Ein Spalt Licht
Blog-Nr. 365
Sanft sind die Wellen, wie eine leise Sinfonie von Beethoven, es ist fast windstill, und es hat keinen Menschen, hier, am kilometerlangen Strand Es Trenc auf der Insel Mallorca, wo im Sommer viele Hunderte, an Wochenenden Tausende im Sand liegen und im Meer baden.
Der Himmel kann sich noch nicht entscheiden, auf der einen Seite blau, auf der anderen grau, aber plötzlich, eine halbe Stunde später, ist es dunkel geworden, schwarz beinahe, und weiter weg, in Colònia de Sant Jordi am anderen Ende des Strandes, muss, man spürt es noch nicht, sieht es aber, der Regen niederprasseln, es ist eine gespenstische Stimmung.
Sie passt zu diesem Tag, es ist Mittwoch, dieser schwarze Mittwoch, der unsere Welt noch düsterer macht, und drüben über dem Teich, weit weg, triumphiert einer mit seiner roten Kappe, mit dessen Namen die Tasten meines Mac nicht beschmutzt werden sollen, dieser Rentner mit den gelben Haaren und dem kargen Wortschatz und den schlecht sitzenden Anzügen, das optisch eher peinlich berührende Kleinkind im Rentenalter, wie eine deutsche Autorin schreibt.
Und auch bei uns, auch in der Schweiz, jubeln andere mit ihm, diese Namen stehen hier ebenfalls nicht, sie erzählen, was für ein Glück er sei, für Amerika, für uns. Er sei das Comeback des Jahrhunderts, und die Welt werde hoffentlich friedlicher mit ihm.
Es bleibt dunkel am Strand, ein kleines Kind kommt mit seiner Mutter, es spielt mit dem Ball im Sand, es weiss nichts von diesem schwarzen Mittwoch, es ist unbeschwert und glücklich, ein Morgen im November am Meer, weit weg von allem. Aber im Kopf sind eben diese Gedanken, wie hunderttausende Kinder, gar nicht so weit weg von hier, leiden müssen und verängstigt sind durch die lauten Bomben und Raketen, die in ihrer Nähe niederfallen. Und einige, die dafür verantwortlich sind, strecken ihm jetzt die Hand entgegen, diesem Betrüger, der jetzt wieder der mächtigste Mann der Welt ist.
Mir kommt ein Lied in den Sinn von einem, den ich in den letzten Tagen oft hörte, weil seine brüchige Stimme so gut tut, 90 wäre er kürzlich geworden, und 1992 schon hat Leonard Cohen dieses Lied geschrieben, «Anthem.» Die Vögel, die bei Anbruch des Tages singen – und auch jetzt, an diesem Mittwochmorgen fliegen einige über das Wasser – stehen für einen neuen Tag und eine neue Chance.
«Läutet die Glocken, die noch klingen können/
Vergesst eure perfekten Gaben/
Es gibt einen Riss in allem/
So kommt das Licht herein»
So dichtet Cohen. Und plötzlich gibt es auch im Himmel über dem Es Trenc einen blauen Streifen, nur zart wie die Wellen, die immer noch wie eine Sinfonie zum Ufer gleiten. Das kleine Kind rennt im Sand weiter dem Ball nach.
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