Papst am Telefon

Blog-Nr. 395


An Ostern ist Papst Franziskus nochmals vor die zehntausend Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom getreten, hat den Segen Urbi et Orbi gespendet und liess sich dann im offenen Papamobil über den Platz vor dem Petersdom fahren. Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach seiner schweren Lungenentzündung, er war sehr gezeichnet, seine Stimme schwach. 

Und es wurde zu seinem letzten Auftritt. Am Ostermontag um 07.35 Uhr ist Jorge Mario Bergoglio mit 88 Jahren gestorben.

Ein Nachruf

Das ist die Geschichte über Papst Franziskus und wie er manchmal zum Telefon greift.

A
uf meinem Handy leuchtet manchmal «Anonym» auf. Ich weiss dann ziemlich sicher, wer mich sucht. Auch «Unbekannter Anrufer» heisst es manchmal. Aber da habe ich keine Ahnung, und solche Anrufe ignoriere ich, es dürfte bestimmt ein Callcenter sein, das nur irgendetwas, Wein, eine Zeitung oder eine Versicherung verkaufen will.

Leuchtet jedoch «Anonym» auf, dann ist es ein Anrufer aus dem Ausland, ich kenne ihn, «Hallo …», sage ich dann – ich verschweige hier natürlich den Namen, er will ja anonym bleiben.

Eine Geschichte in der stets schönen «Streiflicht»-Kolumne auf der Frontseite der «Süddeutschen Zeitung» hatte mich damals auf dieses Thema gebracht. Es war darin wieder einmal um Papst Franziskus gegangen, der gerne telefonierte und schon viele mit seinen Anrufen überrascht hatte.

Diesmal soll er die Nummer von seinem geistlichen Freund Miguel Dominguez Garcia in Mexico-City gewählt haben, dummerweise war der gerade an seiner feierlichen Messe. In Garcias Hosentasche vibrierte es. Es wurde in diesem Moment in der Kirche gerade gesungen, und so nahm er das Handy hervor, «Anonym» stand auf dem Display, er nahm trotzdem ab und erkannte die Stimme, die er hörte, der Franziskus aus Rom. Er plauderte kurz mit dem Papst,  ehe er sein Handy auf laut stellte und die kirchliche Gemeinde mithören liess.

Diese Leute erkannten natürlich die Stimme sofort – und sollen spontan applaudiert haben.

Ein anderer Pfarrer, Cesa Alejandro Pulchinotta aus Montorio Romano in der Nähe von Rom, soll auch einmal einen Anruf erhalten haben, unbekannte Nummer, aber am Ende der Leitung meldete sich einer mit den Worten: «Ich bin Papst Franziskus» – er wollte sich nur für ein Buch bedanken, das ihm Pulchinotta über einen gemeinsamen Freund geschenkt hatte.


Schon seit jungen Jahren ein Fan von Atlético San Lorenzo de Almagro.


Oder Stefano Cabizza, ein Internatsschüler aus Padua, grosser Fussballfan. Er hatte dem Papst einen Brief geschrieben – und dann läutete Wochen später sein Mobiltelefon: «Hallo, hier ist Papst Franziskus». Er habe ihm sofort das Du angeboten, und viele Minuten lang hätten sie geplaudert, gelacht und auch über Fussball geredet. Auch über Diego Maradona, über den der Papst einmal in einem Interview mit der «Gazzetta dello Sport» gesagt hatte, er sei ein Dichter auf dem Rasen, aber ein schwacher Mensch.

Oder dieser Anruf, damals im Sommer 2013, Daniel Del Regno ist der Sohn eines Kioskinhabers mitten in Buenos Aires, und er hatte am Telefon gehört: «Ich bin es wirklich, der Kardinal Jorge, ich rufe aus Rom an.»

Del Regno wusste natürlich, wer Jorge war, Jorge Mario Bergoglio, er hatte ihm während Jahren täglich die Zeitung «La Nacion» nach Hause gebracht. Aber der Erzbischof hatte inzwischen eine Dienstreise nach Rom angetreten, wegen Umzug komme er jetzt aber nicht zurück, soll er am Telefon gesagt haben, und er müsse das Abonnement leider kündigen.

Aus dem Erzbischof war zwei Wochen zuvor ein Papst geworden, Papst Franziskus, der 266. in der Kirchengeschichte, der erste Franziskus.  Del Regno wusste das selbstverständlich, aber er konnte nicht glauben, dass dieser nun persönlich anruft und sich nochmals für die prompte Lieferung herzlich bedankt. Er war fassungslos. Franziskus wohnte in der Nähe in einer kleinen Wohnung.

Seither war er übrigens nie mehr nach Argentinien zurückgekehrt.

Und ich dachte, als ich vor fünf Jahren diesen Text geschrieben hatte: Was mache ich jetzt, wenn das nächste Mal bei einem Anruf auf meinem Handy «Anonym» erscheint? Bisher war ich doch sicher, ich konnte den Anrufer direkt mit dem Namen ansprechen, ich irrte mich nie, anonym kann nur er sein, «Hallo …», sage ich, oder «Schön, dass du anrufst».

Aber jetzt, wenn wieder einmal «Anonym» erscheint? schrieb ich damals. Zögere ich dann vielleicht, denn es könnte ja sein – keine Ahnung, weshalb zwar, ich hatte ihm noch nie einen Brief geschickt oder Buch geschenkt, katholisch bin ich auch nicht. Aber offenbar, so erfuhren wir, rief der Mann aus dem Vatikan plötzlich irgendwelche Leuten an.

Der Papst mit dem Fussballpapst

Ich weiss, Fussballfans sind beide, Franziskus war zwar als Kind nur Torhüter und unbegabt, weil er sich nicht gerne bewegte und langsame Beine hatte, wie er einmal sagte. Deshalb liess er sich als Kind jeweils ins Tor stellen, aber das sei eine grossartige Schule für das Leben gewesen. «Als Goalie muss man bereit sein, auf Gefahren zu reagieren, die aus allen Richtungen kommen.

Er hatte einen Lieblingsclub, den 15-fachen argentinischen Meister Atlético San Lorenzo de Almagro aus Buenos Aires. Schon als Neunjähriger durfte er mit seinem Vater erstmals ins Stadio El Gasometro, er wurde dort Mitglied-Nummer 88'235N, zahlte seine Beiträge, und das Stadion heisst inzwischen «Estadio Papa Francisco.» 2013, im Jahr als Franziskus zum Papst ernannt wurde, ist der Klub erneut Meister geworden. Vielleicht waren seine göttlichen Hände im Spiel. Er wurde dann Ehrenmitglied.

Der andere übrigens, mit den Anrufen bei denen «anonym» aufleuchtet, ist von einem anderen Fussballklub, auch sehr erfolgreich.

Papst Franziskus ist an diesem Ostermontag gestorben, 88-jährig.

Es gäbe Dinge, die keine künstliche Intelligenz ersetzen könne, zur Rettung des Menschen brauche es «Poesie und Liebe», sagte er einmal. Ein schöner letzter Gedanke.



Eine nächste musikalische  Lesung 21. August
im Garten  bei «Culture Time» in Winterthur 



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