischen auch eines, zu Weihnachten bekommen, ein schwarzes. Und eigentlich ist Brecher jetzt seine Nummer 1, auch wenn dieser die «25» trägt, und er wird es jetzt wohl noch lange bleiben.

Aus diesem Grund:

Er hat eine Woche lang nur gemalt, jedes Mal, wenn er von der Schule heimkam und meistens bis er ins Bett musste. Er sass in seinem Zimmer auf dem Boden, neun A-3-Papiere vor sich und viele Farbstifte, jeder Buchstabe bekam wieder eine andere Farbe.

Zuletzt stand auf dem Gemälde, über einen Meter breit und fast einen Meter hoch, das:

Yanick Brecher
Du bist mein Idol
Heute ist mein Geburtstag
Darf ich Dein Trikot, bitte.

Dazu das Klublogo des FC Zürich. Und natürlich die Nummer 25 gezeichnet, die Nummer von Brecher.

Eine Woche lang gemalt – am Samstag im Letzigrund.

Zu seinem Geburtstag durfte er am vergangenen Samstag sechs Kollegen zum Spiel des FCZ gegen Servette einladen, und so standen sie im Familiensektor in der Ecke der Osttribüne, ganz vorne bei der Abschrankung. Er hielt, mit dem FCZ-Schal am Hals und über der Jacke das schwarze Brecher-Leibchen, sein farbiges Werk in der Hand und hängte es über das Gitter. Alle sollten es sehen, vor allem einer. 

Er rief immer wieder «Yanick!», aber Yanick hörte ihn natürlich nicht, er war viel zu weit weg, in der zweiten Halbzeit zwar näher, doch kaum in Hörweite, in diesem riesigen Stadion, und Yanick hatte ja anderes zu tun, als auf die Tribüne zu schauen.

Das Spiel war zu Ende. Er stand da mit seinem Plakat und schrie und schrie nochmals, «Yanick!, Yanick!» und zeigte auf seine farbigen kunstvollen Buchstaben, aber Brecher ging zur Mitte des Platzes, zu seinen Mitspielern, er war wieder sehr weit weg.

Er war etwas traurig.

Doch dann – wirklich? Warum? Tatsächlich? Doch es war so.

Brecher lief nicht, wie seine Kollegen, auf die andere Seite hin zur Südkurve, sondern in seine Richtung auf der Tartanbahn der Osttribüne entlang, zog seine Handschuhe aus und sein Leibchen, immer näher kam er.

Der Kleine rief «Yanick!, Yanick!», so laut er nur konnte, seine Kollegen auch, heiser waren die zarten Stimmen inzwischen längst, und Yanick kam näher und näher, war nur noch einige wenige Meter entfernt.

Er war immer aufgeregter, der F-Junior aus Fällanden – wird er? Hat er? Wirklich? Mich? Mein Plakat? «Yanick! Yanick!», er schrie, so laut er nur konnte. Er konnte es nicht fassen, zitterte.

Und dann, wirklich, lief Brecher auf ihn zu, streckte ihm sein grünes Leibchen entgegen, er dürfe es haben, wenn jemand sich so Mühe gebe, müsse das belohnt werden, sagte Brecher. Er, der Kleine, war sprachlos, ausser sich vor Freude, und sein Vater sprach mit Brecher, fragte ihn, ob er dafür das Gemälde mit den Buchstaben haben wolle, und Brecher sagte sehr gerne, und der kleine F-Junior aus Fällanden gab es ihm, ganz stolz. Brecher bedankte sich herzlich, und er, der Kleine, hielt das Torhüter-Trikot ganz fest in seinen Händen - verschwitzt war es, aber es roch nach Brecher, und zu Hause zog er es an, den ganzen Abend lang, sah zusammen mit dem Vater am TV nochmals das Spiel und Brecher beim Interview («Lueg Papi, da hät dä Brächer sis Shirt nüme, will ich es jetzt ha»). Er schlief im verschwitzten Leibchen, glücklich im siebten Himmel.

Der grosse Stolz.

Am anderen Morgen fragte er als erstes seinen Vater: «Warum hät mich de Brecher gseh, Papi?», er konnte es immer noch nicht glauben.

Diego ist eben acht geworden.

Er soll noch lange nicht wissen, was Fifa bedeutet. Und den Namen Infantino nicht kennen. Er soll Fussball lieben, wie ihn Kinder lieben. Brecher hat ihn glücklich gemacht.


PS: Yanick Brecher hat inzwischen geschrieben: Er habe, als er zu Beginn der 2. Halbzeit vom Tunnel in Richtung Tor gelaufen sei, das Plakat gesehen. Es sei ja farblich so sehr aufgefallen.  
 

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