Wir – sie
Gesehen, gelesen, gehört – Der Katar-Blog (Nr. 13)
Und jetzt?
«Wir haben gewonnen» stand gestern auf der Frontseite im Tages-Anzeiger, in grosser Schrift, mit einem Bild, das viel grösser ist als sonst die Bilder auf der ersten Seite der Zeitung.
«Sie fliegen heim» hiess es in der Nachrichtensendung des ZDF, und das Bild wird gezeigt, ein Flugzeug hebt ab in Doha, «Diversity Wins» steht drauf, Vielfalt gewinnt, die deutsche Nationalmannschaft sitzt drin im Airbus 330 der Lufthansa, frühzeitig abgereist, nach den Gruppenspielen, schon wieder.
Wir. Sie.
Sie rechnen mit ihnen ab.
Wir fühlen uns als Schweizer.
Fussball verbindet und Fussball trennt. Wir fühlen mit ihnen und fühlen uns besser wegen ihnen, und wenn sie nicht so spielen, wie wir es erhoffen oder gar erwarten, wie die Deutschen es tun, dann wird es zum Debakel, gar zur Schande. Und grundsätzlich alles in Frage gestellt: «Was unserem Land fehlt» schreibt «Bild», und das Versagen sei das Spiegelbild der ganzen Gesellschaft, weil ganz Deutschland die Gier fehle.
Holger Gertz schreibt in der «Süddeutschen Zeitung»: «Der Fussball frisst Aufmerksamkeit, er bündelt die Energien, das ist seine Eigenart, aber es ist schon erstaunlich, wie jetzt auch jene auf die gescheiterte Nationalmannschaft einteufeln, die nichts von ihr gesehen haben wollen, oder sich gewünscht haben, sie wäre gar nicht erst angetreten bei einer WM, für die diese Wanderarbeiter ausgebeutet worden sind.»
Sie fliegen heim |
25-mal hatten die Deutschen gegen Japan aufs Tor geschossen, mehr als es jede andere Mannschaft an dieser WM tat, aber 1:2 verloren wegen 25 schwachen Minuten.
Hätten sie gewonnen, was sie hätten müssen: Wir können Weltmeister werden, wäre jetzt wohl gestanden.
Jetzt sind es: Sie. Und wir sind: Wir.
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