Ancelottis Rückkehr

Blog-Nr. 323



Zwei Trainer, so verschieden, ein Deutscher, ein Italiener, am Dienstagabend in Allianz Arena in München, Bayern gegen Real Madrid.

Der eine, Thomas Tuchel, der Asket, wird vielleicht wie zuletzt manchmal mürrisch und irgendwie teilnahmslos auf der Bank sitzen, als ginge ihn das Ganze gar nichts mehr an, weil er sich innerlich von diesem Klub bereits verabschiedet hat, oder er wird nochmals, wie früher, wild gestikulierend wie ein nervöses Pferd mit seiner Baseballcap an der Seitenlinie tigern, mit Händen fuchteln und schreien. Sein Körper sagt, das Leben ist hart

Der andere, Carlo Ancelotti, der Genussmensch, wird meist ziemlich gelassen dem Treiben auf dem Rasen zusehen, im edlen Anzug, zwischendurch die Hände in seinen Taschen vergraben, seine Kaugummis bearbeiten, weil er eigentlich lieber rauchen würde, seine Backen aufblasen und, als auffallende Gefühlsregung, seine linke Augenbraue hochziehen. Sein Körper sagt, das Leben ist schön.

Es verbindet sie aber eines: Tuchel und Bayern trennen sich frühzeitig Ende dieser Saison, und auch Ancelotti war in München einmal entlassen worden.

Der eine, Tuchel, sei zu wenig empathisch, der andere, Ancelotti sei damals zu empathisch gewesen; der eine zu distanziert mit den Spielern, zu wenig bereit, auf sie einzugehen, zu rätselhaft oft, sehr verbissen, der andere damals bald einmal zu lieb, zu gemütlich, habe die Spieler zu wenig gefordert, ihnen zu viele Freiheiten gelassen, ihm sei wichtig gewesen, dass sie sich wohlfühlen. Sie nutzten dies aus.

Und irgendwie sind die beiden das Beispiel für die immer wieder komplizierte Geschichte der Bayern mit ihren Trainern? Was für ein Typ ist richtig für diesen Klub, gibt es den richtigen Trainer überhaupt, wenn er nicht Jupp Heynckes oder Ottmar Hitzfeld heisst?

Tuchel – aber damals auch Nagelsmann, der ebenfalls entlassene Vorgänger von Tuchel – war im Herbst 2017, als sie sich nach einem 0:3 bei Paris St-Germain vorzeitig von Ancelotti getrennt hatten, bereits einmal ein Kandidat für die Nachfolge gewesen.

Uli Hoeness schlug aber vor, er könne ja mal seinen Freund Jupp Heynckes anrufen, und der war bereit einzuspringen, zum dritten Mal.

Weil Heynckes, bald 79, der ewige Jupp, sich endgültig auf seinen umgebauten Bauernhof im Schwalmtal am Niederrhein zurückgezogen hat und sich nur noch um seine Frau, seinen Garten mit den Rosen und den Teich mit dem kostbaren Karpfen kümmert, ist jetzt, wo die Bayern verzweifelt einen neuen Trainer suchen, so ein Anruf keine Hoffnung mehr.

Wer also? Xabi Alonso wäre der grosse Wunsch, bleibt aber in Leverkusen, doch wenn die Bayern wüssten, dass der Spanier in einem Jahr bereit wäre, nach München zu kommen, würden sie sofort ja sagen.

Aber dann bräuchten sie ja einen Jupp 2, einen Mann, der bereit ist, als Nothelfer für eine beschränkte Zeit einzuspringen. Wer macht so etwas? Und Ralf Rangnick, ist jetzt nach den Absagen von Alonso und Nagelsmann der Kandidat Nummer 3, kommt jedoch sicher nicht als Übergangslösung. Sebastian Hoeness könnte mal ein Bayern-Trainer sein, später, sein Name macht es aber im Hoeness-Klub nicht einfach.

Vielleicht denken am Dienstag auch einige in der Allianz Arena: Weshalb haben wir damals nicht mehr Geduld gehabt mit Carletto, dem Karlchen, der einmal gesagt hat, er vertrete die nobelpreisverdächtige Theorie, dass nicht die Salami gesundheitsschädlich sei, sondern nur das Messer, er habe in seinem Leben schon einiges vertilgt, aber noch keinen Spieler?

Weshalb haben die Bayern überhaupt nicht mehr Geduld?

Mit einer Kiste Barolo und viel Schinken aus der Emilia-Romagna war Ancelotti im Sommer 2017 in der Villa von Uli Hoeness am Tegernsee erschienen, und es wurde ein langer Abend, viel getrunken und gegessen und gelacht, aber nicht über die ungenügende Entwicklung der Mannschaft gesprochen, das ernste Thema, wegen dem Hoeness seinen Trainer eingeladen hatte.

Einige Wochen später wurde Ancelotti entlassen.

Sein Lieblingsfilm ist übrigens «La vita e bella», und er sagte auch einmal, auf den Fussball bezogen: «Manchmal hast du Glück, manchmal eben nicht.»

Einmal, Ancelotti war Trainer bei Chelsea, rief ihn an einem Sonntagabend seine jetzige Frau Mariann an, er hatte sie erst wenige Tage zuvor kennengelernt, und sie fragte, wie das Spiel gelaufen sei. Nicht so gut, sagte Ancelotti, sie hätten verloren – und ausserdem hätten sie ihn eben entlassen.

Wahrscheinlich hat er dabei seine Augenbraue hochgezogen.



Fredy Wettsteins Blog «Wieder im Auge» 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kuno Lauener und der Fotograf

Besuch bei Mamma

Hoarau – bitte nicht, YB!

Diego (8): «Yanick, Yanick»

Abschied nehmen

Das Flick-Werk

Chaos bei GC

Weite Reisen

Genug ist genug

Chloote!!!