Stau im Auto

Blog-Nr. 419



Was ist denn mit dir? fragt Bruno, der Werber, seinen Freund Luca, den Architekten, als dieser zur Tür des Bistro im Zürcher Seefeld hereinkommt. Auf viertel nach acht hatten sie abgemacht, nach längerer Zeit wieder einmal zu ihrem Espresso*, zwanzig nach neun ist es jetzt, Bruno wollte längst wieder gehen, hat schon vier Espressi getrunken, wie immer Short Black, zwei Gipfeli dazu, was er sonst nie macht, und auch bereits bezahlt.

Luca ist ausser Atem, die (wenigen) Haare wirr und feucht, er schwitzt, und vor allem jammert er sogleich los, noch ehe er sich an den kleinen Tisch gesetzt hat. Jene, die schon hier sind und in ihre Zeitung vertieft, blicken verwundert auf.

Eine Sauerei sei das, eine Zumutung, was sich diese Stadt erlaube, diese rotgrüne Regierung, und Bruno hat solches noch nie von seinem Freund gehört, denn eigentlich ist Luca keiner, der so denkt, im Gegenteil, er ist, weiss Bruno, diesen politischen Farben grundsätzlich eher zugeneigt.

Einschränkungen bis Herbst 2026

Aber Luca ist nicht zu bremsen. Er jammert und flucht.

Beinahe eine Viertelstunde sei er schon in seinem Auto gesessen oder besser: gestanden seien sie in einer Kolonne, bereits vor dem Tiefenbrunnen, wo sie seit Wochen arbeiten. Eine Spur habe es auch wenig später nur noch, und bei der Höschgasse habe er rechts abbiegen wollen, wie immer, wenn er zum Totò fahre, über die Mittelgasse zur Lindenstrasse, direkt vor das Bistro, hoffend auf einen freien Parkplatz, meistens vergeblich.

Aber nichts: Abgesperrt! Mit Gitter! Einfach zu! Er spricht in Ausrufezeichen.

Luca schreit jetzt im Bistro, längst hören alle zu.

Auch nachher, die nächsten möglichen Abbiegungen zum Seefeld, Feldeggstrasse, Färberstrasse, Kreuzstrasse, nirgends könne man mehr rechts abbiegen; gut, das gebe er zu, bei der Kreuzstrasse hätte er es können, das habe er verpasst, weil ein Verkehrspolizist wild mit den Armen ruderte und energisch zum Weiterfahren befahl. Aber bald sei diese Möglichkeit offenbar auch nicht mehr möglich.

Und Luca nimmt ein Blatt Papier aus seiner Tasche, zeichnet auf, während er klagend redet. Er habe dann bis zum Bellevue fahren müssen und natürlich: auch hier eine lange Wartezeit dem Sechseläuteplatz entlang, am Odeon und Terrasse vorbei, um vorne beim Schiffländeplatz wieder zu kehren und über das Limmatquai zurück zur Bellerivestrasse, bald wieder nur noch eine Spur, Luca kritzelt es jetzt mit roter Farbe auf das Papier, macht Striche und Skizzen.

Ja, klar, das sei nun sein Fehler gewesen, er habe bei der Kreuzstrasse links abbiegen wollen, endlich ins Seefeld, aber es sei ein Chaos gewesen, nur noch zwei statt drei Spuren, er auf der ganz rechten, eigentlich hätte er auf die andere wechseln wollen, aber da seien sie eben Auto an Auto gestanden, er habe den Blinker gesetzt, abgebremst, hinter ihm hätten sie sofort gehupt und Lichtzeichen gemacht und Hände verworfen, wie er im Rückspiegel sah, er habe die Spur somit nicht wechseln können, also auf der Bellerivestrasse bleiben müssen. 

Rechtsabbiegen verboten

Und dann: Zurück bis zum Tiefenbrunnen, dort, kurz vor Zollikon, gewendet, wieder wie schon zuvor ein Stau, jetzt aber gleich nach dem Bahnhof rechts abgebogen Richtung Seefeldstrasse.

Luca, immer noch schwitzt er, die Haare nass, sehr erregt, sagt: Von Küsnacht bis zum Totò mehr als eine Stunde und immer im Auto, zuletzt habe er verzweifelt einen Parkplatz gesucht. 

Zwei Doppio, nur für mich, ruft er zu Jasmin an der Bar.

Bruno sagt, er müsse leider gehen, längst an einer Sitzung sein, habe ja nun seit viertel nach acht gewartet.

Treffen wir uns in einer Woche zum Espresso, sagt er Luca noch, vielleicht lädst du dir bis dann endlich ein ZVV-App auf dein Handy. 


*«Espresso» war von 2014 bis 2016 eine Kolumne im «Tages-Anzeiger».
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