Der liebe Kollege Ludger


Der Tod kommt immer zu früh. Ludger Schulze war erst 72-jährig, am vergangenen Sonntagabend ist er gestorben. Ludger war ein lieber Kollege, wir sind damals fast gleichzeitig in den Journalismus eingestiegen, er 1976 bei der Süddeutschen Zeitung in München, sieben Jahre lang, von 2003 bis 2010, war er Sportchef, bevor er sich frühzeitig pensionieren liess. Die Ärzte hatten ihn dazu geraten, er hatte Probleme mit seiner Lunge bekommen.

Wir hatten uns immer wieder getroffen, in München bei den Spielen der Bayern, im Olympiastadion noch, und an vielen anderen Orten, an manchen Fussball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, auch privat, und wenn jemand nicht mehr da ist, kommen Erinnerungen hoch an gemeinsame Erlebnisse.

An Zeiten auch, die anders waren als heute. Wie 1998, bei der Fussball-WM in Frankreich. Zusammen mit einem anderen deutschen Kollegen waren wir ins Quartier der deutschen Nationalmannschaft gefahren, oberhalb von Nizza. Und dort wartete Jürgen Klinsmann, undenkbar so etwas heute, er nahm auf dem engen Rücksitz des Mietwagens Platz, und wir fuhren den Berg hoch zum Restaurant Le Manoir im kleinen Dörfchen Haut-de-Cagnes mit wunderbarem Meerblick. Es wurde ein langer Abend, Fussball war nur am Rande ein Thema, und irgendwann, Mitternacht war schon vorbei, hatte Klinsmann gefragt: «Hat heute nicht England gespielt?»

Und es war an der gleichen WM, als Ludger auf das Handy anrief. Er stehe jetzt mit seinem Auto an der Grenze in Chiasso, es gab noch keine Navigationssysteme, und er fragte, wo er jetzt durchfahren müsse, um nach München zu kommen. Er war auf dem Heimweg, weil die deutsche Mannschaft mit Klinsmann aus dem Turnier ausgeschieden war, und er sagte, «weisst du, ein bisschen ist uns zumute, als wenn wir selbst zu früh ausgeschieden wären».

Ludger Schulze war ein kritischer, aber auch leidenschaftlicher Journalist, er sah den Sport als Teil des Lebens, interviewte Günter Grass oder Angela Merkel, und die «Süddeutsche» widmet ihm einen Nachruf auf fast einer ganzen Seite, der Titel heisst: «Er hat den Ton gesetzt.»

Und ein Kollege, der sein Nachfolger als Sportchef wurde, schrieb darin: «Vorigen Donnerstag noch ein letztes Telefon, das Gespräch war im Nachhinein eine traurige Täuschung. Denn am Ende stand ein leider falsches Kompliment: Ludger!, so vital, so lebensfroh, so humorvoll und leicht hast du dich ja schon lange nicht mehr angehört! Er sagte nicht Nein.»

Drei Tage später, am Weihnachtstag, starb er.

 

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