Nächtlicher Spaziergang in Rom

Fredys EM-Blog – Nr. 3

In elf Städten in elf Ländern, es ist eine sonderbare Fussball-Europameisterschaft in eigenartigen Zeiten. In diesem EM-Blog möchte ich über beides schreiben, Gedanken zum Turnier, das in diesem Sommer stattfindet, aber immer noch Euro 2020 heisst, manchmal nur mit Bildern – aber auch mit Texten von früher zeigen, wie es einmal war, als eine EM nur in einem Land (oder höchstens zwei Ländern) ausgetragen wurde. Einige Erlebnisse von damals.

Nächtlicher Spaziergang in Rom



Claudio Sulser, damals der grosse centravanti im Schweizer Fussball, der Mittelstürmer mit den verwirrenden Haken, der sich manchmal selber ausdribbelte, lief in jener Nacht zusammen mit Freunden durch das nächtliche Rom. Es war Oktober, es war aber immer noch eine sommerlich-römische Stimmung, eine schwüle Nacht und Sulser in bester Laune, es war nach dem Spiel, und die Svizzeri hatten im Olimpico eben Erstaunliches geleistet.

1:0 gegen Italien, noch nie hatte eine Schweizer Fussballnationalmannschaft vorher (und auch nachher) in Italien gewonnen, Italien war drei Monate zuvor Weltmeister geworden und seit elf Jahren zu Hause unbesiegt, Sulser hatte das Tor vorbereitet, Elsener schoss es, der Turbo-Ruedi.

 

Claudio Sulser damals: Ein grosser Dribbler.

Das 1:0 steht seither in den Büchern, dass die Italiener das Spiel nicht sehr ernst genommen hatten, kurz vorher noch vom Papst empfangen worden waren und sich feiern liessen, ist nicht vermerkt. Sulser sagt, es bleibe unvergesslich, das Leibchen, das er mit Bruno Conti getauscht hatte, trug zwei Wappen, das zweite, im letzten Moment noch aufgenäht, hatte drei Sterne, für jeden italienischen WM-Titel einen.


Claudio Sulser heute: Im alten Hardturm.

Es ist jetzt wieder schwül und heiss in Rom, es ist Sommer, langsam kommen die Touristen wieder in die Ewige Stadt, aber eines wird an diesem Mittwochabend, 16. Juni 2021, nicht so sein wie damals im Oktober 1982. Es wird kein Schweizer Fussballer durch das nächtliche Rom flanieren, auch wenn seit Montag die Ausgangssperre aufgehoben ist, Rom ist neu Zona bianca, aber im Freien um Mitternacht mit Maske und Abstand.

Und die Lage ist auch ernst, für beide Teams, es ist kein freundschaftliches Treffen mit zuvor päpstlichem Segen für die einen, es ist Europameisterschaft. Für die Piazza Navona oder den Trevi-Brunnen bleibt keine Zeit, die Schweizer müssen gleich wieder zurück nach Baku, fünf Stunden Flug. Nicht, so ist anzunehmen, für einen nächsten Termin beim Privatcoiffeur, sondern für das Spiel gegen die Türken am Sonntag. Und dann ist es ganz ernst.
 

Italien - Schweiz 0:1, 27.10.1982 (Youtube)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!