Gress und der Bück



Er lacht am Telefon aus Strassburg. «Einmal? Hören Sie, ich war dreimal an diesem Sechseläuten, dreimal.» Die Jahreszahlen weiss er nicht mehr genau, aber er erzählt von Ueli Maurer, das sei lustig gewesen, von Bundesrat Merz, das sei der Lieblingspolitiker seiner Frau, sie ruft aus dem Hintergrund, «sag das, Gil». Gilbert Gress ist bester Laune, sagt, «oh, am Fernsehen kommt zu viel Fussball», er schimpft über falsche Taktiken, die Trainer wählen, über das Getue und Gejammer von Neymar, und erzählt, wie er sich bei seinem Coiffeur in Strassburg, dem er treu ist seit Jahrzehnten, meldet, wen er ihn für einen nächsten Termin anruft: «Hier ist der beste Trainer der Welt», und der Coiffeur soll jeweils antworten: »Hier ist der beste Frisör in der Strasse.» Und wieder ruft seine Frau Béatrice, mit der er seit bald 60 Jahren verheiratet ist, aus dem Hintergrund: »Gil, sei froh, dass du nicht mehr Trainer bist.» Gilbert Gress wird in diesem Jahr 80.

Das nachstehende Interview im Tages-Anzeiger führte ich mit Gilbert Gress 2009, nach seiner ersten Einladung zum Zürcher Sechseläuten, das auch dieses Jahr wieder nicht stattfinden kann. Der Bück wird auf der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht im Kanton Uri verbrannt. Ohne Zünfte.

  

»Wie heisst er wieder? – Ja ... Bück, Bück, oder?»

Gilbert Gress, ganz Zurich ist begeistert von Ihnen.

(lacht laut) Ah, ja?! Liefen Sie am Umzug auch irgendwo mit?

Das dürfen nur geladene Gäste.

Stimmt. Das ist nur etwas für Stars (lacht wieder). Aber es war auch sehr anstrengend, von morgens acht bis nachts um zwei, halb drei Uhr. Oder war's gar noch später?

Sie haben beim Umzug mehr Applaus bekommen als je zuvor als Trainer.

Hören Sie, nicht mehr - sondern: noch viel mehr! Aber es ist ein grossartiges Fest. Ich habe es sehr genossen.

Man spricht jetzt mehr von Ihrem breiten Hut als von Ihren Haaren.

Ach so. Ich musste aber immer wieder meine Bürste rausholen, um die Haare zu kämmen. Aber sie sind jetzt schon etwas lang. Meine Frau hat heute auch gesagt «Gil, geh jetzt endlich zum Coiffeur.»

Haben Sie bei der Zunft auch eine Rede gehalten?

Natürlich, das muss der Ehrengast, Aber zuerst war es etwas peinlich Während der Rede des ... wie heisst dieser Mann schon wieder?

Zunftmeister . . .

... ja. genau. Während der redete, klingelte ständig mein Natel. Und ich konnte es nicht abstellen. Menschenskind, dachte ich, ausgerechnet jetzt. Ich hab es dann jemandem gegeben, in die Küche
oder irgendwohin.

Und was war denn das Thema Ihrer Rede?

Ich habe natürlich gleich diese Geschichte erzählt, wie ich bei meinem ersten Spiel als Schweizer Nationalcoach in Bern von zu Hause die Fernbedienung für den Fernseher anstatt das Natel mitgenommen habe und meine Frau völlig genervt war.

Sie sorgten damit bei der Zunft für grosses Lachen?

Natürlich. Ich habe immer gedacht, dass es mich berühmt macht, wenn ich als Spieler und Trainer französischer Meister, später auch Schweizer Meister werde oder im Europacup Erfolg habe.

Aber?

Berühmt gemacht hat mich nur «Der Match», diese Sendungen im Schweizer Fernsehen. Als ich als Trainer Aarau gegen Bellinzona vor dem Abstieg rettete, kam nachher ein kleiner Junge auf mich zu und sagte:  «Das war Klasse, Herr Gress.» – «Das Spiel?», fragte ich. - «Das mit Baschi», sagte er.

Tages-Anzeiger vom 22. April 2009

Sie sind inzwischen eine Kultfigur geworden, auch mit Ihrem Werbeauftritt für Swisslos.

(lacht wieder laut) Finden Sie? Ja, es ist schon verrückt, wie die Leute mich inzwischen kennen.

Weshalb wurden Sie eigentlich zum Sechseläuten eingeladen?


Der Hoteldirektor vom Eden au Lac in Zürich. der Herr Sigg, der hat mich eingeladen.

Und die Zunft kennen Sie letzt?

Ah, wie heisst sie schon wieder? Warten Sie, ich habe hier ein Papier (er sucht es). Ah, ja. natürlich (liest ab): Oberstrass, gibt es das? Zunft zur Oberstrass – heisst sie so?

Ja. Wissen Sie jetzt auch, wie man dieser Figur auf dem Scheiterhaufen nennt?

(lacht laut). Ich habe immer gemeint, es sei der Wintermann oder der Schneemann.

Und?

Es ist der . . . (macht eine Pause). Wie heisst er wieder? Ich hab es hier auch aufgeschrieben. (Pause)  Ja. das ist der Bück, Bück, oder?

Böögg

Richtig. Da steht es. Am Ende von meiner Rede habe ich gesagt, ich sei gespannt, wenn ich mal wieder einen Klub trainiere. Da kommt sicher ein Junge auf mich zu und sagt: «Das war Klasse, Herr Gress.» — «Das mit Baschi?»‚ werde ich ihn fragen. – Und er wird antworten: «Nein. an dem Tag, als Sie da waren und wir den Bück verbrannt haben.»

Wollen Sie denn nochmals Trainer werden?

(sehr ernst) Entschuldigen Sie! Wenn ich manche Klubs spielen sehe. auch in Frankreich, da frage ich mich schon, entschuldigen Sie.

Sie sind immerhin auch schon 68.

Was? Bitte! Wie alt wollen Sie mich machen?! Ein Skandal (Pause). Erst im Dezember werde ich 68.

Was haben Sie eigentlich mit den vielen Blumen gemacht?

Das hat meine Frau vorher auch gefragt.

Sie haben keine Blumen nach Hause mitgenommen?

Doch. Einen schönen Strauss, der von der Zunft. Übrigens: sagen Sie: Hat man mich am Fernsehen eine Stunde gesehen oder nur eine Minute? Und waren viele Frauen in meiner Nähe?

Warum fragen Sie?

Ich muss wissen, ob meine Frau die Sendung mal ansehen kann. Aber sie ist eigentlich zufrieden: Ich habe auch den . . . wie heisst er wieder, dieser Politiker?

Es gab am Umzug viele, meinen Sie Bundesrat Merz?

Genau. Meine Frau ist ein grosser Fan von ihm. Und ich habe ihn begrüsst und ihm das gesagt.

Schon dreimal war Gilbert Gress Ehrengast beim Zürcher Sechseläuten


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