Heitere Ente

Blog-Nr. 284


Meine Ente war violett. Und sie war, wenn ich zurückdenke, und ich denke zurück, weil ich ein Buch zu diesem Thema lese, heiter. Eine heitere Ente. Sie watschelte auch, auf vier Rädern.

Ich habe Bilder von ihr gesucht, nicht im Handy, in dem wir fotografisch unsere Vergangenheit abgelegt haben, aber eben nur unser Gestern von gestern, nicht von vor-vor-gestern. Vielleicht, in irgendeiner Schublade, würde ich eines finden, ein verstaubtes Bild. Vielleicht würde ich, weil es schwarz-weiss ist, nicht sehen, dass die Ente violett war, aber sie war violett, das weiss ich noch ganz genau. Violett.

Es geht um Heiterkeit in diesem Buch, das ich lese. «Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte» ist der Titel, geschrieben von Axel Hacke, im «Spiegel» steht es schon auf Platz 1 der Bestsellerliste, als Sachbuch, doch es ist eine wunderbare Geschichte, mit vielen Geschichten in der Geschichte.

Die Sehnsucht nach Heiterkeit habe ihn weitergebracht, schreibt Hacke. In Zeiten, die so ernst sind und uns ernst machen, geht er der Frage nach, was Heiterkeit eigentlich ist und wie wir sie zurückbringen in unser ernstes Leben. Er schreibt: «Ein heiterer Mensch zu sein, bedeutet nicht, das Schwere zu ignorieren, sondern es in etwas Leichtes zu verwandeln.»

Aber: Heitere Ente? Vielleicht kam dieser Gedanke, als Hacke in seinem neuen Buch eine Passage aus seinem letzten Buch, «Ein Haus für viele Sommer», nimmt und erklärt, dass es wichtig ist, über sich selbst lachen zu können, bevor die Leute über dich lachen. Er beschreibt, wie er seinen eben erworbenen alten Fiat Cinquecento in die kleine Garage der engen Gasse seines Dorfes auf Elba lenken will, wie er dabei schwitzt und kurbelt und kurbelt und noch mehr schwitzt und zuletzt der Cinquecento wie ein fester Pfropfen in der Gasse eingeklemmt ist, wahrscheinlich für immer. Schreibt er.

Alle, die ihm zuschauen, haben gelacht, er lacht heute darüber – eben: Auto und heiter.

So war sie, meine Ente, so dünkt es mich heute. Nie mehr später, und es kamen einige andere, war ein Auto heiterer. Mein erstes, kaum hatte ich damals den Führerschein, ich bin vorher nur Velo gefahren, nie Moped, aber dann, als ein Freund sagte, er wolle sie nicht mehr, wollte ich sie, sie und keine andere, diese Ente.

Diesen Döschwo, 2CV, für 750 Franken, glaube ich, die Pneus mussten bald ersetzt werden.

Er war damals schon alt, und Rost hatte er schon, aber er fuhr oder rüttelte los, sehr oft lahmte er auch. Wenn ich einen Berg hinauf fuhr oder nur schon einen Hügel, der etwas steiler war, dann war ich immer der erste in einer langen Reihe, es machte einen gar etwas stolz. Die anderen mussten warten.

Vorne sie, meine Ente, nachher alle anderen, schneebedeckte Strassen liebte sie gar nicht.

Eigentlich war sie hellblau, aber eine liebe Freundin, die gerne malte, hatte zum Pinsel gegriffen und sich an meinem Auto verwirklicht, so dass die Ente vielleicht gar weltexklusiv war, ein wunderbares Violett, mit Nuancen, die Kotflügel hatten einen etwas helleren Ton, das Faltdach schwarz. Ein wunderbares Bild fand ich, meine Ente wurde beachtet.

Eben, denke ich jetzt: Ein heiterer Anblick. Das fand der Mann in der Garage, der ein Freund war, zwar weniger, er verzweifelte manchmal an ihr und riet mir, ich solle sie endlich auf den Schrotthaufen bringen, er spottete verächtlich, er sah die Ente oft bei sich.

Doch ich blieb ihr treu, auch wenn das Fenster, zweigeteilt, bald einmal nicht mehr zu schliessen war, der vierte Gang nur noch Theorie und der Motor mehr als stotterte, manchmal mitten auf einer Kreuzung seinen Geist aufgab. Ganz so heiter war das damals nicht.

Und eines Tages, das war jetzt bitter, blickte ich von meinem wackeligen Fahrersitz, ja, die waren immer wackelig in diesen Enten, auf den Strassenboden, weil das Blech jetzt endgültig durchgerostet war. Es war meine letzte Fahrt.

75 Jahre alt wurde die Ente in diesem Jahr, seit 33 Jahren wird sie nicht mehr gebaut, sie steht nur noch in Museen. Aber sie lebt wieder in meinem Kopf, weil ein Buch mich inspirierte, an heitere Momente des Lebens zu denken.

«Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte.» - Von Axel Hacke. - 223 Seiten. - Dumont-Verlag.

Das Lied zum Text: «Zweierbeziehung»
 von Reinhard Fendrich (Youtube)



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