Und wo die Verlobten?

 Blog-Nr. 359

 


War er dabei? Ich kann es mir vorstellen. Sportlich sieht er aus, vielleicht 40 ist er. Er sitzt im Can Mel, einem Restaurant in Cas Concos des Cavaller, diesem kleinen Dorf im Südosten der Insel Mallorca, es ist an einer kleinen Seitenstrasse gelegen mit einer spanischen und auch japanischen Küche.


Oder er? Einige Tische daneben sitzt er, etwas weniger sportlich, er trinkt sein drittes Glas vom Anima Negra AN 2, einem Wein von der Insel; er ist auch einige Jahre älter, aber er hat grosse Hände. War er vielleicht der Torhüter? Es könnte sein, mit diesen Händen. Denke ich.

Ein anderer kommt die kleine Strasse runter, zusammen mit ein paar Freunden, auch er möchte einen Platz im Can Mel, es ist ein In-Lokal auf der Insel, jeden Abend voll besetzt, und von überall her kommen sie hierher, auch heute wieder.

Javier, der das Lokal führt, begrüsst ihn, klar, er finde noch etwas, sagt er, er findet für seine Gäste immer einen Platz in seinem Restaurant, irgendwie. Es ist jetzt Oktober, ein lauer Sommerabend im Herbst, abends um zehn Uhr noch. Der mit seinen Freunden spricht mit Javier spanisch, er ist gross und schlank, vielleicht war er ein Stürmer, vom Typ her Harry Kane von Bayern München. Hat auch er?

Oder sie vielleicht, in den schwarzen Jeans mit dunklem Oberteil, blonde Haare, eine schöne Frau, sie war so schnell zur Bar gerannt, scheint also laufstark zu sein. Also auch sie?

Waren sie alle dabei, die drei und auch sie? Damals?

Ich hatte es im Internet gelesen, anfangs September, noch zu Hause. Weil ich alles lese über Cas Concos, dieses zauberhafte Dorf. Zufällig habe ich den Ort entdeckt, vor vielen Jahren einmal, und ich war immer wieder hierher gekommen, wie zu einer Geliebten, die längst zu einer Freundin geworden ist, zur besten, eine, die man nie mehr verlässt.


Sie hatte zu einem Fest eingeladen, zum Sant-Nicolau-Fest, zehn Tage soll es dauern, ein Dorffest mit Themen zur Kultur und Brauchtumspflege, für Diskussionen, Vorträge und Unterhaltung, Frauen und Männer können ihre Kunstwerke ausstellen; auch eine Andacht ist vorgesehen, mit einer Messe in der schönen Kirche soll es beginnen und danach mit dem Umzug der Giganten und Dämonen durch das Dorf, zuletzt einem Feuerwerk und auch einem Gruppenbild mit dem ganzen Dorf, alle zusammen vereint. «Bones festes a tots!», katalanisch. So stand es im Internet.

Und eben auch von dem war im Porgramm zu lesen.

Von diesem Spiel.

Ich hätte doch hinschauen müssen, haben sie im Can Mel auch Eheringe getragen, der erste, der zweite, der vielleicht der Torhüter war, und der dritte, der mit seinen Freunden abends spät kam? Und die blonde Frau am Tisch mit zwei andere Frauen? Ich schaue nie, ob einer – oder eine – einen Ehering trägt, vielleicht müsste ich es mehr tun.

Denn dieses Spiel.

Ich war früher schon einige Male beim Sportplatz von Cas Concos gewesen, dem Camp Municipal d'Esports am Rande des Dorfes, nie habe ich aber jemanden spielen, nicht einmal trainieren gesehen.

Aber diesmal, bei diesem Fest für Cas Concos, das jedes Jahr stattfindet, dieses Spiel, nicht Cas Concos gegen Santanyi oder Felanitx, Nachbardörfer, nein:

Verheiratete gegen Ledige.

Tatsächlich. Ich hätte doch so viele Fragen gehabt. Wo, auf welcher Seite, spielen dann die Geschiedenen, die Verwitweten, die Verlobten, die vielleicht getrennt Lebenden. Gut, die Verliebten, die können ja auf beiden Seiten. Die Unglücklichen auch. Und ja, Frauen und Männer gemischt? Oder, könnte ja auch sein, nur Frauen gegeneinander? 

 

Die Dämonen vor dem Can Mel (Foto: Roger Bataillard)

Ich frage Javier. Es ist jetzt Oktober, ich bin wieder nach Cas Concos gekommen, wie jedes Jahr. Javier kennt dieses Dorf, er ist von hier. Er war im September dabei an diesem Fest, natürlich war sein Restaurant auch damals an jedem Abend ausgebucht, er hat gewiss mitgefeiert, und er liebt ja Fussball. Atlético Baleares ist sein Klub, er ist bei fast jedem Heimspiel im kleinen Stadion in Palma, sie sind eben in die vierte spanische Liga abgestiegen. Er leidet mit ihnen.

Aber jetzt lacht er. Davon wisse er nichts. Von diesem Spiel. Verheiratete gegen Ledige? Er ist eben zum dritten Mal Vater geworden. 

 

Javier und sein Can Mel

Aber er frage seine Freunde und geht zu ihnen nach drinnen ins Restaurant, er hat viele Freunde, eigentlich ist fast jeder sein Freund. Und er hat selber einmal aktiv Fussball gespielt, für Cala d’Or, einem Dorf gleich in der Nähe, am Meer, und er habe gar einmal ein Tor geschossen, er sagt, das einzige in seiner kurzen Karriere – gegen Cas Concos.

Doch auch seine Freunde wissen nichts davon.Ich frage auch einen Freund, Roger, der schon lange auf dieser Insel lebt, er recherchiert, doch auch er sagt, er habe nichts herausgefunden, niemand wisse etwas davon.
 

Hat dieses Spiel damals überhaupt bei diesem Fest stattgefunden, Verheiratete gegen Ledige? Oder war es nur ein Geisterspiel?

Oder ist es so, wie es eben ist mit Geliebten? Vieles bleibt geheimnisvoll.

 

 

 Eine andere Inselgeschichte

 

 

Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge» 
 auf Facebook folgen und lesen.

 

 

 

 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!