Heitere Ente (2)

Blog-Nr. 285



Der erste Kuss. Die erste Nacht. Die erste Reise. Und eben: Das erste Auto. Alles bleibt im Kopf, für immer. Ich habe in meinem letzten Blog  über meine Erinnerung an meinen violetten Döschwo geschrieben, mein erstes Auto. Die Idee dazu kam nach dem Lesen des neuen Buches  des deutschen Autors Axel Hacke über die Heiterkeit im Leben und auch der Frage, ob man in Zeiten wie diesen gelassen sein und lächeln darf.


Man soll und darf, sagt Hacke.

Einige haben mir geschrieben, über ihr erstes Auto damals, vor vielen Jahren, es war bei vielen auch ein Döschwo, ein 2CV, diese Ente. Die Welt muss einmal voller Enten gewesen sein. Und fast immer waren sie rostig.

A.T. aus K. schrieb, sein Döschwo sei grau gewesen, und man hätte die Füsse vorsichtig auf das verrostete Bodenblech abstellen müssen, um nicht in Kontakt mit dem Strassenbelag zu kommen, und notfalls hätten auch mal 16 Leute darin Platz gefunden, stehend und mit offenem Dach. 16 Leute? Ich hoffe, die Ente wackelte nur, blieb aber am Ort.

Bei C.D. aus B. war der Döschwo, als er ihn als sein erstes Auto erwarb, grau, dann wurde er blau gestrichen, sein zweiter war rot und bald schwarz. Sein Auto neu streichen: Macht das heute noch jemand?

K.H. aus M. (De) schreibt, in seinem Kopfkino sei er mit seiner Watschelwackel-Ente den Berg hinauf geschlichen, dahinter, so der perfide Gedanke, all die chromblitzenden SUVs und Geländewagen – mit ihren immer unheiterer werdenden Piloten.

Bei M.R, aus M. war es ein Mini, gekauft von einer alten Dame, die ihn aber kaum gefahren war, weil sie Angst vor dem Strassenverkehr hatte, und auch er war violett, ein grelles violett, und man hätte immer gewusst, wo sich M.R. aus E. aufhielt. Er sei ihre grosse Liebe gewesen.

M.B. aus B. hatte einen Döschwo plus, einen Kastenwagen, Kombi würde man heute sagen, Due Cavalli habe sie ihn genannt, weil sie oft im Tessin war, über den Gotthard gefahren, und die Türe hinten hätte sich ständig geöffnet, und so habe sie diese jeweils mit einer Schnurr zubinden müssen. A
ber der Hund, der hinten mitfuhr, hätte so stets frische Luft gehabt. Und schneller als 85 sei sie nie gefahren, nur, wenn es Rückenwind gehabt habe.

A.K. aus K. habe ihren Döschwo jeweils an die Hauswand kippen müssen, wenn man wieder einmal den Auspuff wechseln oder den Unterboden schweissen musste.

Und S.A. aus Z., sein erstes Auto war ein Käfer, schwarz und so elegant sei er gewesen, ein Bijou, und es sei schon damals, in den sechziger Jahren ein Oldtimer gewesen, Baujahr 1955 oder so, mit ganz kleinen Fenstern hinten, erst noch zweigeteilt, rückwärtsfahren immer Glückssache.

Der Cinquecento, Baujahr 1959, citronengelb

L.F. aus E. schrieb nur das: Mein Auto 1968, Cinquecento, gelb wie eine Zitrone, Fiat Nuova 500 hätte er geheissen, obwohl er schon alt war, Jahrgang 1959 !

Und auch bei M.H. aus Z. war er, wie er schrieb, ein Schrotthaufen, rot, und die Liebe endete mit einem finalen Unfall im Entlebuch, zum Glück harmlos, aber mit genügend zeitlichem Abstand sei es doch ganz romantisch gewesen.

Welch schöne Geschichten.

Auch Axel Hacke schrieb. Sein erstes Auto sei ebenfalls ein Döschwo gewesen, und bei Büne Huber, dem Bandleader von Patent Ochsner, war es ein R4, mehr Rost als Auto und die Tachonadel sei irgendwo zwischen 100 und 109 festgeklebt gewesen. Irgendwann sei er damit an die Ligurische Küste geholpert, er wisse nicht mehr, wie lange die Reise gedauert habe, aber er wisse, dass das die Bilder sind, die sich tief im Song «Varazze» eingegraben haben.

Er ist auf dem Album «Gmües» aus dem Jahr 1994 zu finden. Erste Autos, die zu Liedern führen, auch wenn es dabei um Liebeskummer geht.



«Varazze» von Patent Ochsner, am Gurtenfestival 2015 (Youtube)

Eben: Der erste Kuss. Die erste Nacht. Die erste Reise. Das erste Auto.

Axel Hacke sagte kürzlich in einem Interview mit dem Magazin det «NZZ am Sonntag»: «Mir geht es oft so, dass ich aufwache und die Probleme lasten bereits auf den Schultern, bis ich mir bewusst mache, dass mich auch Schönes erwartet, und sei es, in mein Lieblingscafé zu gehen, und danach zu schreiben, was mir Freude bereitet.»

Ich sitze in Cas Concos, diesem kleinen Kaff mitten auf Mallorca, in meinem Bistro, es ist fast Hochsommer im Herbst, und ich freue mich über heitere Auto-Geschichten. Eben ist ein R4 vorbeigefahren, sehr alt, sehr schmutzig,  und ein Freund erzählt, ein Schweizer fahre auf der Insel immer noch mit einem Döschwo herum.

Ein glückliches Auto – oder besser: heiteres – auf der Insel.

Döschwo mit Zürcher Nummer auf Mallorca


Freude haben im Lieblingsbistro auf der Insel


Heitere Ente (1)


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