Einfach verlassen
Blog-Nr. 408
Er ging einfach weg, einfach so, er ist ohne etwas zu sagen aufgestanden und hinausgegangen, etwas hastig. Und hat mich liegen gelassen, auf dem Sitz 42 im Wagen 11 des Eurocity 33.
Seit dem HB in Zürich sind wir zusammen gewesen, heute gehe es nach Verona, sagte er, es war am frühen Morgen, nachher an den Gardasee zu einem Konzert. Und er hat mich auf der langen Zugfahrt gebraucht wie immer, hat etwas auf meine Seiten gekritzelt, seine Schrift ist oft nicht leserlich, und ich lag neben seinem Laptop, und er hat ständig geschaut, was für Notizen er zuvor gemacht hat und dann einen Text geschrieben, diesmal über den Vollmond, der Strawberry Moon heisst, und Nick Cave und dessen Auftritt im Theater 11.
Das macht er meistens so, er benutzt mich für Stichworte, oder manchmal sind es ganz Sätze, ich bin voll mit Buchstaben, oft stehen auf einer Seite, und diese sind nicht klein, nur wenige Worte, er ist da sehr grosszügig.
Ich habe Vorgänger, ungefähr sieben von mir hat er zu Hause, wir sind alle schwarz eingebunden, und er hat sie in einer Ecke seines Zimmers aufbewahrt, er will sich nicht von uns trennen, obwohl er sie, meine Vorgänger, kaum je braucht.
Aber jetzt, ich: seine aktuelle Liebe, liege ich auf diesem Sitz 42 im Intercity in den Süden, es sind zwei Stunden, seit er mich in Verona Porto Nuovo verlassen hat, als mich plötzlich eine zarte Hand berührt und mit einer lieben Stimme fragt: Was machst denn du da?
Es ist die Stimme einer Frau, sie hat sich später als Chiara vorgestellt, und sie muss, ich spürte es, denn dieser Ort hat etwas Magisches, schon der Geruch, in Venedig eingestiegen sein, der Sitz 42 ist nun ihr Sitz.
Sie hält mich in ihren Händen, erst traut sie sich nicht, dann beginnt sie zu blättern, und ich spüre, wie sie etwas abliest, sie wiederholt laut die Zahlen und tippt offenbar in ihr Telefon.
Seit dem HB in Zürich sind wir zusammen gewesen, heute gehe es nach Verona, sagte er, es war am frühen Morgen, nachher an den Gardasee zu einem Konzert. Und er hat mich auf der langen Zugfahrt gebraucht wie immer, hat etwas auf meine Seiten gekritzelt, seine Schrift ist oft nicht leserlich, und ich lag neben seinem Laptop, und er hat ständig geschaut, was für Notizen er zuvor gemacht hat und dann einen Text geschrieben, diesmal über den Vollmond, der Strawberry Moon heisst, und Nick Cave und dessen Auftritt im Theater 11.
Das macht er meistens so, er benutzt mich für Stichworte, oder manchmal sind es ganz Sätze, ich bin voll mit Buchstaben, oft stehen auf einer Seite, und diese sind nicht klein, nur wenige Worte, er ist da sehr grosszügig.
Ich habe Vorgänger, ungefähr sieben von mir hat er zu Hause, wir sind alle schwarz eingebunden, und er hat sie in einer Ecke seines Zimmers aufbewahrt, er will sich nicht von uns trennen, obwohl er sie, meine Vorgänger, kaum je braucht.
Aber jetzt, ich: seine aktuelle Liebe, liege ich auf diesem Sitz 42 im Intercity in den Süden, es sind zwei Stunden, seit er mich in Verona Porto Nuovo verlassen hat, als mich plötzlich eine zarte Hand berührt und mit einer lieben Stimme fragt: Was machst denn du da?
Es ist die Stimme einer Frau, sie hat sich später als Chiara vorgestellt, und sie muss, ich spürte es, denn dieser Ort hat etwas Magisches, schon der Geruch, in Venedig eingestiegen sein, der Sitz 42 ist nun ihr Sitz.
Sie hält mich in ihren Händen, erst traut sie sich nicht, dann beginnt sie zu blättern, und ich spüre, wie sie etwas abliest, sie wiederholt laut die Zahlen und tippt offenbar in ihr Telefon.
Ich höre ihre Stimme, sie sagt, sie sitze im Zug nach Mailand und habe etwas gefunden, eine Telefonnummer sei darin notiert, und ob das vielleicht… Sie hätte mich am nächsten Bahnhof abgeben wollen, aber die hätten dort gesagt, sie würden mich gleich entsorgen, eine Frechheit finde ich.
Mehr höre ich nicht, es ist etwas laut im Zug, wir sind offenbar in einem Tunnel.
Aber später, da läutet ihr Telefon, sie hat als Melodie ein Lied von Lucia Dalla, und offenbar hört sie, dass mich jemand schon sehr vermisst, und ich für ihn ganz wichtig sei, er habe Ideen für andere Texte auf meine Seiten geschrieben, auch sonst manch Geheimnisvolles. Sie sagt, dass sie versuchen werde, mich in der Stazione Milano Centrale abzugeben, in einer Bar oder einer Gelateria, und ich höre noch, wie sie abmachen, sich jetzt Nachrichten auf Whatsapp zu schicken.
Das ist etwas dumm für mich, denn so kann ich nicht mehr hören, wie die Geschichte weitergeht.
Mehr höre ich nicht, es ist etwas laut im Zug, wir sind offenbar in einem Tunnel.
Aber später, da läutet ihr Telefon, sie hat als Melodie ein Lied von Lucia Dalla, und offenbar hört sie, dass mich jemand schon sehr vermisst, und ich für ihn ganz wichtig sei, er habe Ideen für andere Texte auf meine Seiten geschrieben, auch sonst manch Geheimnisvolles. Sie sagt, dass sie versuchen werde, mich in der Stazione Milano Centrale abzugeben, in einer Bar oder einer Gelateria, und ich höre noch, wie sie abmachen, sich jetzt Nachrichten auf Whatsapp zu schicken.
Das ist etwas dumm für mich, denn so kann ich nicht mehr hören, wie die Geschichte weitergeht.
Offenbar klappte das in Milano aber nicht, und so fuhr ich mir ihr weiter bis nach Torino, und am anderen Tag ist sie zur Post gegangen, hat mich eingepackt, und während er sich spät abends in einer lauen Sommernacht bei einem Konzert im Amphitheater in Gardone am Gardasee Pippo Pollina und das Jugend-Symphonieorchester anhört und sich vergnügt, bin ich unterwegs nach Küsnacht, ich trage die Tracknummer RC355760843IT.
Und ich denke: So vieles ist momentan schlimm auf dieser verrückten Welt, täglich gibt es neue Nachrichten, die Angst machen, aber es hat überall noch ganz liebe Menschen.
Dabei bin ich doch nur ein schwarzes, vollgekritzeltes Buch, das wohl bald einmal, denn ich habe nicht mehr viele leere Seiten, in einer Ecke zusammen mit den anderen liegen muss.
PS: Aber mit ihm, der mich einfach so vergessen hat, werde ich noch ein ernstes Wort reden müssen. Wenn er mich dann auf der Post in Küsnacht abholt, hoffentlich.
Und ich denke: So vieles ist momentan schlimm auf dieser verrückten Welt, täglich gibt es neue Nachrichten, die Angst machen, aber es hat überall noch ganz liebe Menschen.
Dabei bin ich doch nur ein schwarzes, vollgekritzeltes Buch, das wohl bald einmal, denn ich habe nicht mehr viele leere Seiten, in einer Ecke zusammen mit den anderen liegen muss.
PS: Aber mit ihm, der mich einfach so vergessen hat, werde ich noch ein ernstes Wort reden müssen. Wenn er mich dann auf der Post in Küsnacht abholt, hoffentlich.
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