«Danke, Sven!»

Blog-Nr 442



Sven Hotz ist tot. Am Sonntagabend ist der ehemalige Präsident des FC Zürich nach langer Krankheit in einem Heim friedlich eingeschlafen, mit 96 Jahren, er litt zuletzt auch an Demenz, erkannte nicht einmal mehr seine engsten Familienangehörigen.

Viele Bilder und Erinnerungen kommen in den Kopf.

Wie Sven Hotz auf der Tribüne des Letzigrunds sitzt, auf seinem Platz, die Arme verschränkt oder dann immer wieder seine Fingernägel kauend, die Lippen zusammengepresst, die Miene versteinert, sein Blick starr, seine Frau Ruth, mit der er 66 Jahre verheiratet war, still daneben. Manchmal nimmt sie liebevoll seine Hand, wenn er wieder einmal leidet mit seinem FCZ, seinem Klub, seiner Liebe. Bis der FCZ unter ihm Erfolge feiern konnte, dauerte es lange, er litt viele Jahre. 

Wie er, im Mai 2000, es war ein kalter Sonntag, d
er FCZ hatte in Bern gegen Lausanne im Elfmeterschiessen den Cupfinal gewonnen, mit seiner Familie zurück nach Zürich gefahren war, hinter dem Letzigrund auf dem Nebenplatz stand ein Festzelt. Er hatte wie immer den Klubschal um den Hals gebunden, auf Zetteln, die ihm Kinder entgegenstreckten, schrieb er nur «Sven», und dann stieg er auf die kleine Bühne und tanzte ausgelassen. Der Sven-Hotz-Tanz, ungelenk, mit eigenwilligen Hüft-Bewegungen, gab es Jahre später auf dem Balkon des Volkshauses am Helvetiaplatz, und ein letztes Mal im Dezember 2006 bei seinem Rücktritt nach 21 Jahren als Präsident, auf der Ehrenrunde, damals im Hardturm. «Danke Sven!» stand auf einem grossen Transparent.

Der Sven-Hotz-Tanz auf dem Balkon des Volkshauses Foto: Bruno  Schlatter

Wie er, im Mai 2005 war es, nach dem Cupfinal in Basel gegen Luzern, noch auf der Tribüne in einen neuen Veston schlüpfte, «Cupsieger 2005» stand darauf, er band sich eine neue Krawatte um, seine Frau schaute, dass alles gut sitzt. Abends in der Tagesschau werden Bilder gezeigt, wie er auf dem Rasen herumhüpft, und später fragte er: «Hat es gut ausgesehen? Ich musste mich doch bewegen. Und wissen Sie, es tut schon gut, aber morgen und übermorgen ist wieder Alltag, und der bringt bald wieder Sorgen. Ich bin auch Realist.» Wieder war hinter dem Letzigrund ein Festzelt aufgestellt worden, er ging wieder auf die Bühne, tanzte mit seinem Stürmer Keita einen Walzer. Wie ein Liebespaar sah es aus, den Pokal in der Hand, und die bierseligen Fans johlten und tobten. Hotz rief selig-glücklich in das Mikrofon: «Europa wird uns kennen lernen.»

Es war am Freitag vor diesem Cupfinal gewesen, wir hatten im damaligen Strozzi’s im Zürcher Seefeld zu einem Gespräch abgemacht. Er erzählte, wie er in der Woche geträumt habe, Bilder von Basel, und wie ihm der Captain des FCZ, Schneider war es, den Kübel, den Pokal, überreicht und er diesen in die Höhe gestemmt habe. Dann sei der Traum abgebrochen. Ein Gast war damals an unseren Tisch gekommen und hatte gesagt: «Herr Hotz, wenn einer es verdient hat, dann sind Sie es», und Hotz antwortete: «Das ist nett von Ihnen, aber wissen Sie, nicht ich, der Klub hätte es verdient.» Als er das Restaurant verliess, viel zu spät, er hätte längst an einer Sitzung sein müssen, hatte er draussen einen Bussenzettel an seinem Auto. Zwei Männer stürzten aber aus dem Strozzi’s, einer kniete gar vor ihm auf das Trottoir: «Herr Hotz, bitte geben Sie uns diesen Zettel, wir zahlen, denn Sie haben für den FCZ schon so viel getan.» Sie wollten ihm die Busse aus der Hand reissen, es gelang nicht: «Nie, nie lasse ich das zu, ich habe falsch parkiert, ich zahle auch.»

Wie er jeweils in seinem chaotisch aussehenden Büro an der Freischützgasse sass, mitten in seinen vielen Bergen von Papieren und Akten und Verträgen, die den Boden fast unsichtbar machten. Und wie er, wenn er über Spieler verärgert war, die nicht die Leistung und vor allem den Einsatz zeigten, die er von ihnen erwartete, manchmal bei solchen Gesprächen sagte: «Am liebsten würde ich sie ungespitzt in den Boden hauen.» Und auch das sagte er oft beim Hinausgehen: «Schriibed Sie kein Seich über de FCZ.»

Sven Hotz in seinem Büro an der Freischützgasse Foto: Beat Marti

Es war im März 2004, das Cupspiel auf dem Hardturm, der FCZ führte gegen GC 5:2 und verlor noch 5:6: Er fuhr nach Hause in sein Haus in Uetikon am See, seine Frau Ruth hatte das Spiel am Radio verfolgt, dieses aber nach dem 5:2 ausgeschaltet, im Keller eine Flasche Champagner geholt und auf ihren Mann gewartet. Er kam, es war Mitternacht, sie hatte die Gläser in der Hand, stand freudestrahlend an der Tür, öffnete. Er war völlig niedergeschlagen, sie verstand nicht weshalb, und er musste ihr erklären, dass aus dem 5:2 noch ein 5:6 geworden ist.

Wie er, das Datum in der Klubgeschichte, der 13. Mai 2006, fassungslos vor seinem Stuhl auf der Tribüne im St. Jakob-Park stand – und nur noch weinte, kein Wort über die Lippen brachte. Das Tor von Filipescu in der 93. Minute gegen Basel! Meister! 20 Jahre hatten er und der FCZ darauf gewartet!

Wie er einmal erzählte, wie er als Kind, elf oder zwölf war er, mit seinem ersten Taschengeld ein FCZ-Leibchen gekauft hatte. Er lernte dann Maurer, war bald Polier, Bauführer, kaufte mit 21 in Schlieren ein Geschäftshaus, betrieb das Kino Tivoli, kaufte weitere Immobilien und wurde ein erfolgreicher Generalunternehmer.

Wie er erzählte, als er beim FCZ als Klubsekretär den ersten Vertrag von Köbi Kuhn, der vom FC Wiedikon gekommen war, unterschrieb, für 150 Franken Monatslohn. Mit 13 war dem FCZ als Junior beigetreten, einmal, gegen YF, durfte er in der ersten Mannschaft spielen.

Sven Hotz glaubte an das Gute im Menschen, und er bezeichnete einmal seine Gutgläubigkeit als seinen vielleicht grössten Fehler, sah dies aber gerne als seinen Fehler, war immer warmherzig, immer grosszügig, bescheiden im Auftreten, er hat viele dutzend Millionen in seinen FCZ gesteckt, redete aber nie über Zahlen, «sonst denkt man, ich sei verrückt», sagte er jeweils. Vor jedem Spiel, das er besuchte, kaufte er immer zwei Matchprogramme, weil das «doch der Juniorenkasse zugute kommt». Er unterstützte malende Künstler, war im Patronatsklomitee des Zürcher Sterbehospiz Lighthouse.

Sven Hotz war eine Kultfigur über den Fussball hinaus. Aber vor allem in seiner Familie, wie er jeweils sagte, der FCZ-Familie. Ohne ihn gäbe es den Klub vielleicht längst nicht mehr.

Er wurde 96, starb im Jahr, als der Letzigrund sein 100-Jahr-Jubiläum feierte.


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Kommentare

  1. Anonym8.12.25

    Danke, mehr kann man nicht sagen zu diesem schönen Nachruf

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  2. Anonym8.12.25

    Sehr schön geschrieben👏

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  3. Andreas Werz12.12.25

    Toll geschrieben, Fredy! Ja, Sven Hotz war Kult und Legende, ein ganz feiner Mensch mit hervorragenden Werten. Leider gibt es viel zu wenige Menschen von seinem Schlag.

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