Hageljubelnacht
Fredys EM-Blog – Nr. 10
In elf Städten in elf Ländern, es ist eine sonderbare Fussball-Europameisterschaft in diesen Zeiten. In diesem EM-Blog möchte ich über beides schreiben, Gedanken zum Turnier, das in diesem Sommer stattfindet, aber immer noch Euro 2020 heisst, manchmal nur mit Bildern – aber auch mit Texten von früher zeigen, wie es einmal war, als eine EM nur in einem Land (oder höchstens zwei Ländern) ausgetragen wurde.
Als die Gläser tanzten
Dachten wir. Sagten wir. Lasen wir.
Und dann dieser Dienstagabend. Erst der Hagel vom Himmel. Sintflut.
Erst der Hagel. |
Und dann der Hagel mit Gefühlen. Staunen (1:0). Noch innerlich umdenken (die spielen ja wirklich gut). Verzweifeln (der verschossene Elfmeter, das verpasste 2:0). Aufgeben (1:1, 1:2, es ist wie immer). Jetzt sowieso (1:3). Ausgeschieden, wie immer im Achtelfinal. Immerhin gegen die Franzosen, den Weltmeister.
Seferovic und der Jubel nach dem 1:0. |
Der Regen setzt wieder ein, draussen an der Lindenstrasse im Zürcher Seefeld, vor dem Totò und dem Iroquois nebenan, und draussen hängen wieder die Bildschirme, wenigstens der Hagel hat aufgehört, und die meisten, Männer, auch viele Frauen, stehen, das Glas in der Hand, einige in rot, und einige etwas lauter, und der Hagel an Gefühlen setzt erst ein.
Ja! (noch 2:3). Vielleicht, vielleicht. Ja! Ja! Ja! (3:3). Das Glas tanzt, Fremde, die sich fremd waren, sind es nicht mehr, der Ruefer schreit am Bildschirm irgendetwas, doch an der Lindenstrasse schreit ein Chor.
Der Jubel im Totò nach dem 3:3. |
Das Psychospiel aus Elfmetern. Drin, drin, drin, drin, neunmal hintereinander, alle treffen, einmal schreien an der Lindenstrasse alle auf, das nächste Mal ist es still, nur von irgendwo tönt «Allez les Bleus», ein einsamer Rufer, oder war es eine einsame Ruferin? Sicher nicht der Ruefer am Bildschirm. Den hört man nicht mehr.
Dann: Yaaaaaaaaaaaaan! Sooommmmmmmmmmmer! Sein Vater, Daniel, sitzt in Bukarest im Stadion, er war auch Torhüter, einst, beim FC Küsnacht, und Yanns Bewegungen im Tor sind ähnlich wie jene damals von seinem Vater, auch wenn Yann seinen Vater kaum mehr spielen sah. Und der Vater diesen Elfmeter wohl nicht gehalten hätte. Mit dem Daumen der linken Hand. Wie Yann.
Die Gläser tanzen. Und jene, die sie in der Hand halten, umarmen sich, und ganz viele sind jetzt auf der Strasse, niemand mehr drinnen, Roller fahren vorbei, rote, und Fahnen werden geschwungen, rote, die Trams, der 4er und der 2er, der rote, scheinen auch feiernd durch die Seefeldstrasse zu gleiten, Mitternacht ist vorbei, im Netz flitzen Bilder vom Eiffelturm in Paris, der in rot erstrahlt ist und Menschenmassen von Feiernden auf der Langstrasse in Zürich, Corona ist nur noch ein Bier.
Rollend in Rot durchs Seefeld. |
Auf dem Bildschirm an der Lindenstrasse zeigen sie Petkovic und Xhaka in inniger Umarmung, wie ein Liebespaar. Sie sind die Grössten. In dieser Hageljubelnacht. Und es war Sommer.
Neues Wahrzeichen. |
Alle meine EM-Blogs auf einen Blick |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen