Chloote!!!

 
Trauer

Dieses Bild! Es sagt alles.

Mittwochabend, kurz vor elf, ich sass vor dem TV, habe mit meinem Sohn SMS hin und her geschickt, Wörter gebraucht, die ich sonst kaum je ausspreche, rohe Kraftausdrücke, keine schönen Wörter, ich habe gelitten, er auch, fürchterlich gelitten, habe aufgeschrien und geflucht und gehofft und gezittert und gejammert - und am Ende: nur noch Leere. Stille. Trostlosigkeit. Wie auf diesem Bild.

Und ich fragte mich: Spinnst du? Wegen Chloote, wegen dem EHC, diesem Eishockeyclub, weshalb bedeutet dir das so viel und kann ein Verein deine Gefühlswelt an einem Abend im April so beeinflussen?

Wie man Fan wird, ist ja meistens eine rätselhafte Geschichte, wie vieles im Leben. Ein einziger Moment, eine Begegnung, und man ist gefangen von etwas und jemandem, das ist in der Liebe so, und irgendwie ist Fan-Sein auch Liebe, eine Beziehung mit allem, was dazugehört, Spass und Schmerz, Freude und Leid.

Fassungslos: Kloten-Trainer Per Hanberg

Aber Chloote? Ich komme vom See, und Kloten war ja nur der Ort, von dem man in die weite Welt hinausflog, sonst nichts, eigentlich weit weg, das Hallenstadion wäre ja näher als der Schluefweg, wie das Stadion damals hiess und heute wieder heisst.

Irgendjemand hatte mich einmal mitgenommen, ich war kein Jugendlicher mehr, es war anfangs der neunziger Jahre, Chloote war erfolgreich, von einem Eisballett wurde geschrieben, die beste Mannschaft der Welt, zumindest der Schweiz. Damals. Aber es war nicht deshalb, es war dieses oben unter dem Tribünendach offene Stadion, diese besondere Atmosphäre,
 es war oft bitterkalt, ein ständiger Durchzug, der Wein, den man zur Pause trank, fast Eis, als Ort der Toilette blieb der nahe Wald dahinter.

Und dann diese Nummer 24, dieser Stürmer mit den wehenden Haaren, der so schnell war und viele Tore schoss, auch ich sagte bald nur noch Fige, er war der Dorfkönig auf dem Eis, Felix Hollenstein. Und später dann dieser finnische Zauberer mit dem Stock, der ebenfalls viele Tore schoss, aber eigentlich lieber einen Mitspieler suchte, dem er noch den Puck zuspielen könnte, um nicht selber schiessen zu müssen, Kimmo Rintanen.

Entfesselt: Reporter von «Chloote Radio»

Fan-Sein zu einem Klub heisst bei mir eigentlich immer eine besondere Beziehung zu Menschen zu haben, auch solchen, die man persönlich kaum kennt.

Aber Chloote? Es begann, eben zufällig, weil mich jemand mitnahm, mit Menschen und blieb es bis jetzt, auch wenn ich keinen Menschen von heute mehr kenne und seit vielen Jahren nie mehr im Stadion war. Mein Sohn, auch ansteckt mit dieser Liebe, und ich litten aus der Ferne, in den letzten Jahren besonders.

Am Freitag berichtete die NZZ auf einer ganzen Seite über den EHC, und Daniel Germann, dessen Texte ich immer gerne lese, schrieb, der Klub sei eine Art potemkinsches Dorf, in dem die vergangenen Erfolge als Kulisse einer Illusion dienen, der die Basis längst entzogen worden ist.

Deshalb, so Germann, bleibe der EHC Kloten lieber für immer in der zweithöchsten Liga der Schweiz, er lebe besser dort.

So etwas schreibt man nicht über Chloote. Ich will leiden und hoffen und komische Wörter schreiben wie am Mittwochabend. Auch wenn nachher nur noch Leere ist. Wie auf dem Bild.
 
 
 
 
(Quelle Youtube)

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