Schönes Spiel

Blog-Nr.  414




Ja, es ist jetzt eine Euphorie, und die manchmal nervenden Schreihälse am TV schreien wie sie es bisher nur bei den Männern taten, und beim morgendlichen Café im Bistro reden sie darüber und sagen, hast du gestern gesehen?, und sie reden nicht über Xhaka oder Shaqiri, sondern über Wälti oder Reuteler, Namen, die sie bis vor kurzem gar nicht kannten und nie in den Mund nahmen, wenn sie über Fussball sprachen.

Ja, auch ich sitze in diesen Wochen vor dem TV und war zweimal im Stadion, fussballspielende Frauen sah ich zuvor nur auf dem Fallacher in Küsnacht, 2. Liga oder 4. Liga und nur ganz selten am Fernsehen.

Und jetzt sass ich im Zug nach Bern und lief im schönsten Sommersonnenschein durch die beflaggte Stadt und sah die vielen Menschen, die sich zum Wankdorf bewegten, beim Fanmarsch vorbei am Bärengraben sollen es 25 000 gewesen sein, eine rote endlose Schlange, war dann im Stadion, das wie ein einziges rotes Tuch war, fieberte mit, zitterte, wenn die Schweizerinnen gegen das brillante Spanien in Bedrängnis kamen, und das waren sie oft, ich schrie «Neiiiiiiii!!!» und klatschte wieder und fand es wunderbar. War Fan.

25 000 marschierten durch Bern

Und ja, diese einzigartige Stimmung, dieses friedliche Miteinander, diese gezeigte Freude, diese gelebte Fröhlichkeit hat mich wie alle beeindruckt. Ich sah nirgends einen gepanzerten Wagen und mit Schutzschildern bewaffnete Polizisten, nie ein finsterer Blick, keine Vermummten, hörte nie verletzenden Parolen, keine Petarden wurden gezündet, niemand ausgegrenzt. Nur ganz viele glückliche Familien, alte Männer und kleine Mädchen in einem gemeinsamen Umzug, nachher zusammen feiernd im Wankdorf.

Ja, auch bei den spielenden Frauen wird gefoult, wird gerissen, wird gestritten, wird gejammert, wird geflucht. Wird vieles, aber nicht alles, was bei den Männern ärgerlich und abstossend ist.

Zusammen stark: Schweizerinnen vor dem Spiel

Ja, auch bei den Frauen werden die Auswüchse kommen, wird das Geld wichtiger werden, ist diese Woche für eine Spielerin über eine Million Franken bezahlt worden, soviel, wie noch nie zuvor (1,15 Millionen Franken), Arsenal überwies Chelsea diese Summe für die Kanadierin Olivia Smith.

Ja, ich weiss, jetzt ist dieser grosse Event, und die Stadien sind alle voll, gegen eine Million schauten bei uns an diesem Freitagabend am Fernsehen bei Schweiz gegen Spanien zu, die Zeitungen füllten Seiten, bei uns, anderswo; auch Italien entdeckt den Calcio Femminile und dass es nicht nur Fratelli d’Italia gibt, sondern auch Sorelle, auch wenn die rosarote Sportbibel «Gazzetta dello Sport» weiterhin viel umfangreicher über den Mercato in der entrückten und kaputten Welt der Fratelli schreibt. Auf den ersten drei Seiten am Freitag über Ademola Lookmann, einen nigerianischer Nationalspieler, Afrikas Fussballer des Jahres 2024, der für 40 Millionen Euro von Atalanta Bergamo zu Inter Mailand wechselt. Immerhin weiter hinten zwei Seiten über die Nazionale Donne.

Ja, es wird wieder anders sein, auch bei uns, die Scheinwerfer beleuchten nicht mehr alles hell, die Frauen werden in kleinen Stadien vor wenigen hundert Zuschauern spielen und am Morgen im Café kein Thema mehr sein. Und nur ganz wenige Frauen können in der Schweiz vom Fussball (bescheiden) leben.

Aber Spanierinnen waren zu stark

Aber es tat gut. Es war ein anderes Spiel. Es war das Spiel der fussballspielenden Frauen. Mit ihrer Leidenschaft. Ihr Spiel, gleich und doch anders. Sie zeigten das Schöne an diesem schönen Sport. Die Spanierinnen blieben zuletzt auch lange auf dem Rasen im Wankdorf, warteten und standen beim Abgang und Abschied  für die Schweizerinnen Spalier, ein grossartiges Bild.

Und die fussballspielenden Frauen wecken sicher ganz viele Träume. Wie sie Lia im Kinderbuch hat, das Lia Wälti vor der Europameisterschaft zusammen mit ihrer Schwester herausgegeben hat, die Schweizer Kapitänin.

Viele wollen seit diesen Tagen Lia sein. Lia am und mit dem Ball. 


Die siegreichen Spanierinnen stehen zuletzt Spalier




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Eine nächste musikalische  Lesung am 21. August
im Garten  bei «Culture Time» in Winterthur 


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