Liveticker beim Millionenspiel

Blog, Nr. 279



Ich sitze im Wankdorfstadion in Bern, in dieser Stadt, in der ich mich so gerne aufhalte, manchmal wegen der Musik, aber auch wegen dem Fussball, weil es hier irgendwie noch anders ist, auch die Leute in dieser Stadt, es tönt nach Klischee, aber ist es so, einfach etwas gemütlicher, entspannter, nicht so gehetzt, was auffällt, kaum entsteigt man dem IC-Zug aus Zürich, es liegt sicher schon an der Sprache.

Es geht an diesem Abend um Millionen, um viel Geld, das in der Champions League zu verdienen ist, 30 Millionen oder gar einiges mehr, um einen Spieler, der zum letzten Mal gäub-schwarz tragen wird, der immer gäub-schwarz träumte und dafür lebte, jetzt aber anderswo den nächsten Schritt seiner Karriere machen will und mit dem Gäub-schwarz auch viel Geld verdienen wird.

Ein Millionen-Spiel an einem herbstlich-kühlen Abend, Bern fiebert, aber überhitzt nicht.

Und im Zug von Zürich nach Bern, der doppelt so lange unterwegs war, weil er kurz nach Olten und in einem Tunnel einfach stehen blieb und der Mann am Lautsprecher alle paar Minuten sagte, es gäbe ein technisches Problem und die SBB würde sich entschuldigen und das Problem blieb lange ein Problem und wir sollen ruhig sitzen bleiben und es war dunkel draussen.


Schlagzeilen zu Saudi-Arabien

Aber so blieb Zeit zu lesen, auch über Millionen im Fussball, unanständig viele Millionen mit denen die Saudis grosse Namen in ihre Liga locken, und ein Neymar, der einst zu den Begabtesten gehörte, aber längst zu einem obszönen Beispiel für die grässliche Seite des Fussballs steht, dieser Neymar bekommt jetzt 200 Millionen Euro, steuerfrei, ein Haus mit so vielen Zimmern, dass er sich jeden Tag in einem Monat in einem anderen aufhalten kann, einen Privatjet, diverse weitere Luxusautos, und wenn er in seinen sozialen Netzwerken einen Post über Saudi-Arabien in die Welt schickt, einen positiven natürlich, Saudi-Arabien, du bist ein Paradies, dann gibt es 500 000 Euro extra, pro Werbebotschaft.

Das lese ich, und eines weiss ich, ich werde nie, nie, nie ein Spiel aus dieser Liga schauen, die Klubs sind ja gar nicht zu unterscheiden, heissen alle Al und irgendetwas, und dann sitze ich im Wankdorf, und ich geniesse es, ich denke trotz den Millionen, um die es auch hier geht, es sei doch noch eine andere Welt, aber das liegt vielleicht auch an Bern, an den Menschen hier, sie sagen grüessech und schauen einem in die Augen und lächeln lieb.


Liveticker FC Küsnacht

Ich schaue auch, zwischendurch, auf mein Handy, das immer wieder mit Nachrichten aufblitzt, es ist ein Liveticker, nicht vom Spiel hier im Wankdorf, sondern eines in Zürich, im Juchhof, ein Spiel im Zürcher Regionalcup, mein Team spielt, der FC Küsnacht gegen NK Croatia ZH, beide 3. Liga, und es ist spannend, 0:1, 1:1, 1:2, 2:2, am Ende 4:2 für den FCK, jedes Tor wird vermeldet, der Präsident von Küsnacht tickert selber, so als würde uns Canepa beim FCZ mit seiner Pfeife in der einen und dem Handy in der anderen Hand aus seiner Loge jeweils aktuell orientieren, und es gibt auch eine traurige Botschaft, meine Küsnachter spielen zuletzt nur noch zu zehnt, einer, der Sohn des Präsidenten, brach sich das Schlüsselbein. Jetzt leuchten noch mehr Nachrichten auf, alle, die den Ticker abonniert haben, und es sind einige, wünschen gute Besserung und alle Gute, immer mit Smileys versehen, viele grüne Kleeblätter, bis zuletzt sind es 39 Posts.

Das Spiel im Spiel an diesem Abend. Und ich denke, es gibt ihn noch, den Fussball, der einem wirklich nahe geht.
 



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