Abschiede

Blog-Nr. 305




Trennungen und Abschiede sind nie einfach, schmerzhaft meistens, sie können wütend machen, verletzend sein, sie verlaufen oft nicht im gegenseitigen Einvernehmen, auch wenn man es so darstellen will, nach aussen hin. Sei es privat, bei Beziehungen, nach einem gemeinsamen Leben, sei es im Beruf, weil die da oben entscheiden, dass bei denen da unten gespart werden muss, sei es im Sport.

Und manchmal gibt es Tränen.

Es gibt zuletzt einige Beispiele, von Trennungen, Abschieden, Rücktritten und Diskussionen, ob man zusammen weitermachen will oder es vielleicht vernünftig wäre, auseinander zu gehen.

Guillaume Hoarau, «der singende Stürmer mit der Gitarre» (NZZ), sei sauer gewesen und wütend, als er, in Bern eine Kultfigur, von den Young Boys 2020 hören musste, dass sie ohne ihn planen, nach sechs Jahren und 118 Toren in 188 Spielen, Hoarau war damals 36. YB war für ihn eine Familie, eine Liebesbeziehung sei es gewesen, und ein Familienmitglied könne man doch nicht einfach so verstossen, fand er. Gekränkt.

Inzwischen ist einige Zeit vergangen, Hoarau war zurückgekehrt in seine Heimat, auf seine Insel La Réunion, fand dort aber nicht, was für ihn einen Ersatz hätte bringen können, hatte depressive Verstimmungen. Heute pendelt er zwischen verschiedenen Welten, trat kürzlich in der Mühle Hunziken in Rubigen als Sänger auf, analysiert im Fernsehen  Fussballspiele, ist mal in Paris, mal in Bern, mal in Zürich. 

Und muss zugeben: Der Entscheid von YB gegen ihn damals könne doch nicht falsch gewesen sein, so, wie sich YB seither entwickelt habe.

Die Tränen von Andy Schmid nach seinem letzten Spiel

Andy Schmid, ein Mozart des Handballsport, sagte, bevor die Europameisterschaft begonnen hatte, in einem Interview mit der NZZ: «Ich bin überzeugt, dass ich ein Jahr zu lange spiele. (...) Ich wusste schon länger, dass ich den richtigen Zeitpunkt nicht treffen würde. Auf dem Höhepunkt will niemand abtreten, wenn man am Boden liegt, aber auch nicht.»

Es kam die EM, im ersten Spiel, gegen die Deutschen, war Schmid schwach, viele sagten, er sei halt doch zu alt, mit bald 41; in den nächsten beiden Spielen zeigte er nochmals, welch aussergewöhnlicher (Hand-)Ballpoet er ist. Und dann, nach dem letzten Spiel, seinem allerletzten, wie man jetzt weiss, sass er nachher minutenlang in einer Ecke in den Katakomben der Berliner Handballarena und weinte; er habe, sagte er, schon vorher in den letzten Minuten des Spiels gegen Nordmazedonien nur noch Tränen im Gesicht gehabt. Wehmut sei ein schwaches Wort für seine Gefühle in diesem Moment.

Seine grosse Liebe, den Handball, verliert er aber nicht. Andy Schmid wird jetzt Schweizer Nationaltrainer.

Bei einem zweiten YB-Spieler kam es zuletzt zu einer wenig harmonischen Trennung. Mit Jean-Pierre Nsame, auch eine Klublegende mit grossen Verdiensten, dreimal hintereinander bester Torschütze in der Super League, fünfmal Meister, wurde man bei den Gesprächen nicht einig über die Zukunft, YB wollte nicht auf die Lohnforderungen eingehen, der unzufriedene Kameruner drängte auf einen Wechsel, es seien nicht nur schöne Worte gefallen, und so liessen ihn die Berner nach Como ziehen.

Wer wird vielleicht bald wen mehr vermissen?


Thomas Müller vor der TV-Kamera: Keiner ist besser als er (Video Youtube)


Thomas Müller und Bayern, seit 2000, erst als Junior, ein Paar, unzertrennlich. Oder doch nicht? Müller, der Karl Valentin des Fussballs, wird in diesem September 35, er ist nicht mehr der überragende und auf seine Art einmalige Spieler, nicht mehr unersetzlich, und es gibt einige, die sagen, seine Zeit bei Bayern sei vorbei. 

Doch sie verlängerten den Vertrag um ein Jahr, weil er ein so wichtiges Mitglied dieser «Mia-san-mia»-Familie ist, weil es keinen anderen gibt, der den Verein besser repräsentiert, mit seinem Charme, seinem Witz, seiner Eloquenz auch unmittelbar nach Spielschluss schwitzend vor TV-Kameras, weil er seine neue Rolle nicht mehr als gesetzter Stammspieler annimmt – und auch als eine gewisse Dankbarkeit für seine Treue, die Bayern allerdings teuer zu stehen kommt, 20 Millionen Euro im Jahr soll er weiterhin verdienen.

Und dann gibt es Simon Amman, der ewige Flieger, der Harry Potter der Sprungschanzen, 43 wird er im Juni. Er fliegt und fliegt und fliegt immer noch weiter, zwar nicht mehr so weit, und viele finden, er sollte doch eigentlich längst aufhören. Aber das stört ihn nicht, er macht es, weil er weiterhin Spass hat, weil es seine Liebe ist. Er ist Einzelsportler, schwächt nicht eine Mannschaft, er macht es nur für sich.

Und er bestimmt auch selber, wenn er einmal doch genug hat vom ewigen Fliegen. Vielleicht mit einer Träne im Auge, aber im Reinen mit sich selber. Ein glücklicher Abschied.



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