Philosoph auf dem Fahrrad
Blog-Nr. 329
Er ist der, den die «New York Times» als «Philosophen vom Schwarzwald» und als «soziales Gewissen des deutschen Fussballs» beschrieben hat.
Er sagte darüber, das seien alles viel zu grosse Begriffe, denen er nicht gerecht werden könne.
Er hat sein Studium mit 28 Jahren begonnen, Germanistik und Geschichte, weil er die deutsche Katastrophe verstehen wollte, das Thema Nationalsozialismus habe ihn aufgewühlt, seit er zehn oder elf war.
Er sagte, der Fussball sei längst entromantisiert. Aber das Spiel habe sich überlebt, es sei zu gross, so archaisch, so einfach, so vielfältig, so unmittelbar. Fussball sei eines der schönsten Dinge, die er im Leben machen durfte. «Dieses Gefühl mit dem Ball, er gehorcht dir, dieses runde Ding. Du kannst mit dem Ball tanzen, weil du das so oft geübt hast. Dieses Gefühl ist schön»
Er sagte, in welchem Beruf, ausser bei dem des Trainers, werde man bei seiner Arbeit, dem Spiel, ständig gefilmt und beobachtet, wie man sich verhält. Er habe gewusst, er werde zu Tode fotografiert, und es sehe nicht gut aus, wenn er am Spielfeldrand manchmal so wild, unkontrolliert und verrückt wirke. Mit fletschenden Zähnen, weit aufgerissenen Augen, fuchtelnd mit den Armen und glühend vor Wut, meistens über Schiedsrichter, und schreiend ist er dann zu sehen. Er spricht sich für ein Grundrecht auf Emotionen auf deutschen Trainerbänken aus.
Er sagte, klar, es werde schnell geschimpft über den Einfluss von Scheichs, den Arabern oder von China auf uns und unseren Sport. Aber was hätten wir im Westen zwei-, dreihundert Jahre getan? Woher seien die ganzen Eroberungszüge gekommen, bei denen Länder unterworfen und ausgebeutet wurden? Aus Europa, aus Deutschland, Portugal, Spanien, England.
Er liest viel, gerne Romane, schon als Kind habe er immer gelesen, das sei wie Zähneputzen und Abendessen gewesen. Wenn er lese, dann betrete er andere Räume, ein kluger Kopf erzählt mir eine Geschichte, und ich vergesse alles andere.
Er fährt, wenn immer möglich, Fahrrad, das tue gut, «dann weht der Wind durch den Kopf».
Er sagt jetzt, mit dem Fahrrad durch Deutschland zu fahren wäre toll, er kenne noch ganz viel von Deutschland nicht. Nur praktisch überall Fussballstadien.
Er sagt auch, nur weil er viel Fahrrad fahre, sei er kein besserer Mensch.
Er sagt, dass der Mensch in sich selber eine Gefahr sei, die er immer wieder bekämpfen müsse.
Er ist der, der nach einem verlorenen deutschen Cupfinal in Berlin sagte, «Ich schaff’s ned, mich zu ärgern, erst morge vielleicht», und er ging zur Ecke mit den Fans seiner Mannschaft, verneigte sich immer wieder tief und schickte einige Dutzend Kusshändchen in den Nachthimmel über der Stadt.
Er findet den Klimawandel «schlimm und besorgniserregend»
Er sagt, «wenn es regnet, dann freue ich mich – weil es zu wenig regnet.» Und dann würden auch die Bäume gut aussehen, und er sei glücklich.
Er forderte ganz Deutschland auf, und das Video seiner Rede, viereinhalb Minuten lang, ging durch die ganze Welt, aufzustehen und sich im Familienkreis, in der Arbeit oder sonst wo zu positionieren, ganz klare Kante zu zeigen und beim Protest gegen Rechtsextrimismus mitzumachen. Es soll, sagte er, «keiner hinterher rumjammern, wenn er von einer autoritären, rechtsnationalistischen Gruppierung regiert werde, bei der die freiheitlichen Grundrechte den Bach runtergehen». Er meinte die AfD.
Er sei halt, sagte er, ein Trainer und ein Mensch, der ab und zu etwas sagt zu Dingen, die ihn bewegen würden. Wenn er danach gefragt werde.
Er wurde eben oft gefragt, weil man wusste, er sagt etwas dazu, auf Alemannisch, auch an Orten, an denen eigentlich nur über Fussball hätte gesprochen werden sollen.
Er ist der, über den Uli Hoeness vor sechs Jahren Mal als Trainer für Bayern München nachdachte. Aber ginge das wirklich, er in München in diesem speziellen Umfeld? fragte sich auch Hoeness. Er hätte es sich vorstellen können.
Er ist der, der nach seinem letzten Spiel als Coach im eigenen Stadion einen Fan, der aufs Spielfeld gerannt war und von den Ordnungshütern verfolgt wurde, in den Arm nahm und herzte. Der Mann hatte dann Tränen in den Augen. Über die Stadionlautsprecher hatten sie zuerst Bob Dylan, den er so liebt, und sein «Like a Rolling Stone», und die Rolling Stones mit «The last Time» gespielt. Die Spieler seiner Mannschaft trugen alle ein Leibchen, auf dem geschrieben stand: «Niemals geht man so ganz», viele weinten.
Er redet mit seinen Spielern immer wieder über andere Dinge als nur Fussball, fragt beispielsweise: «Wie geht es dem Papa?, wenn er weiss, dass er ein Problem hat.
Er sagte, als Kind habe er nur an einem Ort Fussball geschaut: In Basel. Am Mittwoch habe die Metzgerei seines Vaters jeweils geschlossen gehabt, und dann seien sie mit dem Auto zur Grenze gefahren und mit dem 14er direkt ins Joggeli. Er hat beim FCB die Generation mit Tanner, Lauscher und von Wartburg erlebt.
Er ist der, über den Joachim Löw kürzlich im aktuellen Sportstudio des ZDF sagte: «Er ist ein liebenswerter Leuchtturm, der nicht nur den Fussball besser gemacht hat.»
Er - das ist Christian Streich. Geboren 11. Juni 1965 in Weil am Rhein. 29 Jahre beim SC Freiburg, die Hälfte seines Lebens, als Spieler, Jugendtrainer, Assistenzcoach und seit 2012 Cheftrainer, so lange wie niemand anders in der Bundesliga. Jetzt hört er auf, am Samstagnachmittag mit dem letzten Spiel mit Freiburg bei Union Berlin in der Alten Försterei in Köpenick.
Er sei halt, sagte er, ein Trainer und ein Mensch, der ab und zu etwas sagt zu Dingen, die ihn bewegen würden. Wenn er danach gefragt werde.
Er wurde eben oft gefragt, weil man wusste, er sagt etwas dazu, auf Alemannisch, auch an Orten, an denen eigentlich nur über Fussball hätte gesprochen werden sollen.
Er ist der, über den Uli Hoeness vor sechs Jahren Mal als Trainer für Bayern München nachdachte. Aber ginge das wirklich, er in München in diesem speziellen Umfeld? fragte sich auch Hoeness. Er hätte es sich vorstellen können.
Er ist der, der nach seinem letzten Spiel als Coach im eigenen Stadion einen Fan, der aufs Spielfeld gerannt war und von den Ordnungshütern verfolgt wurde, in den Arm nahm und herzte. Der Mann hatte dann Tränen in den Augen. Über die Stadionlautsprecher hatten sie zuerst Bob Dylan, den er so liebt, und sein «Like a Rolling Stone», und die Rolling Stones mit «The last Time» gespielt. Die Spieler seiner Mannschaft trugen alle ein Leibchen, auf dem geschrieben stand: «Niemals geht man so ganz», viele weinten.
Er redet mit seinen Spielern immer wieder über andere Dinge als nur Fussball, fragt beispielsweise: «Wie geht es dem Papa?, wenn er weiss, dass er ein Problem hat.
Er sagte, als Kind habe er nur an einem Ort Fussball geschaut: In Basel. Am Mittwoch habe die Metzgerei seines Vaters jeweils geschlossen gehabt, und dann seien sie mit dem Auto zur Grenze gefahren und mit dem 14er direkt ins Joggeli. Er hat beim FCB die Generation mit Tanner, Lauscher und von Wartburg erlebt.
Er ist der, über den Joachim Löw kürzlich im aktuellen Sportstudio des ZDF sagte: «Er ist ein liebenswerter Leuchtturm, der nicht nur den Fussball besser gemacht hat.»
Er - das ist Christian Streich. Geboren 11. Juni 1965 in Weil am Rhein. 29 Jahre beim SC Freiburg, die Hälfte seines Lebens, als Spieler, Jugendtrainer, Assistenzcoach und seit 2012 Cheftrainer, so lange wie niemand anders in der Bundesliga. Jetzt hört er auf, am Samstagnachmittag mit dem letzten Spiel mit Freiburg bei Union Berlin in der Alten Försterei in Köpenick.
Er verabschiedete sich am Freitag in einem Video von den Fans und sagte nochmals, wie aussergewöhnlich dankbar er sei, dass er für diesen grossartigen Verein hätte arbeiten dürfen. Das sei ein riesiges Glück.
Zitate aus: Spiegel, Die Zeit, Süddeutsche, Elf Freunde, FAZ, Die Welt, Stern, Basler Zeitung, ZDF.
Zitate aus: Spiegel, Die Zeit, Süddeutsche, Elf Freunde, FAZ, Die Welt, Stern, Basler Zeitung, ZDF.
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