Einer wie er
Blog-Nr. 396
Alle in der Allianz Arena vor den Toren Münchens erhoben sich, jubelten und applaudierten minutenlang. Nicht wegen dem Resultat (2:0 in diesem Moment), nicht wegen der Mannschaft (Bayern fehlt nur noch ein Punkt zum deutschen Meisterttitel), sondern nur wegen ihm. Nach 84 Minuten durfte er auf den Rasen – erst nach 84 Minuten dachten alle, für die der Fussball auch noch eine romantische Seite hat.
Sie alle hätten ihn von Beginn an gewünscht, aber sein Trainer, der Belgier Vincent Kompany, denkt anders. Leider. So blieben Thomas Müller in seinem 500. Bundesligaspiel an diesem kühlen und windigen Samstagnachmittag nur wenige Minuten. Kaum war er im Spiel , fiel das 3:0 gegen Mainz, ohne seine Beteiligung. Vielleicht schon in einer Woche kann Bayern Meister werden, zum 34. Mal, zum 13. Mal mit Thomas Müller.
Wir werden ihn vermissen.
Weil es das heute nicht mehr gibt. Dass einer 25 Jahre beim gleichen Klub geblieben ist. Nur bei diesem Klub. Von dem er schon als Kind träumte. Bis – darüber weiter unten.
Weil er, wenn er spricht, und er spricht gerne und oft, er spricht eigentlich immer, wenn bei diesem Klub jemand vor einer Kamera sprechen soll – weil er dann immer Kluges sagt, dabei auch meist etwas verschmitzt lächelt. Wie ein Lausbub.
Weil es immer wunderbare Unterhaltung ist.
Weil er auch eine Radiostation ist. Sein eigener Sender mit der eigenen Frequenz auf dem Rasen, im Spiel ständig redend, zeigend, motivierend, antreibend, mit den Armen rudernd. Hermann Gerland, auch einmal einer seiner Trainer, der Tiger, sagte einmal zu ihm: «Wenn du dann mal unter die Erde musst, muss man dir den Mund zukleben, sonst würdest du auf dem Friedhof alle unterhalten.»
Weil bei ihm Fussball immer auch Spass bedeutet.
Weil er fast keine Muskeln hat, ist er selten verletzt.
Weil er der Karl Valentin des Balles ist. Er hat in der Schule einmal die Rolle des Münchner Komikers gespielt, und er zitiert ihn gerne, sagt solche Sätze von Valentin, die auch von ihm sein könnten: «Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.»
Weil einmal ein Trainer, ein anderer, sagte: Er spielt bei mir immer.
Weil er die Euphorie nach einem Tor einmal so beschrieben hat: «Da scheppert es oben in der Birne, da haut's die Hormone durcheinander.»
Weil er auf die Frage, was ihm nach seinem Tor durch den Kopf gegangen sei – es war erst kürzlich nach dem Spiel gegen Inter in München –, das antwortete: «Die Schilddrüse hat geackert wie blöd und hat etwas ausgeschüttet, ansonsten habe ich nicht viel nachgedacht.»
Weil er schon drei Kinderbücher über seine Karriere herausgab, damit Kinder zum Lesen animieren wollte, und in einem sagte: «Ich liebte den Ball, bevor ich laufen konnte.»
Weil es einen wie ihn vielleicht nie mehr geben wird.
Weil es das heute nicht mehr gibt. Dass einer 25 Jahre beim gleichen Klub geblieben ist. Nur bei diesem Klub. Von dem er schon als Kind träumte. Bis – darüber weiter unten.
Weil er, wenn er spricht, und er spricht gerne und oft, er spricht eigentlich immer, wenn bei diesem Klub jemand vor einer Kamera sprechen soll – weil er dann immer Kluges sagt, dabei auch meist etwas verschmitzt lächelt. Wie ein Lausbub.
Weil es immer wunderbare Unterhaltung ist.
Weil er auch eine Radiostation ist. Sein eigener Sender mit der eigenen Frequenz auf dem Rasen, im Spiel ständig redend, zeigend, motivierend, antreibend, mit den Armen rudernd. Hermann Gerland, auch einmal einer seiner Trainer, der Tiger, sagte einmal zu ihm: «Wenn du dann mal unter die Erde musst, muss man dir den Mund zukleben, sonst würdest du auf dem Friedhof alle unterhalten.»
Weil bei ihm Fussball immer auch Spass bedeutet.
Weil er fast keine Muskeln hat, ist er selten verletzt.
Weil er der Karl Valentin des Balles ist. Er hat in der Schule einmal die Rolle des Münchner Komikers gespielt, und er zitiert ihn gerne, sagt solche Sätze von Valentin, die auch von ihm sein könnten: «Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.»
Weil er auch solche Sätze sagte, nachdem Bundestrainer Jogi Löw verkündet hatte, seine Zeit im Nationalteam sei endgültig vorbei: «Kein Verständnis habe ich vor allem für die suggerierte Endgültigkeit der Entscheidung.» Sie war dann auch noch nicht das Ende.
Weil dieser Bundestrainer sagte: «Wenn der Messi ein Zauberer ist, ist er der Zylinder: Du weisst nie, welche Überraschung rauskommt.»
Weil Pep Guardiola über ihn einmal sagte, andere würden nach Toren zu den Fans oder Eckfahnen rennen, um sich feiern zu lassen, er läuft aber los, um seine Mitspieler zu umarmen.
Weil seine Laufwege in kein Lehrbuch passen. Ist er Stürmer, Mittelfeldspieler? Er sei ein Bewegungsspieler, sagt er, ein Raumdeuter, heisst es, weil er immer wieder dorthin geht, wo ihn keiner erwartet.
Weil dieser Bundestrainer sagte: «Wenn der Messi ein Zauberer ist, ist er der Zylinder: Du weisst nie, welche Überraschung rauskommt.»
Weil Pep Guardiola über ihn einmal sagte, andere würden nach Toren zu den Fans oder Eckfahnen rennen, um sich feiern zu lassen, er läuft aber los, um seine Mitspieler zu umarmen.
Weil seine Laufwege in kein Lehrbuch passen. Ist er Stürmer, Mittelfeldspieler? Er sei ein Bewegungsspieler, sagt er, ein Raumdeuter, heisst es, weil er immer wieder dorthin geht, wo ihn keiner erwartet.
Weil seine Tore, und er erzielte viele Tore, immer typische (sein Name)Tore sind. Bei den Junioren des TSV Pähl, wo er herkommt, eine Gemeinde mit 3000 Einwohnern in Oberbayern, waren es einmal 120 in 20 Spielen.
Weil er, als ihn eine TV-Reporterin auf Englisch fragte, was es für ihn bedeute, der erfolgreichste Spieler des Turniers zu sein, ihr das antwortete und sie regelrecht anschrie: «Des interessiert mich oiss net, der Scheissdreck! Weltmeister samma, den Pott hamma.» Es war 2014 in Rio. Die Reporterin verstand kein Wort, aber lachte. Weil er lachte.
Weil Journalisten über ihn auch das geschrieben haben: Er verholpert, verstolpert, vererhardpoltert seine Torchancen.
Weil er am Fernsehen – viele glaubten damals, es sei seine Abschiedsrede, was sie dann doch nicht war – sagte: «Auch wenn mir nicht immer alle Aktionen gelungen sind, ich habe es mit Liebe gemacht.»
Weil er Sätze wie diese sagte. «Wir Fussballer denken nur von heute bis gestern.»
Weil er, als ihn eine TV-Reporterin auf Englisch fragte, was es für ihn bedeute, der erfolgreichste Spieler des Turniers zu sein, ihr das antwortete und sie regelrecht anschrie: «Des interessiert mich oiss net, der Scheissdreck! Weltmeister samma, den Pott hamma.» Es war 2014 in Rio. Die Reporterin verstand kein Wort, aber lachte. Weil er lachte.
Weil Journalisten über ihn auch das geschrieben haben: Er verholpert, verstolpert, vererhardpoltert seine Torchancen.
Weil er am Fernsehen – viele glaubten damals, es sei seine Abschiedsrede, was sie dann doch nicht war – sagte: «Auch wenn mir nicht immer alle Aktionen gelungen sind, ich habe es mit Liebe gemacht.»
Weil er Sätze wie diese sagte. «Wir Fussballer denken nur von heute bis gestern.»
Weil er sagte, manchmal gehe er nach einem Spiel nach Hause, und er fühle sich als ein Versager.
Weil er manchmal nach Hause ging und sich fragte, weshalb der rote Teppich für ihn nicht bis nach Hause ausgelegt wurde. So sagte er es, auch schmunzelnd.
Weil er einmal nach einem Spiel bei einer WM, er hatte zwei Tore geschossen, den TV-Reporter fragte, ob er noch jemanden grüssen dürfe. Und er grüsste seine beiden Omas und den Opa, das sei schon lange mal überfällig gewesen. Die eine Oma hatte das Spiel im Austragsstüberl in Pahl gesehen (Wohnung für die Altbauern nach der Hofübergabe), dabei eine Kerze aufgestellt, aber vergessen, sie anzuzünden, und sagte dann: «So en lieber Bua.»
Weil einmal, es war bei einer Medienkonferenz nach einem Spiel in der Münchner Allianz Arena, Diego Maradona, der Trainer der argentinischen Nationalmannschaft, sich nicht aufs Podium neben einen Balljungen setzen wollte. Vier Monate später schoss dieser Balljunge gegen Argentinien ein Tor, insgesamt waren es bei dieser WM zehn - und eben, er grüsste dann von weit weg die beiden Omas und den Opa.
Weil er einem TV-Reporter auf die Frage, ob sie nach dem Einzug ins Halbfinal jetzt auch den Titel wollen, antwortete: «Nein, wir wollen im Halbfinale ausscheiden.»
Weil der damals 18-jährige Abiturient, es war der 15. August 2008, vom damaligen Trainer Jürgen Klinsmann erstmals in der Bundesliga für die Bayern eingewechselt wurde, und er beim Gegner, dem HSV, auf einen Verteidiger traf, der jetzt in dieser Saison in München sein Trainer ist.
Weil er manchmal nach Hause ging und sich fragte, weshalb der rote Teppich für ihn nicht bis nach Hause ausgelegt wurde. So sagte er es, auch schmunzelnd.
Weil er einmal nach einem Spiel bei einer WM, er hatte zwei Tore geschossen, den TV-Reporter fragte, ob er noch jemanden grüssen dürfe. Und er grüsste seine beiden Omas und den Opa, das sei schon lange mal überfällig gewesen. Die eine Oma hatte das Spiel im Austragsstüberl in Pahl gesehen (Wohnung für die Altbauern nach der Hofübergabe), dabei eine Kerze aufgestellt, aber vergessen, sie anzuzünden, und sagte dann: «So en lieber Bua.»
Weil einmal, es war bei einer Medienkonferenz nach einem Spiel in der Münchner Allianz Arena, Diego Maradona, der Trainer der argentinischen Nationalmannschaft, sich nicht aufs Podium neben einen Balljungen setzen wollte. Vier Monate später schoss dieser Balljunge gegen Argentinien ein Tor, insgesamt waren es bei dieser WM zehn - und eben, er grüsste dann von weit weg die beiden Omas und den Opa.
Weil er einem TV-Reporter auf die Frage, ob sie nach dem Einzug ins Halbfinal jetzt auch den Titel wollen, antwortete: «Nein, wir wollen im Halbfinale ausscheiden.»
Weil der damals 18-jährige Abiturient, es war der 15. August 2008, vom damaligen Trainer Jürgen Klinsmann erstmals in der Bundesliga für die Bayern eingewechselt wurde, und er beim Gegner, dem HSV, auf einen Verteidiger traf, der jetzt in dieser Saison in München sein Trainer ist.
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Nicht mehr gleicher Richtung: Mit Trainer Kompany |
Weil er die Euphorie nach einem Tor einmal so beschrieben hat: «Da scheppert es oben in der Birne, da haut's die Hormone durcheinander.»
Weil er auf die Frage, was ihm nach seinem Tor durch den Kopf gegangen sei – es war erst kürzlich nach dem Spiel gegen Inter in München –, das antwortete: «Die Schilddrüse hat geackert wie blöd und hat etwas ausgeschüttet, ansonsten habe ich nicht viel nachgedacht.»
Weil er schon drei Kinderbücher über seine Karriere herausgab, damit Kinder zum Lesen animieren wollte, und in einem sagte: «Ich liebte den Ball, bevor ich laufen konnte.»
Weil es einen wie ihn vielleicht nie mehr geben wird.
Weil Valentin einmal sagte, und auch das könnte von ihm sein: «Die Zukunft war früher auch besser.»
Weil er mit seinem Verein, diesem Verein, insgesamt 33 Titel gewann, keiner gewann mehr. Weil keiner mehr spielte (749), auch mehr in der Champions League (161), mehr Spiele gewonnen hatte (538), mehr Torvorlagen gab (273), am drittmeisten Tore erzielte (248), mehr deutsche Meisterschaften gewann (bald 13).
Weil er Thomas Müller ist.
Einzigartig.
Weil er fehlen wird. Der Fussball ohne ihn ärmer. Und Bayern etwas weniger «Mia san mia».
Weil er, das allerwichtigste am Schluss, ein aussergewöhnlich überragender Fussballer war.
Weil er mit seinem Verein, diesem Verein, insgesamt 33 Titel gewann, keiner gewann mehr. Weil keiner mehr spielte (749), auch mehr in der Champions League (161), mehr Spiele gewonnen hatte (538), mehr Torvorlagen gab (273), am drittmeisten Tore erzielte (248), mehr deutsche Meisterschaften gewann (bald 13).
Weil er Thomas Müller ist.
Einzigartig.
Weil er fehlen wird. Der Fussball ohne ihn ärmer. Und Bayern etwas weniger «Mia san mia».
Weil er, das allerwichtigste am Schluss, ein aussergewöhnlich überragender Fussballer war.
Er wollte ein ewiger Bayern-Spieler bleiben. Durfte es aber nicht. Ewig ist nie ewig. Aber ein Jahr mehr ewig, das hätte er verdient gehabt.
«Auch wenn dies nicht meinen persönlichen Wünschen entsprach, ist es wichtig, dass der Verein seinen persönlichen Überzeugungen folgt», schrieb Müller in seinem Abschiedsbrief «An die Fans des FC Bayern München.»
«Auch wenn dies nicht meinen persönlichen Wünschen entsprach, ist es wichtig, dass der Verein seinen persönlichen Überzeugungen folgt», schrieb Müller in seinem Abschiedsbrief «An die Fans des FC Bayern München.»
Er schrieb es, weil er Thomas Müller ist.
Auf «Amazon-Prime» gibt es eine Dokumentation über Thomas Müller: «Einer wie keiner.»
Eine nächste musikalische Lesung 21. August
im Garten bei «Culture Time» in Winterthur
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