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Blog-Nr. 374
Musikalische Lesung in Küsnacht
Am Abend zuvor in der Zürcher Tonhalle, Pippo Pollina trat mit dem Jugend-Sinfonieorchester aus Zürich auf, er am Klavier und mit der Gitarre und 66 Musikerinnen und Musiker und der Dirigent auf der Bühne, es war ein grossartiges Projekt und ein grandioses Konzert, und am Ende sang Pollina sein Lied gegen den Krieg, gegen all die schlimmen Kriege auf dieser Welt, «Signore da qui si domina la valle», geschrieben 1997. «Stoppen sie diesen Hass, dieses grausame Spiel, diesen nicht endenwollenden verfluchten Irrsinn», so hört es auf.
Es war ein beeindruckender Abschluss eines Abends und nachher einen Moment lang still in der Tonhalle, alle spürten, wie wichtig es war und ist, diese Botschaft, gerade an diesem Samstag, nach diesem verstörenden Auftritt im Weissen Haus in Washington.
Pollina sagt, das sei es, was die Künstler tun können, sich auflehnen gegen diesen Wahnsinn der Welt, wenigstens mit Liedern.
Ich hatte am Sonntag, bei meiner musikalischen Lesung, wieder in der Immobilienwerkstatt in Küsnacht wie genau vier Monate zuvor, den gleichen Wunsch. Lukas Langenegger solle doch die Matinee aufhören mit Bob Dylans «Blowin' in the Wind»; er liebt Dylan, er liebt es, Dylan zu singen, und er tat es auf seine wunderbare Art.
70 Leute sangen oder summten zumindest mit, die zarte Frühlingssonne schien draussen, fast wie ein Zeichen der Hoffnung, es war jetzt nachmittags, drei Stunden nach dem Beginn. Alles hat so gepasst, diese Anti-Kriegshymne, dieser Protestsong, eines der besten Lieder je, und der Moment war so richtig, in diesen verstörenden, schlimmen Zeiten.
«Wieviele Ohren muss ein Mann haben/
bevor er Menschen weinen hört/
Wieviele Tote muss es geben/
bis er merkt, dass zuviel Menschen gestorben sind?/
Die Antwort, mein Freund/
sie verweht im Wind».
Manchmal in den letzten Wochen und Tagen habe ich mich bei der Vorbereitung gefragt: Hat so eine Lesung, mit auch, nicht nur, leichteren Texten, teilweise ganz persönlichen, seine Richtigkeit in diesen Zeiten, die uns allen so Angst macht und mit diesem ungeheuerlichen gelborange gefärbten Mann aus dem Land, das einst für Demokratie stand? Mit all den Problemen, die wir haben?
Spätestens jetzt, am Ende in der Immobilienwerkstatt, als Lukas Langenegger seine Gitarre wieder einpackte und, wie am Abend zuvor nach einer kurzen Stille, im schönen Raum applaudiert wurde, bekam ich die Antwort – mit dem lauen Wind, der über Küsnacht wehte.
Ja, es war richtig. Es war schön. Es sind wohl jene Momente, in denen wir vergessen oder zumindest verdrängen können, was da draussen so Schreckliches passiert.
Friederike Hempel, die Gedichte vorlas und auch aus ihren neuen Buch, hatte eines von Wolfgang Borchert («Sag NEIN») auf ihre Art interpretiert, und die letzten Zeilen lauten so:
«Und wir werden verkümmern als Menschen/
wenn wir nicht NEIN sagen/
dann berauben wir uns selbst/
des Schönsten und Erhabensten/
dessen der Mensch fähig ist:
der Liebe.»
Danke Friederike, danke Lukas, danke Lizzy für deine Bilder an der Lesung, danke Michi Blaser, dem Gastgeber, es war wieder so schön mit euch.
Einige Videos dazu:
Fredy Wettstein mit Gedicht «Odeon»
Friederike Hempel mit Gedicht «Wähl dir ein Wort»
Lukas Langenegger singt das Matter-Lied: «Ich han es Zündhölzli azündt»
Fredy Wettstein mit Gedicht «Schmerz im Herz»
Friederike mit Gedicht: «Was siehst du?»
Lukas Langenegger mit Dylan-Song: «Blowin' in the Wind»
Fredy Wettstein liest «Diego und Yannick»
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