Angekommen im «Rössli»

Blog-Nr 378




Er durfte als kleines Kind zum ersten Mal an ein Spiel im Hardturm, als der Hardturm noch ein wunderbares Fussballstadion war, es war ein Derby, und er durfte hin mit einem Verwandten um drei Ecken herum, einst ein grosser Fussballer, der gleich hiess wie er.

Er wurde sein Klub, seine grosse Liebe, und er durfte später für diesen Klub arbeiten, erst im Sekretariat, dann als Technischer Koordinator, als Pressechef, Sportchef und Geschäftsführer.

Als Pressechef sang er bei Reisen im Ausland im Bus mit den Journalisten gerne Lieder, besonders gerne «Ich fange nie mehr was an einem Sonntag an» von Monica Morell, die später eine enge Freundin wurde.

Edith Piaf verehrt er, sie ist sein grosses Vorbild, und er ist Mitglied der «Association des amis d'Edith Piaf», besucht fast jedes Jahr Paris, das Haus, in dem sie lange lebte, das Quartier Belleville, in dem sie aufwuchs, die Bar, die ihren Namen trägt und in der an jedem Dienstag und während des ganzen Jahres ihre Lieder gesungen werden, und natürlich ihr Grab auf dem Friedhof Père Lachaise, er legt immer eine Rose nieder.

Er arbeitete in Zürich auch auf der anderen Seite des Geleises, versprach seinem ersten Präsidenten (Hotz), sie würden einmal Meister werden, und seinem zweiten (Canepa), sie würden bald in der Champions League spielen. Der Klub wurde Meister und spielte in der Champions League.

Er hatte, als er einmal einen Trainer entlassen musste, der ihm mit seiner Art besonders nahe war, Tränen in den Augen, als er bei der Medienkonferenz neben ihm sass. Er schämte sich dafür nicht, er sagt selber, er sei ein Gefühlsmensch. Und auch ein Beziehungsmensch.

Er war auch in Bern tätig, wohnte zuerst zusammen mit dem damaligen Trainer und dessen Assistenten in einer WG. Und mit einem anderen Trainer sass er manchmal in seiner Wohnung in der Altstadt zusammen, er war ein Österreicher, einer der beiden begann ein Lied zu summen, von der Gruppe S.T.S., von Danzer, Ambros oder Fendrich, und dann sangen sie zusammen im Duett.

Als er dann selber entlassen wurde, hörte er ein Lied von Rainhard Fendrich immer wieder, es heisst: «Die, die wandern». Das Lied hat diese Zeilen: »Kumm, reiss di zam, steh wieder auf/Bleib ja net liegen, genau da warten's drauf/Gib da an Ruck und setz an Fuass vorn andern/Nur die, die wandern finden wieder z'ruck». Und ein sehr bekannter Berner Musiker und Maler schrieb ihm damals ein SMS: Sie seien Künstler auf der Bühne, er sei ein Künstler im Fussball.

Er wanderte dann selber nach Österreich, zu einem Klub mit grosser Tradition in der Hauptstadt und der Stadt der Musik schlechthin, und er war auch dort immer wieder auf dem Zentralfriedhof, wo Mozart, Schubert, Beethoven und Brahms und auch Falco und Udo Jürgens begraben sind. Er trat beim Klub zurück, weil der Präsident aufhörte, mit dem er seinen Vertrag bereits um zweieinhalb Jahre verlängert hatte, anfangs 2019 war das. Er wird auch heute noch immer wieder zu Spielen nach Wien eingeladen.

Er wurde auch angezeigt wegen ungetreuer Geschäftsführung und Urkundenfälschung, aber er wurde nie angeklagt. Vor Gericht stand er nur, weil er von einem Spielervermittler erpresst worden war. Ein ehemaliger Sportchef und sein Förderer in seinem Lieblingsklub musste dann wegen Beihilfe einige Tage ins Gefängnis.

Er war selber einmal an einer CD beteiligt, mit seiner Freundin und Freunden, und ein sehr bekannter Musiker hatte sie produziert, sie hiess «Schnüggel».

Er war zweimal für einige Tage im Kloster Einsiedeln, versprach,  jedes Jahr wieder zu kommen, doch der Fussball liess ihm dafür keine Zeit, vielleicht auch, weil er immer hoffte, es ginge immer weiter, irgendwo. Angebote und Gespräche gab es einige, auch mit Klubs aus der Bundesliga, doch konkret wurde es nie.

Er arbeitete dann doch noch einmal für den Klub, der seine erste und grosse Liebe war und ist – allerdings nicht lange, Chinesen übernahmen den Klub. Und Chinesisch kann er nicht, aber das war nicht der Grund.

Und jetzt?

Jetzt ist er Beizer. Oder Wirt. Oder Geschäftsführer. Oder Büroleiter. Oder Buchhalter. Oder Personalführer. Oder Gastgeber. Oder, wie er sagt, Verbindungsglied zwischen Service, Events und Küche, wo er allerdings völlig fehl am Platz ist.

In seinem Säuliamt, in seinem Mettmenstetten, wo er aufwuchs und immer einen Wohnsitz hatte. Im «Weissen Rössli», diesem Gasthof mit viel Geschichte und Tradition, das im Jahr 1455 erstmals in einer Chronik erwähnt wurde, einem Ort für Begegnungen und für Menschen von hier und nicht nur von hier. Diesem Ort für Kulinarik, aber auch Kultur.  Mit Gaststuben, einer Bar mit Jukebox und einer grossen und einer kleinen Bühne.

Fredy Bickel ist angekommen. Mit bald 60. Zusammen mit seiner Partnerin Regula Esposito (oder Helga Schneider als Comedian und Autorin) hat er das «Rössli» übernommen, am Sonntag wird es eröffnet. Er eben im Büro, sie für die Kultur. Als Stallmeister und Dompteuse stellen sie sich auf der Webseite vor. Und Dao und Antar Pereiro sind für den Gastbetrieb zuständig, sie Thailänderin, er Schweiz-Spanier. Es wird also eine Küche mit viel Bezug zur Region, aber auch asiatischem und spanischem Einfluss geben. Einen eigens kreierten Wodka aus dem Säuliamt gibt es bereits, auch einen eigenen Kaffee und wunderbare Schogginüsse aus Mettmenstetten.

Die Pächter und die Gastroleitung

Bickel sagt, es sei ein Abenteuer, eine riesige Herausforderung. Aber vor allem eine Herzensangelegenheit. Wie damals GC. Wie der FCZ. Wie YB. Wie Rapid Wien.

Und es soll ein Ort für vieles sein. Für Konzerte, für Theater, für Kabarett, für Lesungen, für Jassturniere, für Talks, für Weindegustationen, für Podcasts. «Daumen Hoch, eine Abenteuerreise per Anhalter vom Bodensee nach Fernost», so heisst am 15. Februar der erste Event, Regula macht ihre Helga-Dernière von «Sweet & Sour» auf ihrer eigenen Bühne im Dezember. Viele, Bänz Friedli oder Michael Elsener beispielsweise, kommen auch irgendwann nach Mettmenstetten. Und einmal, sehr wahrscheinlich, gibt es einen Abend für Edith Piaf. Vielleicht mit einem Duett Fredy Bickel/Regula Esposito. «Non, je ne regrette rien».

So denkt er, auch jetzt. Er will es geniessen. Das Neue. Das Andere. Und nicht bedauern, dass er das gewagt hat. Kurz vor seinem Sechzigsten.

Und der Fussball? Im Kopf hat er ihn noch. Es könnte ja sein, irgendetwas. Bestimmt nicht in einer Funktion von früher. Zumindest der FC Affoltern am Albis hat ihm ab April das Präsidium angeboten.


Die Bühne im «Weissen Rössli» ist bereit




Vorschau 2025


Am Sonntag, 2. März, 11 Uhr die nächste musikalische Lesung:
Nochmals in der Immobilenwerkstatt in Küsnacht,
 mit Fredy WettsteinFriederike Hempel
 und Lukas Langenegger 
und einem neuen Programm.
 Und Bilder von Lizzy Niebergall

Anmeldungen: fredy.wettstein@gmail.com
Oder: WhatsApp 079 414 40 63



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