Sehen und hören
Blog-Nr. 439
Dabu Fantastic mit ihren schönen Songs über verlorene und neue Lieben,«Ciao Baby, Ciao» heisst ihr letztes Album, aber auch nachdenklichen wie «Die letschte drü Minute» oder «Nachem Chrieg» mit den Zeilen: «Und jetzt stell der vor/Ander münd in Chrieg/Ohne en Ahnig/Ob mer sich je wider trifft/Stell der emal vor/Sie umarmed sich wie mir/Mir zwei gsehnd eus morn/Sie sich wider nach em Chrieg/Dänn villicht nach em Chrieg».
Alexander Yakovlev floh aus Russland vor dem Krieg, er bezeichnet sich als Pazifisten, er sagt, man müsse jeden Tag als Geschenk nehmen und ihn geniessen. Beide, Dabu Bucher und Alexander Yakovlev, leben für ihre Musik; Bucher hörte als kleines Kind Polo Hofer und sagte, er wolle Polo Hofer werden; Yakovlev ist mit dem Klavier aufgewachsen, es ist seine Passion.
Im Wohnzimmer spielte er zum ersten Mal in der Schweiz die 9. Sinfonie von Beethoven in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt, eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt für einen Pianisten, und man muss gesehen haben, wie Yakovlevs Hände mehr als eine Stunde lang ununterbrochen über den Tasten des 102-jährigen Salonflügels schwebten, mal zart, mal energisch, mal fein, mal druckvoll und immer mit totaler Hingabe, bis er fast erschöpft war, und dann versteht man, was für eine Erfüllung für ihn die Musik ist.
Und damit zum Anfang dieses Textes. So verschieden die beiden Abende waren, in Bümpliz und dann in Gipf-Oberfrick, Rock und Klassik, vor 600 oder 12 Leuten: Ich schloss mehrmals die Augen, sah nichts mehr, hörte nur, war ganz weg, der Körper erfüllt von der Musik, den Klängen, durch nichts abgelenkt, ganz den Moment fühlend und lebend. Versunken.
Nichts mehr sehen können, nichts hören können, beides muss schlimm sein – das dachte ich in diesen Tagen.
Es braucht diese persönliche Einleitung, um zu verstehen, was ich schreiben will.
Es war vor ein paar Tagen, ich war nach Hause gekommen, setzte mich an den Tisch und wollte etwas lesen. Und konnte es nicht, alles war verschwommen, ein Teil im Gesichtsfeld weiss, Buchstaben doppelt zu sehen. Ich erschrak. Reinigte das Iphone, die Brille, versuchte, ohne diese zu lesen, ging auf den Balkon, sah in die Weite.
Es blieb verschwommen. Und damit diese Gedanken im Kopf: Was, wenn ich nichts mehr oder nur verschwommen sehen kann, nichts mehr wahrnehmen, nichts mehr lesen, nichts mehr beobachten, nichts mehr schreiben, fotografieren?
Schreckliche Gedanken.
Der Arzt gab wenigstens Entwarnung. Es sei möglicherweise eine Durchblutungsstörung, sollte es wieder auftreten, solle ich mich sofort melden, sagte er.
Es war vor ein paar Tagen, ich war nach Hause gekommen, setzte mich an den Tisch und wollte etwas lesen. Und konnte es nicht, alles war verschwommen, ein Teil im Gesichtsfeld weiss, Buchstaben doppelt zu sehen. Ich erschrak. Reinigte das Iphone, die Brille, versuchte, ohne diese zu lesen, ging auf den Balkon, sah in die Weite.
Es blieb verschwommen. Und damit diese Gedanken im Kopf: Was, wenn ich nichts mehr oder nur verschwommen sehen kann, nichts mehr wahrnehmen, nichts mehr lesen, nichts mehr beobachten, nichts mehr schreiben, fotografieren?
Schreckliche Gedanken.
Der Arzt gab wenigstens Entwarnung. Es sei möglicherweise eine Durchblutungsstörung, sollte es wieder auftreten, solle ich mich sofort melden, sagte er.
Es war bald wieder besser. Die Welt klar, soweit diese verrückte Welt klar ist und es manchmal gar nicht so schlecht wäre, wenn man einige Nachrichten nur verschwommen aufnehmen würde.
Ich ging an zwei Abenden an zwei Konzerte. Einmal in Bümpliz in Bern, im Sternensaal, ein Ort mit viel Geschichte, einmal in Gipf-Oberfrick im Kanton Aargau, in eine private Wohnung. Zwei ganz unterschiedliche Konzerte und Momente. Einmal eine Band, ein übervoller Saal, das Publikum stehend eng beieinander, mehr als zwei Stunden lang. Am anderen Abend in einem Wohnzimmer, nur zwölf Leute, einer am Flügel. Erst Mundart-Rock, dann Klassik. Einmal Songs, dann eine Sinfonie. Einmal weiter weg von der Bühne, nahe einer kleinen Bar, einmal ganz nah.
Einmal Dabu Bucher. Der Sänger und Songwriter kommt aus Mönchaltorf, er lebte eine Zeit lang in Zürich und inzwischen in Bümpliz, der Liebe wegen, er und seine Band Dazu Fantastic hatten am Freitag zum Abschluss ihrer Tournee ein Heimspiel. Dann Alexander Yakovlev. Geboren in Rostow am Don im Süden Russlands, er floh 2022, lebt heute in Montenegro, mit Konzertauftritten weltweit, vor allem in Japan ein grosser Star.
Ich ging an zwei Abenden an zwei Konzerte. Einmal in Bümpliz in Bern, im Sternensaal, ein Ort mit viel Geschichte, einmal in Gipf-Oberfrick im Kanton Aargau, in eine private Wohnung. Zwei ganz unterschiedliche Konzerte und Momente. Einmal eine Band, ein übervoller Saal, das Publikum stehend eng beieinander, mehr als zwei Stunden lang. Am anderen Abend in einem Wohnzimmer, nur zwölf Leute, einer am Flügel. Erst Mundart-Rock, dann Klassik. Einmal Songs, dann eine Sinfonie. Einmal weiter weg von der Bühne, nahe einer kleinen Bar, einmal ganz nah.
Einmal Dabu Bucher. Der Sänger und Songwriter kommt aus Mönchaltorf, er lebte eine Zeit lang in Zürich und inzwischen in Bümpliz, der Liebe wegen, er und seine Band Dazu Fantastic hatten am Freitag zum Abschluss ihrer Tournee ein Heimspiel. Dann Alexander Yakovlev. Geboren in Rostow am Don im Süden Russlands, er floh 2022, lebt heute in Montenegro, mit Konzertauftritten weltweit, vor allem in Japan ein grosser Star.
Dabu Fantastic mit «Nach em Chrieg»
Dabu Fantastic mit ihren schönen Songs über verlorene und neue Lieben,«Ciao Baby, Ciao» heisst ihr letztes Album, aber auch nachdenklichen wie «Die letschte drü Minute» oder «Nachem Chrieg» mit den Zeilen: «Und jetzt stell der vor/Ander münd in Chrieg/Ohne en Ahnig/Ob mer sich je wider trifft/Stell der emal vor/Sie umarmed sich wie mir/Mir zwei gsehnd eus morn/Sie sich wider nach em Chrieg/Dänn villicht nach em Chrieg».
Alexander Yakovlev floh aus Russland vor dem Krieg, er bezeichnet sich als Pazifisten, er sagt, man müsse jeden Tag als Geschenk nehmen und ihn geniessen. Beide, Dabu Bucher und Alexander Yakovlev, leben für ihre Musik; Bucher hörte als kleines Kind Polo Hofer und sagte, er wolle Polo Hofer werden; Yakovlev ist mit dem Klavier aufgewachsen, es ist seine Passion.
Im Wohnzimmer spielte er zum ersten Mal in der Schweiz die 9. Sinfonie von Beethoven in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt, eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt für einen Pianisten, und man muss gesehen haben, wie Yakovlevs Hände mehr als eine Stunde lang ununterbrochen über den Tasten des 102-jährigen Salonflügels schwebten, mal zart, mal energisch, mal fein, mal druckvoll und immer mit totaler Hingabe, bis er fast erschöpft war, und dann versteht man, was für eine Erfüllung für ihn die Musik ist.
Und damit zum Anfang dieses Textes. So verschieden die beiden Abende waren, in Bümpliz und dann in Gipf-Oberfrick, Rock und Klassik, vor 600 oder 12 Leuten: Ich schloss mehrmals die Augen, sah nichts mehr, hörte nur, war ganz weg, der Körper erfüllt von der Musik, den Klängen, durch nichts abgelenkt, ganz den Moment fühlend und lebend. Versunken.
Nichts mehr sehen können, nichts hören können, beides muss schlimm sein – das dachte ich in diesen Tagen.
PS: Als Dabu Fantastic noch kaum bekannt waren, hatten sie in Weinfelden einmal ein Konzert vor drei zahlenden Zuschauern. Der Veranstalter wollte mit dem Beginn noch warten, zwei gingen dann nach Hause, einer blieb an der Bar. Dabu Fantastic spielten, sie und er, der einzige Zuhörer, hatten viel Spass. Wie die 12 in Gipf-Oberfrick an diesem Samstagabend.
Lesung am nächsten Sonntag:
30. November 2025, 11 Uhr:
Immobilienwerkstatt in Küsnacht
(Es hat noch ca 8 Plätze)
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