Geschwitzt mit Pelé


Pelé brachte mich ziemlich ins Schwitzen, damals. Es war, glaube ich, in der sechsten Klasse, ich musste vorne im Schulzimmer einen Vortrag halten, und ich wählte ihn zum Thema, die drei etwas vergilbten Blatt Papier habe ich nach langem Suchen in einer Keller-Schublade gefunden.

Ich schrieb, lese ich, und es war auch der Titel, weniger von Pelé, ich schrieb: «genannt Pelé», denn ich wählte viel lieber seinen richtigen Namen, ich musste verliebt gewesen sein in diesen, er klang so schön, einmal schrieb ich, er töne wie ein wunderbarer Spielzug der Brasilianer: Edson - Arantes - do - Nascimento!

Achtmal kommt sein Name im Vortrag vor.

 

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Ich weiss nicht mehr, wie ich damals überhaupt zu diesen Informationen gekommen war. Wir hatten zu Hause keinen Fernseher, mein Götti hatte einen, und bei ihm durfte ich manchmal Fussballspiele sehen, mit verwackelten schwarz-weiss Bildern; ich las sicher Zeitungen, denn ich lernte, sagte einmal meine Mamma, mit Zeitungen lesen und sei überall an jeden Kiosk gerannt, den ich gefunden habe. Es muss, anders kann es nicht sein, ein Buch gegeben haben über ihn, Pelé, der für mich der Edson Arantes do Nascimento war, denn sonst hätte ich ja gar nicht so vieles wissen können.


1958 in Schweden: Weltmeister mit 17

Ich schwärmte im Text von seinem Tor in Schweden bei der WM 1958, 17 war er erst, es sei das schönste Tor gewesen, das ich je gesehen habe – aber hatte ich es wirklich gesehen? Live, am TV, sicher nicht, und einfach irgendwo etwas nachsehen konnte man damals ja noch nicht.

Heute können wir alles wissen über Edson Arantes do Nascimento, den alle nur noch als Pelé kennen, im Netz, das die ganze Welt verbindet, seine 50 schönsten Tore und Hunderte andere auch, seine magischen Momente, seine Tricks, sein Jubel, und – heute staune ich viel mehr als damals – seine atemberaubenden Dribblings, es waren grossartige Slalomläufe auf dem Rasen an Dutzenden von Beinen vorbei, der Ball an seinen Füssen verwachsen.

In meinem kleinen Vortrag sagte ich nicht, Pelé, der für mich der Edson Arantes do Nascimento war, sei der beste Fussballer der Welt, den es je gab, ich hatte ja gar keine Vergleiche. Der zweitbeste wäre Charly Elsener, der Torhüter mit dem grünen Pullover gewesen.

Und heute diskutieren wir, wer es nun sei, Pelé, Maradona, Messi? Die Holländer sagen vielleicht Cruyff, die Franzosen Zidane, ja Zizou, die weisse Katze, wenigstens wegen seinem poetischen Namen, die Deutschen Beckenbauer, die Portugiesen Cristiano Ronaldo – nein!, der definitiv nicht.

Aber: Monet oder Picasso? Beethoven oder Mozart? Robert de Niro oder Dustin Hoffman, Juliette Binoche oder Penélope Cruz? Frisch oder Dürrenmatt? Patent Ochsner oder Züri West?

Ich liebte, als ich jung war, die Beatles, die Beatles und nicht die Rolling Stones, zur Zeit Pelés - und heute sind es die Stones, wohl auch, weil ich ihre Konzerte noch besuchen kann und wegen Mick Jagger.

Deshalb, wenn schon: Messi. Und wenn nicht Messi, dann Edson Arantes do Nascimento. Und ein wenig auch Diego, weil er so verrückt und tragisch war.

Aber dumme Fragen eigentlich. Ich muss auch keinen Vortrag mehr halten. Dabei könnte ich heute alles wissen, aus dem Netz. Als wäre alles live. Pelé sah ich nie, die anderen schon, richtig live. Geschwitzt habe ich nur wegen ihm.

 
 
 
 
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