Messe mit Cave

Blog-Nr. 362

 

Ein Abend im Hallenstadion


 

Was bleibt?


Diese Bilder. Diese Arme, die sie ihm entgegen strecken, jene, die ganz vorne bei der Bühne stehen und nahe bei ihm sind, von jenen aber auch weiter hinten, und eigentlich tun es alle in der grossen Halle, wenigstens gefühlt scheint es so, und er streckt uns seine Hände entgegen, er sucht Halt und gibt Halt, immer wieder. Ein Suchender. Und immer wieder Zweifelnder.

Und das: Wie er singt und spielt (auf dem Klavier) und schreit und stampft und beschwört und tobt und fleht und wütet und hüpft und tanzt, zweieinhalb Stunden lang.

Diese Kraft, diese Energie, diese Emotionen, diese Ekstase, diese Lieder und Geschichten über Trauer, Tod, Tragödie, Verlust, Liebe, Sehnsucht, Verzweiflung und Erlösung. Und auch Träume, die man nicht aufgeben soll.

Düster vieles, vor allem in den alten Liedern, aber auf seinem neuen Album «Wild God» will er auch wieder Freude zulassen in seinem bewegten Leben mit vielen Brüchen und zuletzt privaten Tragödien, dem Verlust von zwei seiner Kinder. 

 

Kraft, Energie und Emotionen

Nick Cave, der 67-jährige Australier am Dienstagabend im Hallenstadion, wie immer in einem edlen dunkelgrauen Anzug mit Krawatte  – er ist ein Ereignis und es ist ein Erlebnis, ein gewaltiges Konzert, mit krachender Musik, aber auch Stille, zwischen Himmel und Hölle, wir fühlen uns im Dunkeln und sehen doch wieder das Licht, beides bringt er uns nahe. Auch wieder Momente des Glücks. Er glaubt wieder an das Leben und auch die Liebe. Die Musik hilft.

Er, Cave, und seine grossartige Band, The Bad Seeds, auf seiner neuen Tournee mit einem vierköpfigen Gospelchor, in Zürich ohne den im Seefeld aufgewachsenen Schlagzeuger Thomas Wydler.

Zuletzt, bei der Zugabe und dem 22. Lied, ist Nick Cave alleine auf der Bühne, spielt  am Klavier «Into my Arms», vor bald 30 Jahren hatte er es geschrieben, gewidmet als eine Liebeserklärung an eine langjährige Lebenspartnerin. Es heisst darin:

«Und ich glaube nicht an die Existenz von Engeln/Aber wenn ich dich ansehe frage ich mich, ob das stimmt/Wenn ich daran glauben würde, würde ich sie für dich zusammenrufen/Und sie fragen, ob sie über dich wachen/Jeder Engel soll eine Kerze für dich anzünden/Um deinen Weg hell zu erleuchten/Damit du gehst wie Jesus Christus, mit Anmut und Liebe/Und dich in meine Arme führen.»


Er glaube an die Liebe, und er glaube, wir würden es auch tun. Ein wunderbares Ende eines wunderbaren Abends. «You’re beautiful», Cave singt und schreit es im Konzert immer wieder zum Publikum, bis er fast heiser ist, es erscheint auch geschrieben auf einem Screen, manchmal ist seine Stimme fast wehleidig. Die Welt ist traurig genug, sie soll auch schöne Seiten haben. «Bring your spirit down.» Wir hören es nicht nur, frohlockend, wir können es auch lesen.

 

Halt geben und Halt finden

 «I need you», auch ein Song an diesem Abend, er singt ihn vor allem für seine beiden Söhne, die noch leben. In einem anderen Lied fragt Cave, wie Gott das Leid dieser Welt zulassen könne. In «Joy» auf seinem neuen Album heisst es: «We’ve all had too much sorrow, now is the time for joy.»

Kummer und Freude an einem Abend. Sie strecken ihm die Hände entgegen. Es wirkt manchmal wie eine Messe.

 

Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge» 
 auf Facebook folgen und lesen.

 

 

 

 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!