Was ist die Welt?
Blog-Nr. 392
Ich lese in der «NZZ» ein Interview mit dem österreichischen Schriftsteller Peter Handke. Er wohnt seit langem in Chaville, einem Vorort im Südwesten von Paris. In seinem Haus hat es, so erlebte es sein Besucher, überall wankende Türmchen von Büchern, wie kleine Pyramiden auf Stühlen, Tischen und am Boden. Handke spricht im Interview von einem Gefühl von «universeller Trauer», und auf die Frage, ob dies mit ihm, Handke ist 82, oder dem Zustand der Welt zu tun habe, antwortete er: «Es ist die Welt, was auch immer die Welt ist.»
Was ist die Welt?
Jener in Washington, der bei einem Anlass der Republikaner dunklen Smoking mit schwarzer Fliege trägt und sagt: «Sie küssen mir den Arsch, sie brennen darauf, einen Deal zu machen», und der dann diese Leute in den Regierungen nachäfft: «Bitte, bitte, machen sie ein Geschäft, ich mache alles für einen Deal, ich bin zu allem bereit.» Er spielt mit der Welt.
Jener in Moskau, der sagt, er sei bereit, über eine Waffenruhe zu reden, gleichzeitig aber weiterhin und noch intensiver Wohnhäuser und Kinderspielplätze bombardieren und unschuldige Menschen töten lässt. So viele Kinder wie noch nie seit dem Beginn des Überfalls.
Jener in Peking, dem jener in Moskau nach einem Besuch im Kreml nachgerufen hat: «Pass auf dich auf, bitte, lieber Freund», und der Russland als Partner sieht für eine neue Weltordnung.
Was ist die Welt?
Am Tag, als in der «NZZ» das Interview mit Handke erschien und wegen jenem in Washington die Börse abstürzte und viele viel Geld (auf dem Papier) verloren, führte die Glückskette ihren nationalen Solidaritätstag durch, diesmal für die Opfer des fürchterlichen Erdbebens in Myanmar und Thailand. Schweizerinnen und Schweizer sammelten weit über sechs Millionen Franken.
Das ist auch die Welt. Die andere Welt, die momentan von Narzissten und Verrückten in Atem gehalten wird.
Handke sagt im Interview, wir hätten vielleicht noch zehn Prozent Akkuladung. So weit seien wir mit der Welt. Das betreffe ihn für das, was er noch vielleicht vorhabe oder das Leben mit ihm vorhabe, nicht mehr. Trotzdem könne er nicht wegschauen, und er endet: «Ja, Verzweiflung», das spüre er.
Warum lassen wir uns so sehr von jenem in Washington und jenem in Moskau und in Peking verrückt machen und verzweifeln?
Was auch immer die Welt ist. Es gibt eine andere. So dachte ich am Tag, als ich das Interview mit Handke las und dann am Radio vom Sammeltag der Glückskette hörte. Und stieg später auf das Riesenrad beim Bürkliplatz in Zürich, es drehte sich und hielt lange auf dem höchsten Punkt, friedlich sah die Welt aus, hier oben, so still und zart, und ich dachte: Bleib, bleib einfach stehen. Bis all die schlimmen Stürme weg sind. Und jene, die diese Welt zerstören.
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Von oben: So friedlich und still |
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