Wie damals, als Kinder
Blog-Nr. 368
Ach, ich weiss noch genau die Zeit, ich sah auf die Uhr, 14.58 an diesem Donnerstag, ich lag auf dem Bett und las ein Buch, «Mittwoch am Meer» von Alexander Oetker, von der grossen Liebe in einer kleinen Pension am Meer, und ich sah zum Fenster hinaus, das andere Seeufer war verhüllt, es fielen dicke Flocken vom Himmel, immer mehr, immer dicker, sie kamen nicht überraschend, sie waren angekündigt seit Tagen, aber manchmal wird viel angekündigt und es stimmt dann nicht.
Damals als Kind, die Rosenstrasse in Küsnacht wurde gesperrt für den Verkehr und nicht gepfadet, und wir zogen unsere Davoser Schlitten hinauf und rasten hinunter, und unten, bei der Zürichstrasse, wo die Autos fahren durften, es waren noch viel weniger als heute, hatte es Sandsäcke, und wir fuhren in diese und manchmal schoben wir sie damit auf die Strasse, ein Polizist stand da und schimpfte und wir entschuldigten uns, es wäre halt so schnell gewesen, und liefen wieder die Strasse hoch.
Ach, die Wiese vor dem Haus, die Bäume, bald die Trottoirs auf der Seestrasse, sie waren weiss, es schneite und schneite und wurde langsam dunkler, und bei der Strassenbeleuchtung, die schönen Tina-Turner-Golden-Twigs waren noch nicht montiert, sah man sie besonders gut, diese dicken Flocken. Ach, wie schön. Ein Wintermärchen.
Damals, wir hatten in einem Bauernhaus in Morgarten am Ägerisee eine Ferienwohnung, und wir Kinder machten auf dem kleinen Hügel nebenan eine Piste, vielleicht 100 Meter lang, zwei Kurven, eine tückisch, knapp an einem Baum vorbei, sonst schnurgerade, Steilhang wäre übertrieben, so steil war es nicht, zuletzt über eine kleine Brücke, den Schnee hatten wir mit der Schaufel hart gepresst, eine Piste fast wie eine Bobbahn, und wir riefen dem Bauer, er solle unten beim Hause seine Stoppuhr drücken, wenn wir oben unseren Stock hoch halten, wären wir bereit, wir rasten manchmal in tiefer Hocke nach unten, und der Bauer stoppte nicht, weil er unseren hochgehobenen Stock nicht gesehen hatte, und wir mussten wieder hoch stampfen, Skis auf dem Rücken, mühsam war es, aber lässig, die Zeiten notierten wir auf einen Zettel, es gab immer eine Tages-Rangliste.
Ach, abends in der Stadt, im Tram gab es immer wieder Durchsagen, diese Busse würden nicht fahren, und auch einige Tramlinien fielen aus, durch das Fenster sah man einige, die auf ihren Velos durch die Strassen fuhren – haben die Spikes? –, einer zog gar einen Schlitten, und einige waren nicht winterlich gekleidet, sondern elegant, sie liefen zur Bahnhofstrasse, «Lucy» ist das Ereignis und Champagner wohl der Drink.
Damals, 1963, der See war zugefroren, von Schmerikon bis Zürich, ein Tummelplatz für alle, auch für Kamele und Elefanten vom Circus Knie, und dann fiel in einer Nacht soviel Schnee, dass es zu gefährlich wurde, die Last zu gross, der Tummelplatz über dem zugefrorenen Wasser musste für einige Tage gesperrt werden.
Damals als Kind, die Rosenstrasse in Küsnacht wurde gesperrt für den Verkehr und nicht gepfadet, und wir zogen unsere Davoser Schlitten hinauf und rasten hinunter, und unten, bei der Zürichstrasse, wo die Autos fahren durften, es waren noch viel weniger als heute, hatte es Sandsäcke, und wir fuhren in diese und manchmal schoben wir sie damit auf die Strasse, ein Polizist stand da und schimpfte und wir entschuldigten uns, es wäre halt so schnell gewesen, und liefen wieder die Strasse hoch.
Ach, die Wiese vor dem Haus, die Bäume, bald die Trottoirs auf der Seestrasse, sie waren weiss, es schneite und schneite und wurde langsam dunkler, und bei der Strassenbeleuchtung, die schönen Tina-Turner-Golden-Twigs waren noch nicht montiert, sah man sie besonders gut, diese dicken Flocken. Ach, wie schön. Ein Wintermärchen.
Damals, wir hatten in einem Bauernhaus in Morgarten am Ägerisee eine Ferienwohnung, und wir Kinder machten auf dem kleinen Hügel nebenan eine Piste, vielleicht 100 Meter lang, zwei Kurven, eine tückisch, knapp an einem Baum vorbei, sonst schnurgerade, Steilhang wäre übertrieben, so steil war es nicht, zuletzt über eine kleine Brücke, den Schnee hatten wir mit der Schaufel hart gepresst, eine Piste fast wie eine Bobbahn, und wir riefen dem Bauer, er solle unten beim Hause seine Stoppuhr drücken, wenn wir oben unseren Stock hoch halten, wären wir bereit, wir rasten manchmal in tiefer Hocke nach unten, und der Bauer stoppte nicht, weil er unseren hochgehobenen Stock nicht gesehen hatte, und wir mussten wieder hoch stampfen, Skis auf dem Rücken, mühsam war es, aber lässig, die Zeiten notierten wir auf einen Zettel, es gab immer eine Tages-Rangliste.
Ach, abends in der Stadt, im Tram gab es immer wieder Durchsagen, diese Busse würden nicht fahren, und auch einige Tramlinien fielen aus, durch das Fenster sah man einige, die auf ihren Velos durch die Strassen fuhren – haben die Spikes? –, einer zog gar einen Schlitten, und einige waren nicht winterlich gekleidet, sondern elegant, sie liefen zur Bahnhofstrasse, «Lucy» ist das Ereignis und Champagner wohl der Drink.
Damals, 1963, der See war zugefroren, von Schmerikon bis Zürich, ein Tummelplatz für alle, auch für Kamele und Elefanten vom Circus Knie, und dann fiel in einer Nacht soviel Schnee, dass es zu gefährlich wurde, die Last zu gross, der Tummelplatz über dem zugefrorenen Wasser musste für einige Tage gesperrt werden.
Ach, Zürich war jetzt wie St. Moritz oder Zermatt, in Weiss gehüllt, bei jeder Tramhaltestelle standen viele Leute, schauten auf die Anzeigetafel, und sie sahen, dass die Trams, wenn sie überhaupt kamen, sehr viel verspätet waren, und im Bahnhof Stadelhofen war der ganze Fahrplan durcheinander geraten, aus 14 Minuten Verspätung wurden bei einigen Zügen bald 21, dann 38, einige jammerten über die SBB, die sei ja wie die deutsche Bahn, die meisten aber blieben gelassen, lächelten, umarmten sich halt etwas länger, Abschiede, die sich hinauszögern, haben ja auch etwas Schönes.
Damals, wir wollten tschutten, auf einer Wiese im Dorf, mit einem weissen Ball mit schwarzen Punkten, er war so in, aber wir sahen ihn gar nicht im Schnee, und wir versanken sowieso im tiefen Boden, statt einem Spiel wurde es bald eine Schneeballschlacht
Ach, Mitternacht vorbei, die S 16 war doch noch gekommen, irgendwann, und Erlenbach hätte eine einzige Langlaufloipe sein können, alle Strassen zugeschneit, keine Spuren mehr oder nur vereinzelt, auch auf der Seestrasse, einer fuhr auch hier noch mit seinem Velo, vergnügt, er pfiff ein Lied in der Stille der Nacht, es schneit weiter.
Damals, wir wollten tschutten, auf einer Wiese im Dorf, mit einem weissen Ball mit schwarzen Punkten, er war so in, aber wir sahen ihn gar nicht im Schnee, und wir versanken sowieso im tiefen Boden, statt einem Spiel wurde es bald eine Schneeballschlacht
Ach, Mitternacht vorbei, die S 16 war doch noch gekommen, irgendwann, und Erlenbach hätte eine einzige Langlaufloipe sein können, alle Strassen zugeschneit, keine Spuren mehr oder nur vereinzelt, auch auf der Seestrasse, einer fuhr auch hier noch mit seinem Velo, vergnügt, er pfiff ein Lied in der Stille der Nacht, es schneit weiter.
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Mitternächtliche Velofahrt |
Damals, als wir Kinder in der Nacht aufgestanden sind und die Vorhänge öffneten und wissen wollten, ob es schon schneite, weil die Mutter gesagt hatte, der Schnee komme, und er kam immer noch nicht, auch um vier noch nicht, aber am Morgen lag er da, und wir liefen und hüpften fröhlich zur Schule, fröhlich wie sonst nie.
Ach, wie schön war es, auch am anderen Morgen, am Freitag, alles war weiss, die Welt sanfter und leiser, die Gesichter der Menschen in der Stadt, nicht nur derjenigen der Kinder, entspannter, nicht alle, aber viele, fröhlicher und gelassener, man redete miteinander, über den Schnee, das Chaos, wie schön es doch sei, endlich, Schnee im November und gleich soviel. Die Welt war friedlich, in diesem Moment.
Und eben, mit den vielen Erinnerungen, wie es doch war, damals, als Kinder. Und wir uns jetzt wieder so fühlten, wie Kinder, ach.
Eine Woche später ist nichts mehr davon zu spüren, der letzte Schnee geschmolzen, und in den Nachrichten reden sie nicht mehr vom Winterchaos, von gesperrten Strassen und ausgefallenen Buslinien und Rekordhöhen von Schnee, 45 Zentimeter in Luzern, noch nie wären soviel gemessen worden.
Und ich denke, noch träumend mit den dicken Flocken vor Augen, dieser wunderbaren Stimmung, der weissen Poesie und den Bildern von damals als Kind im Kopf: Wenn die ganze Welt plötzlich unter einer riesigen Schneedecke läge und zugedeckt würde, ganz Russland, die ganze Ukraine, im nahen Osten, im Sudan, in Somalia, Burkina Faso, Mali, überall dort, wo Kriege geführt werden, wenn dort viele meterhohe Schneemassen alles versperren würden, dann könnten doch keine Panzer mehr fahren, die Bomben und Drohnen nicht fliegen, die Gewehre wären zugefroren, die Soldaten würden im Boden versinken.
Eine Schneeballschlacht, das ginge noch.
Und ich denke, noch träumend mit den dicken Flocken vor Augen, dieser wunderbaren Stimmung, der weissen Poesie und den Bildern von damals als Kind im Kopf: Wenn die ganze Welt plötzlich unter einer riesigen Schneedecke läge und zugedeckt würde, ganz Russland, die ganze Ukraine, im nahen Osten, im Sudan, in Somalia, Burkina Faso, Mali, überall dort, wo Kriege geführt werden, wenn dort viele meterhohe Schneemassen alles versperren würden, dann könnten doch keine Panzer mehr fahren, die Bomben und Drohnen nicht fliegen, die Gewehre wären zugefroren, die Soldaten würden im Boden versinken.
Eine Schneeballschlacht, das ginge noch.
Schön isches gsi....
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