Verbindungen

Blog-Nr. 374




Es war in diesen festlichen Tagen in einem Hotel im Engadin. Ihre beiden Eltern tranken am Nebentisch noch ein Glas Rotwein, die Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, wohl um die Zehn, die sich erst in den Ferien kennengelernt hatten, spielten vergnügt ein Kartenspiel, es musste Uno sein, sie kicherten zwischendurch und verstanden sich wunderbar. Es ist wohl eine Freundschaft für ein paar Tage, dann trennen sich ihre Wege wieder.

Es war vor Weihnachten, in einem Bistro im Zürcher Seefeld. Ich beachtete den Mann neben mir vorerst nicht, er, vielleicht um die 50, elegant gekleidet, einen Prosecco vor sich, war mit seinem Handy beschäftigt. Ich las Zeitung. Dann, nach vielen Minuten, schaute ich doch hin, er hielt sein Handy vor sich, etwas auffallend verdeckt, ich versuchte, diskret zu sein.

Aber irgendwie interessierte es mich doch. Er las nicht, mit einem Finger wischte er ständig über das Display, Bilder erschienen, ich versuchte noch diskreter zu sein und war aber noch etwas neugieriger, die Zeitung gab mir Schutz. Ich las jedoch nicht mehr, er wischte ständig, und ja, es waren Porträts von Frauen, zumindest das sah ich. Eine neue, blond, bald eine nächste, weg war sie wieder, manchmal schien er interessierter, schaute länger, schmunzelte, und sein Finger wischte wieder, zwischen nach rechts und links musste es einen Unterschied geben.

Es war zwischen den Jahren, im Odeon an der Bar; draussen neblig wie jetzt  fast an jedem Tag in Zürich, drinnen eine schöne Stimmung. Täuschte es oder waren die Menschen besser gelaunt als sonst, entspannter und lockerer – ein Glas noch oder vielleicht zwei, bevor sich das 2024 verabschiedete, so dachten wohl manche. 

Odeon, ein Lokal für viele Geschichten

Ich machte mir Notizen für einen möglichen Text, nicht diesen, mir gegenüber sassen eine Frau und ein Mann, er etwas älter. Sie hatten beide ein Glas Weisswein vor sich. Zufällig, so schien es, sassen sie in diesem Moment an diesem Abend an diesem Ort nebeneinander an der Bar, sie redeten nicht.

Nach einiger Zeit beobachtete ich sie wieder. Sie schienen ein Thema gefunden zu haben, ich weiss nicht, wer zu reden begann, sie schwiegen zwischendurch und hatten dann offenbar ein neues Thema; sie sah ihn an, er sie, und sie lächelten beide, zögerlich noch, etwas verlegen. Der Mann an der Bar brachte ein zweites Glas, sie schienen sich immer besser zu verstehen, es war jetzt vielleicht eine halbe Stunde vergangen, seit ich sie zum ersten Mal wahrgenommen hatte.

Ich war wieder interessiert. Sah, wie er sie, nachdem er etwas gesagt hatte, sie redeten jetzt fast immer, leicht mit einer Hand an der Schulter berührte, später sie auch ihn, und sie lächelten nun vertrauter, was wohl nicht nur am Wein lag, sie schienen sich sympathisch. Noch etwas scheu, aber doch liebevoll, redeten sie jetzt nicht nur mit Worten miteinander, sondern auch etwas öfter mit Händen, die sich nicht zufällig berührten.

Und dieser Moment im Bistro einige Tage zuvor kam mir wieder in den Sinn – und ich denke, wie schön, dass es das auch noch gibt, zwei, die sich zuvor noch nie gesehen haben, bin ich mir sicher, bringt der Zufall oder das Schicksal zusammen, weil sie beide das Gefühl hatten, drinnen sei es viel schöner als draussen im kalten Zürcher Nebel.

Ich ging, sie blieben noch. Keine Ahnung, wie es weiterging.


Dann, einige Tage später, spülte mir Facebook dieses Bild vor die Augen. Ich musste schmunzeln. Und dachte: So schön. Es gibt Begegnungen, die offenbar 50 Jahre überdauern. 

Vorschau 2025


Am Sonntag, 2. März, 11 Uhr die nächste Lesung:
Nochmals in der Immobilenwerkstatt in Küsnacht,
 mit Fredy Wettstein, Friederike Hempel
 und Lukas Langenegger 
und einem neuen Programm

Anmeldungen: fredy.wettstein@gmail.com



Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge» 
 auf Facebook folgen und lesen. 


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