Einer singt, einer liest


Gehen Sie hin! Das ist in diesem Blog für einmal einfach nur ein Tipp. Sehr persönlich. Ich war hingegangen, und es war im Zürcher Kaufleuten einer der schönsten Abende seit langem. Ein Abend mit Liedern und einer Lesung, mit Tönen und Worten, mit Gedanken und Geschichten, um das Leben und die Liebe, die Poesie und die Politik.

Ich kenne Pippo Pollina seit langem, er kam aus Sizilien, lebt inzwischen seit 30 Jahren im Zürcher Seefeld, ein wunderbarer Cantautore. Ich habe ihn schon an vielen verschiedenen Orten auf dieser Welt erleben dürfen, im grossen und wunderbaren Teatro Massimo in Palermo, auf kleinen Bühnen, in schönen Parks und auch schon bei privaten Konzerten. Seine Lieder handeln von Freiheit, von Liebe, vom Meer, von Sehnsüchten, von den schönen, aber auch den schattigen Seiten unserer Welt und natürlich oft über Sizilien, seiner Heimat.

Ich schätze Mike Müller, den Schauspieler und auch Geschichtenerzähler sehr, seine Auftritte oft mit viel Satire, wunderbar damals mit Giacobbo, gegenwärtig spielt er sein Stück «Erbsache» im Miller’s in Zürich.

Pippo Pollina spielt

Und im Kaufleuten, und bald an anderen Orten, deshalb der Tipp, treten sie zusammen auf. Pollina singt, Müller liest, Pollina singt Lieder von Knef, Battiato, Brél und seine eigenen Lieder, Müller liest Pollina.

Pollina hat das gemacht, was er schon lange wollte, einen Roman geschrieben, «Der Andere» heisst er. Er hat das schon vor vielen Jahren versucht, aber er hatte immer viel Respekt davor gehabt. Lieder, die er schreibt, sind Geschichten für drei, vier Minuten, ein Buch ist eine ganz lange Geschichte, braucht eine grosse Idee und viele Figuren und Details.

Die Pandemie gab ihm die Zeit dafür, 18 Monate lang konnte er keine Konzerte geben, und so hat er wochenlang geschrieben, manchmal habe er fast vergessen, daneben auch einmal etwas zu essen, so versunken war er in seinen Gedanken.

Vom Buch sei nicht viel verraten. Es geht um die Geschichten von zwei Männern, es ist die Zeit zwischen Ende der Achtziger- und den Neunziger-Jahren, der eine, Frank, lebt in Deutschland, ist Journalist, der andere, Leonardo, von allen Nanà gerufen, auf Sizilien in der Nähe Palermos, in der Welt, die von der Mafia beherrscht wird. Frank lernt die Mafia als Journalist kennen und gerät auch in deren Fangnetze.

Mike Müller liest

Aber es ist nicht nur ein Mafia-Buch, es geht um die Veränderung in Europa, um Persönliches und Politisches, um Begegnungen, um Liebe, es ist eine grosse Geschichte mit vielen kleinen Geschichten.

Und einmal, auf Seite 34, steht das:

«Ein Strassenmusiker mit seiner Gitarre am Eingang zur Kapellbrücke riss Frank aus seinen Gedanken. Frank kannte das italienische Lied, das er spielte. Spontan setzte er sich zu ihm, schloss die Augen und liess sich von der Melodie wegtragen. Als die Musik verstummte, sprach er ihn auf Italienisch an: ‘Eines war von Lucia Dalla, eines von Edoardo Bennato, das dritte kannte ich nicht.’

‘Das war von mir’, sagte der Musiker zögernd. ‘Aber wenn ich über die Runden kommen will, muss ich die Gassenhauer spielen, sonst bleibt keiner stehen. Auch du hast dich wegen Dalla und Bennato hingesetzt.’»

Es ist die Geschichte, wie es begann mit Pippo Pollina, dem Musiker. Er spielte damals, vor 30 Jahren, als Strassenmusikant an verschiedenen Orten in Europa, auch in Luzern; Linard Bardill, der Bündner Liedermacher, blieb damals stehen, war beeindruckt, sagte, komm mit mir auf eine Tournee und einmal wirst du im Hallenstadion ein Konzert geben.

Pippo Pollina spielte einmal im Hallenstadion, 2015. Nur, dass er einmal einen Roman schreiben wird, das sagte Bardill nicht.

Gehen Sie hin!

Nächste Vorstellungen:

Freitag, 27. Januar: Casino Bern
Samstag, 28. Januar, Stadttheater Baden
Sonntag, 29. Januar, Marsol Chur
Donnerstag, 9. März, Volkshaus Basel
Freitag, 10. März, Stadttheater Biel
Samstag, 11. März, Marsol Chur
Sonntag, 12. März Stadttheater Winterthur.

«Der Andere», von Pippo Pollina. - 336 Seiten. - Verlag Kein & Aber.


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Kommentare

  1. Anonym25.1.23

    Sehr schöner Text! Wir haben es mit Thomas Sarbacher erleben dürfen, auch das war eine großartige Veranstaltung.
    Und eine winzigkleine Korrektur: Das Konzert im Hallenstadion war 2015, der 50. Geburtstag 2013 und wurde im Zürcher Volkshaus gefeiert!

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