Ciao Baby oder Ball

Blog-Nr. 348



Wie sagt man Ciao Baby, Ciao, das Lied von Dabu Fantastic geht durch den Kopf, es handelt darin vom Ciao-Sagen in der Liebe, «wie seit mer ciao nach all’m wo isch gsi»

Es geht aber hier nicht um diese Liebe wie im Lied, die romantische oder eben verlorene  – oder doch: Es geht auch um Liebe, um etwas, das ein Leben bestimmt hat, oder einen längeren Teil des Lebens, und auch etwas, das man liebte, als Fussballer.

Fussballer, die sagen, es sei jetzt Zeit zum Aufhören. Es gab einige in letzter Zeit, Kroos, Sommer, Shaqiri, Müller, Gündogan, nach einigen Wochen der Bedenkzeit, schrieb er,  eine gewisse Müdigkeit habe ihn zum Nachdenken gebracht. Und zuletzt noch Neuer, der Torhüter, wohl der Beste, den Deutschland, das Land der vielen starken Torhüter, je hatte. 38 ist er, irgendwann musste der Tag ja kommen, sagte er,  sitzend auf einem Barhocker via seinen Instagram-Kanal.

Und wie im Leben, in der romantischen Liebe, die eine verlorene wurde, weiss man selten, wie es war, beim letzten Mal, als man sich noch geliebt hatte, weil man nicht ahnte, dass es das letzte Mal ist.

Oder eben: Den Ball, den letzten, nochmals gespielt oder gehalten hat.

Einer wusste oder ahnte es an diesem Freitagabend in Stuttgart, Toni Kroos. Sein letzter Ball mit der deutschen Nationalmannschaft, sein allerletzter als Spieler, mit seinem Klub Real Madrid hatte er sein letztes Spiel bereits gespielt (und gewonnen, die Champions League).

Noch ein letzter Ball: Toni Kroos

Noch ein Ball also, es ist der EM-Viertelfinal Deutschland gegen Spanien, in der Verlängerung der Verlängerung, der 124. Minute, ein Freistoss, eine allerletzte Chance. Kroos massierte sich seine von Krämpfen befallenen Beine, konnte kaum mehr gehen, war am Ende seiner Kräfte, er nahm den Ball, zärtlich, als wüsste er, dass es sein Abschied ist von ihm, er legte ihn auf den Rasen, mit viel Liebe und Gefühl, tausende, zehntausende solche Bälle hat er schon geschossen, viele führten zu Toren.

Diesmal nicht. Deutschland schied aus.

Kroos steht nachher in Stuttgart abseits auf dem Rasen des Neckarstadions, sucht die Einsamkeit, niemand in seiner Nähe, von weitem sind seine Augen nicht zu sehen, aber seine Haltung, seine Gestik, die Hände in die Hüfte gestützt, den Kopf leicht gesenkt, der Blick irgendwohin, verraten es auch: Wehmut, Trauer, es sei eine grosse Leere gewesen, sagt er nachher.

Tags darauf in Düsseldorf, wieder Viertelfinal, Schweiz gegen England, Elfmeterschiessen. Der letzte Engländer an der Reihe, alle haben zuvor getroffen, Akanji, der Schweizer, nicht, jetzt steht Trent Alexander Arnold vor dem Ball, Yann Sommer elf Meter entfernt im Tor, er muss ihn halten, sonst …

Er hält auch diesen nicht, die Engländer jubeln, die Schweizer trauern.

Auch Yann Sommer bleibt nachher noch lange auf dem Rasen im Waldstadion. Er winkt den vielen Fans in Rot zu, sie rufen seinen Namen, es wird langsam Nacht über Frankfurt, er weiss aber in jenem Moment nicht, dass er es ein letztes Mal ist, Torhüter der Nationalmannschaft.

Sechs Wochen später sitzt er in einem Hotel am Zürcher Flughafen, schwarz gekleidet, gibt seinen Rücktritt, stilvoll, wie es zu ihm passt, nie mehr für die Schweiz, nach 94 Länderspielen. Er hat auf den sozialen Medien auch ein Video verbreitet, es zeigt ihn darin, wie er in einem Fotoalbum blättert, Bilder einer Karriere, er lächelt manchmal oder schmunzelt, jetzt ist alles nur noch Erinnerung. Am Ende des Filmes steht er auf einem Balkon, schaut in die Ferne, in eine neue Zukunft, er ist nicht mehr die Nummer 1 der Schweiz.

Jetzt nur noch Küsse in rotblau: Xherdan Shaqiri

Am gleichen Abend steht Xherdan Shaqiri auf einem Balkon in Basel, lässt sich feiern. Mehr als Tausend jubeln ihm von unten vor dem St.-Jakob-Park zu, er winkt strahlend und Shaqiri-spitzbübisch und verspricht wieder schöne Zeiten mit ihrer gemeinsamen rotblauen Liebe, vom Chübel, den sie wieder holen wollen, vom Barfi, dem Barfüsserplatz, wo sie dann feiern werden. Auch er hatte, kürzlich an einem Morgen auf Instagram und für alle überraschend, seinen Rücktritt im Nationalteam gegeben, aber wie Sommer macht er im Klub weiter, Sommer in Mailand, Shaqiri zurück in seinem Basel.

Bei ihnen also noch nicht ganz Ciao Baby (oder Ball), Ciao.

Bei Kroos, 34, stimmt es, er hatte alles so geplant und seit langem im Kopf; bei Sommer, bald 36, und Shaqiri, bald 33, scheint es zu stimmen, mit dem Nationalteam, im Kopf hatten sie es aber nicht, erst nach reiflichem Überlegen. Wie auch Gündogan, wie Neuer, wie Müller.

Abschiednehmen ist immer schwierig. Wie etwas beenden?

Dabu Fantastic singen es so:

«Git mer sich d Hand, hebt mer sich fescht/Oder küsst mer sich nomal/
Wie seit mer ciao, wänn's ändgültig isch/Seit mer ciao Baby, ciao/Ciao Baby..»

Ciao Ball.

Dabu Fantastic mit «Ciao Baby, Ciao» (Youtube)



Hinweis,  Sonntag, 1. September

Musikalische Lesung mit Fredy Wettstein (seine Kolumnen, Texte, Gedichte) und Lukas Langenegger (Songs von Stephane Eicher, den Beatles, Cohen, Dylan, Züri West, Elvis, Hank Williams, Mani Matter

Ort: C.G.-Junginstitut be der Zehntentrotte in Küsnacht, Hornweg 28.

Von 18 Uhr bis ca 20 Uhr. Türöffnung 17 Uhr. Es gibt Wein, Bier, Wasser, Kaffee und kleines als Verpflegung. - Eintritt 20 Franken.



Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge» 


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