Elber der Cowboy

Blog-Nr. 443




So schön, dieses Bild in dieser Zeit, in der es zum Fussball andere Bilder gibt, widerliche-erbärmliche-skandalöse-peinliche, von zwei Narzissten, die sich als Best Friends bezeichnen, der eine dem anderen unterwürfig ist, und die sich in ihren Welten als Könige sehen.

Aber eben, es gibt auch dieses schöne Bild und die schöne Geschichte dazu kürzlich im «Spiegel».

Giovane Elber als Cowboy, im Sattel reitend auf einem Pferd im hellblauen Westernhemd, hellbraune Jeans und mit Sonnenhut, die Zügel lässig in der rechten Hand, die andere mit gespreizten Fingern in der Luft, ein Messer im Gürtel, er treibt wohl eine Herde vor sich her, blau ist der Himmel über seiner Rinderfarm.

Elber? Elber, der Fussballer, einst einer der besten Stürmer der Welt, Brasilianer.

Und dazu diese Erinnerung. Es war im Sommer 1991, ein lauer Dienstagabend im alten, ach so schönen, ehrwürdigen Hardturmstadion, der Rasen, wie immer in den Sommermonaten, ganz frisch, fast unberührt noch. Wir, vom FC Tages-Anzeiger, durften gegen Radio 24 spielen, bei uns spielten, glaube ich, mich zu erinnern, Livio Zanetti und Bigi Meier mit, frühere GC-Spieler, und bei den Radioleuten ein gewisser Giovane Elber, noch unbekannt.

Er war erst seit kurzem in Zürich, 19 damals, ausgeliehen von der AC Milan, und irgendjemand fand, er solle doch etwas Spielpraxis bekommen, sofern dies überhaupt möglich ist, bei einem solchen Mätschli mit mehrheitlich Unbegabten.

Elber stürmte also, meistens auf meiner rechten Seite, ich im Tor, er am Ball, und im Team von Radio 24 war einer, der Chef, ehrgeizig in allem, was er macht, der unbedingt Tore schiessen wollte.

Er tat es nicht, weil er dafür talentiert ist, sondern weil Elber in seiner Mannschaft mitspielte. Elber selber schoss, meine ich mich zu erinnern, kaum ein Tor, sondern suchte immer nur einen, denn dieser, Roger Schawinski, rief ihm ständig, «spiel!, spiel!», wahrscheinlich tat er es auf Portugiesisch, vielleicht war er höflich: «Por favor». Elber gehorchte, wartete manchmal lange, bis dieser nach vorne gerannt war, spielte ihm dutzende Bälle in die Füsse, so dass der Chef diese nur noch ein paar Zentimeter vor der Linie ins Tor schubsen musste. Da wäre jeder Torhüter der Welt machtlos gewesen.

Giovaner Elber im Dress von GC

Später schoss Elber viele Tore selber, erst für die Grasshoppers, 41 in 69 Spielen, dann für den VfB Stuttgart und vor allem für Bayern München, 92 in 169, und er gewann ganz viele Titel, auch die Champions League, spielte 15-mal in der brasilianischen Nationalmannschaft. 

Und jetzt eben diese Geschichte mit diesem grossartigen Bild. 10 000 Hektar ist sein Land gross, die «Fazenda Sao Paulo», 14 000 Fussballfelder hätten da Platz, 4500 Rinder besitzt er. Wenn Elber in Brasilien ist, dann ist er Farmer. Im «Spiegel» steht, wenn die Rinder in seine Richtung traben, rufe er ihnen zu: «Servus, Papa ist wieder da!»

Er lebt in zwei Welten und Kulturen, in Deutschland weiterhin mit dem Fussball verbunden, in Brasilien immer wieder mit seinen Cowboys unterwegs.

Das Treffen in München bei einer Buchvernissage (Foto: Thomas Bodenschatz)

Ich traf Giovane Elber vor anderthalb Jahren in München wieder, bei der Vernissage des Buches «Tore wie gemalt» des Journalisten Javier Cáceres, der grosse Fussballer getroffen hatte und diese ihr schönstes Tor zeichnen oder kritzeln liess, Cáceres wurde zum Torjäger nach Toren: 118 der grössten Ballkünstler, von Pelé über Beckenbauer zu Zico und eben auch von Elber, der eigentlich Èlber de Souza heisst, erst in Mailand zum Giovane wurde, «il giovane Elber», der junge Elber nannten sie ihn dort. 

Er wählte kein Tor, das er einst für GC schoss und schon gar nicht eines damals gegen den Tagi, jene musste ja Schawinski schiessen, sondern eines für Bayern München, es war das «Tor des Jahres» geworden, gegen Hansa Rostock, ein Ball praktisch von der Eckfahne, der sich in die vordere Torecke senkte.

Die Skizze von Elber im Buch «Tore wie genalt»

Natürlich konnte sich Elber in der Münchner Fussballbar, die «Stadion» heisst, nicht mehr an den Abend in Zürich auf dem Hardturm erinnern. Der bleibt nur für Roger Schawinski und auch den machtlosen Torhüter ewig im Kopf.

Aber an Zürich denkt Elber gerne zurück.

Sagt, wie er sich fremd fühlte in der für ihn fremden Welt, die Sprache nicht verstand, Mahlzeiten ass, die er zuvor nie gesehen hatte, eigentlich nur MTV schaute, wenn er nicht trainierte oder spielte und zusammen mit Joel (er wusste den Namen noch, Magnin) in einer kleinen Wohnung lebte. Er litt lange, besonders an den Schnee kann er sich bis heute nicht gewöhnen, aber Zürich, sagt er, sei für ihn ideal gewesen, um sich einzuleben in Europa. Er gehört sicher zu den besten Ausländern, die je in der Schweiz spielten, wurde mit GC Cupsieger und Torschützenkönig, in Stuttgart war er teil des «magischen Dreiecks» (mit Balakov und Bobic), in München bei den Bayern fand er seine zweite Heimat.

Er war (und ist) nicht nur beliebt wegen seiner vielen Tore, sondern auch wegen seiner Art, immer fröhlich, immer mit einem Schalk im Gesicht, zu allen freundlich, bodenständig und nie abgehoben, stets mit einem lieben Lächeln.

Und deshalb noch heute überall gerne gesehen, als Markenbotschafter für die Bayern, mit PR-Auftritten überall, seit 2023 ist er auch deutscher Staatsbürger und seit 1994, seiner Zeit in Zürich mit Cintia verheiratet..

Einst war Elber der Botschafter und Passgeber für Schawinski. Und seine Tore. So hatte alles begonnen. Und 34 Jahre später nun dieses Bild, mit 53: Giovane Elber, der Fussballer als Cowboy, oder brasilianisch, Vaqueiro.


Elber in der Münchner Allianz Arena       (Foto: fw.)


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