Ewig schade

Gerd Müller und Robert Lewandowski

Romantiker, die noch Gerd Müller erlebt haben, wie er nach einem Tor einfach nur die Arme in die Höhe streckte, sich umdrehte und wieder zur Mittellinie lief, weil er sein nächstes Tor schiessen wollte, hofften, es hätte sich so abgespielt:

Die letzte Minute im Spiel der Bayern gegen Augsburg und die letzte Minute der deutschen Meisterschaft, es gibt einen Elfmeter für die Münchner, Robert Lewandowski, der keine Elfmeter vergibt, tritt an - und schiesst den Ball in die Arme des Torhüters von Augsburg, der auch ein Pole ist. Er verneigt sich jetzt vor dem Himmel und vor Gerd Müller, der ausserhalb von München seit Jahren in einem Pflegeheim liegt, nicht mehr ansprechbar, an Demenz erkrankt.

Es bliebe damit so: Müller 40, Lewandowski 40. Beide halten den Rekord mit den meisten Toren in einer Bundesliga-Saison, es bleibt ein Rekord für die Ewigkeit. Wie wir alle dachten, als dies Müller, dem «Bomber der Nation», vor 49 Jahren gelungen war.

Es war anders. Romantik hat im heutigen Fussball keinen Platz mehr.

Es kam am Samstagnachmittag in der Allianz Arena die 90 Minute gegen Augsburg, die letzten Sekunden in dieser Saison, der letzte Angriff der Münchner – und Lewandowski, der zuvor viele Chancen vergeben hatte, traf, nicht spektakulär, nicht kunstvoll, es war ein Abpraller, der Ball lag einfach vor seinen Füssen. Ein billiges Tor, sein 41. Es war ein Tor, wie von Gerd Müller, der seine Tore mit allen möglichen Körperteilen geschossen hatte, meistens aus kurzer Distanz, einfach irgendwie.

Das 41. Tor von Robert Lewandowski

Lewandowski jubelte ausgelassen, zeigte seine Muskeln. Müller hat es in seinem Pflegeheim nicht mitgekommen. Er schläft immer. Erkennt niemanden mehr.

Man hätte es Gerd Müller gegönnt, wenn beide bei 40 geblieben wären.

Und jetzt ist es: Ewig schade. Hätte Lewandowski doch auf sein 41. Tor verzichtet, und wir hätten für immer sein Shirt nach dem 40. in Erinnerung behalten: «4everGerd.»
UPDATE: Gerd Müller ist am 15. August 2021, 75-jährig in München gestorben. Hier geht es zum «Im Auge»-Blog zu seinem Abschied.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!