Der Boss singt mit Michelle Obama


Sie sassen und warteten im Frühsommerlicht schon nachmittags zu Hunderten auf Wiesen und unter Bäumen oben auf dem Montjuic, dem Hausberg von Barcelona, wo sie 1992 die Olympischen Sommerspiele feierten und auch einmal die Weltausstellung und Rennen der Formel 1. Sie warteten geduldig, bis sich die Türen öffneten und sie im
Estadi Olímpic Lluís Companys nach vorne rennen konnten, ganz nah zur Bühne, und am Abend liefen viele, viele Tausende hoch zum Hügel, nur 180 Meter über Meer.




Junge, aber auch viele, die gleich alt oder gar älter sind als er, Kinder und auch Grossväter, sich-mit-ihm-jung-fühlende, und sie alle waren «A la caza» von ihm, wie die katalanische Zeitung «La Vanguardia» schrieb, auf der Jagd nach ihm – Bruce Springsteen, dem Boss.

Er ist wieder da. Zurück mit seiner E Street Band in den grossen Arenen, nach sechs Jahren erstmals wieder auf Tournee, er sagte kürzlich im Magazin «Rolling Stone«, er könne es kaum erwarten, wieder mit ihnen auf der Bühne zu stehen, mit seinen Jungs, «ich liebe diese Band, Max (Weinberg) hinter mir, Roy (Bittan) am Keyboard, Garry (Tallent) am Bass, Steven (Van Zandt) an meiner Seite und alle anderen, es wird eine grossartige, grossartige Zeit».

60 000 Zuschauer im Estadi Olímpic in Barcelona

Und dann war es am Freitag 21 Uhr im veralteten Stadion, in dem, weil das Camp Nou umgebaut wird, bald auch der FC Barcelona eine Saison lang spielen muss. «One, two, three, four», schrie er (später immer wieder) im schwarzen Hemd und schwarzen Jeans in die Abenddämmerung und zu den Zuschauern, fast 60 000 waren gekommen, und er begann wie fast immer auf seiner neuen Tour mit «No surrender», keine Kapitulation, wie ein Motto.

28-mal waren er und die E Street Band seit anfangs Februar an Amerikas Ostküste unterwegs gewesen, jetzt sind sie in Europa, diesen Sonntag nochmals in Barcelona, insgesamt 31 Auftritte in 88 Tagen, in fast allen grossen Städten, am 13. Juni auch im Letzigrund in Zürich.

Wieder auf Tour, Bruce Springsteen hat inzwischen eine 700-seitige Autobiografie mit tiefen Einblicken in sein Leben und Leiden geschrieben, ein neues Album, das Zwanzigste, «Letter to You», kam heraus, mit Themen zur Vergänglichkeit und Altern und zum Verlieren von nahestehenden Menschen. Ein Film dazu und das Album «Only The Strong Survive» mit 15 gecoverten Soul-Songs. Allein nur mit seiner Gitarre ist er oft am Broadway aufgetreten, singend und erzählend aus seinem bewegten Leben.

Und jetzt sind sie wieder zusammen. Und wie schön es war in Barcelona, wie sehr fühlte und sah man auf den drei grossen Bildschirmen, wie glücklich sie sind, wieviel Spass es ihnen macht. Nur Musik, keine Showelemente wie bei anderen grossen Namen, wie bei Roger Waters kürzlich in Zürich - nur mit Songs, über den Kampf der kleinen Leute in schweren Zeiten, den Alltagsgeschichten aus dem Leben, oft laut, manchmal aber auch leiser. Das Publikum sang bei den grossen Hymnen laut mit, kannte jede Zeile, wurde manchmal zum grossen Chor.

Zum ersten Mal auf der neuen Tour: «Human Touch»
(Video: Fredy Wettstein, Youtube)


Es war eine Reise durch die bald 50-jährige Geschichte dieser Band, die nicht immer zusammen war, aber sich immer wieder fand. Zwei der ersten vier Songs waren vom neuesten Album 2020 («Ghosts» und «Letter to You», zwei («Kittys Back», «The E Street Shuffle») von 1973, «Human Touch» sang er in Barcelona zum ersten Mal auf dieser Tour.

Meine Höhepunkte an diesem Abend, ganz subjektiv: «Mary’s Place», als es ganz ruhig wurde im Stadion und die Bühne dem Schlagzeuger Max Weinberg gehörte. «The Last Man Standing», das Springsteen auf katalanisch mit «Una
cançó sobre un vell amic» ankündigte, ein Lied für einen Freund, den letzten Überlebenden seiner ersten Jugendband «The Castiles», der vor einigen Jahren verstorben ist. Und auch die lange Version von «Tenth Avenue Freeze-Out», oder «Nightshift», der Soul-Nummer von «The Commodores», mit wunderbaren Bläsern vorgetragen, auch Springsteen soll dieses Lied immer wieder Tränen in die Augen getrieben haben.

Aber auch all die grossen Lieder, «The Rising», das mehr das Publikum als er selber sang, «Born in the USA», das er in Barcelona erst zum zweiten Mal wieder spielte, «The Promised Land», «Backstreets», «Born to Run» einfach alle und alles. Und eben: diese Band, 17-köpfig, jeder und jede hatte seinen Auftritt.

Der Boss singt mit Michelle Obama (Video Facebook)

Und dann das, unerwartet, aus dem Dunkel der Nacht, die jetzt über Barcelona hereingebrochen war. «Glory Days» begann, der Song über die vergangenen Zeiten, und da standen drei Frauen als Chor tanzend auf der Bühne, seine Frau Patti Scialfa, die zur Band gehört, zuletzt aber nach einer Corona-Erkrankung nicht auftrat - und die Schauspielerin Kate Capshaw, Frau von Filmregisseur Steven Spielberg, und Michelle Obama, die Frau des Ex-Präsidenten Barack Obama. Sie waren alle in der Stadt, hatten zusammen Stunden beim Essen und mit Kultur verbracht, waren gekommen wegen ihm, dem Boss, Barack Obama vor seinem Auftritt im Hallenstadion in Zürich. 

Wo sich die Männer während des Konzerts in Barcelona aufgehalten haben, blieb unbekannt, vielleicht hinter der Bühne durch eine Vorhanglücke zuschauend, aber «Glory Days» mit Springsteen, von dem Barack Obama einst sagte, er möge der Präsident sein, «but he is the Boss», und Michelle Obama mit Tamburin- es war einmalig!

Bruce Springsteen mit Steven Van Zandt

Um 23.56 Uhr, nach fast drei Stunden, Songs an Songs, ohne Pause, war der Abend zu Ende, nur noch mit Bruce auf der Bühne, er sang «I’ll You See in My Dreams», es heisst darin:

«Ich werde dich in meinen Träumen sehen/
Wenn all unsere Sommer zu Ende sind/
Wir werden uns wiedersehen und leben und lachen/
ich werde dich in meinen Träumen sehen/
Ja um die Flussbiegung herum/
Denn der Tod ist nicht das Ende/
Und wir werden uns wieder in den Träumen sehen.

Bruce ging, durchgeschwitzt, endgültig, fast alle im Publikum, es sass fast niemand an diesem Abend, alle standen drei Stunden, blieben noch minutenlang, klatschten und johlten und riefen, er solle doch nochmals zurückkommen, dieses Konzert dürfe nicht zu Ende gehen. Nie. Es war zum Heulen schön.

Zum Glück ist es erst April, «Bruuuuuce» und seine wunderbare Band bleiben hier in Europa, und einmal in einem ganz historischen Ort, dem Circus Maximus in Rom, das Datum ist seit Monaten im Kopf, Sonntagabend, 20. Mai, 21 Uhr.

«Bruuuuuuce» (Fotos Wettstein)

Das Lied «Ghosts», das er seinen verstorbenen Bandmitgliedern Clarence Clemons und Danny Federici widmet, endet so:

«I’m alive and I’m coming home
Yeah, I’m coming home»

Bruce ist lebendig. Auch mit bald 74. Der Marathon-Rocker. Der Mulitmillionär mit der Gitarre, dem man abnimmt, was er singt. Seine erste Gitarre hatte er mit Rasenmähen verdient, zwölfjährig war er, 14 Dollar zahlte er damals.

Springsteen, Obama, Spielberg und die Küchenmannschaft im Restaurant Almar
 
 
 
 
 
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Kommentare

  1. Anonym30.4.23

    Barack umd Steven sassen rechts, direkt neben der Bühne in einer Art Zelt

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  2. Anonym30.4.23

    Es war sicher schöne Stimmung in Barcelona!!

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  3. Anonym30.4.23

    Vielen Dank für Info

    AntwortenLöschen

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