Luca, der alte
Die Kolumne «Espresso» lebt auf diesem Blog weiter
Luca, der Architekt, humpelt, als er zur Tür des Bistro reinkommt, das sieht Bruno, der Werber, sogleich, es muss sein rechtes Bein sein, er biegt es kaum. He, was ist los? fragt Bruno. Würde er nur Lucas Gesichtsausdruck deuten, müsste es schlimm sein, doch Bruno weiss, dass Luca immer sehr schnell und sehr auffällig leidet.
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Nachdem sie ihren Espresso bestellt haben, beginnt Luca zu erzählen. Die Enkel haben gewollt, dass er mit ihnen Fussball spielt, er habe sich ins Tor gestellt, früher sei er ja Torhüter gewesen, und er habe sich gefühlt wie Sommer junior, denn mit Sommer senior, dem Vater von Yann, habe er früher mal zusammengespielt; er fühlte sich also so und dachte, er könne sich auch so nach den Bällen werfen, wenigstens dem ersten. Aber er war eben Luca, der alte.
Ein Schuss, und Enkel können schon sehr scharf schiessen, eine Parade nach rechts, sie hätte auf einem Video sicher sehr schön ausgesehen, ein Zwick im Oberschenkel, ein Schrei, und er lag auf dem Boden. Die Selbstdiagnose lautete, ohne Zweitmeinung, es muss ein Muskelfaserriss sein. Es fühlte sich wenigstens so an.
Ein Schuss, und Enkel können schon sehr scharf schiessen, eine Parade nach rechts, sie hätte auf einem Video sicher sehr schön ausgesehen, ein Zwick im Oberschenkel, ein Schrei, und er lag auf dem Boden. Die Selbstdiagnose lautete, ohne Zweitmeinung, es muss ein Muskelfaserriss sein. Es fühlte sich wenigstens so an.
Und das sei immerhin schon einige Wochen her, es werde einfach nicht besser. Und jetzt, sagt Bruno, fällst du aus, wie vielleicht Sommer junior? Und er erzählt, wie er auf Instagram Bilder gesehen hat, wie der Nationalgoalie täglich intensiv trainiert, mit Bändern um die Beine, Treppen rauf und runter steigt, sich ständig dehnt und Gewichte stemmt. Ihm reicht es wahrscheinlich für die WM, sagt Bruno, aber dir?
Und als er jetzt Lucas einerseits gequältes, anderseits aber mürrisches Gesicht sieht, weiss er, dass er sich keine Bemerkung mehr erlauben darf. Luca, so hat er ja vor einiger Zeit bei einem Espresso in ihrem Bistro erfahren, reagiert empfindlich auf dieses Thema, er mag Fussball, aber nicht Fussball in Katar, er hat damals gar von Boykott gesprochen.
Sie schweigen. Sie schweigen lange, und das machen sie sonst nie, wenn sie sich am Morgen zu ihrem Espresso treffen.
Luca hätte sich besser nicht als Sommer junior gefühlt, weil er mal mit Sommer senior zusammen gespielt hat. Denn Bruno hätte an diesem Morgen gerne mit Luca über ganz vieles gesprochen. Auch darüber, dass er kürzlich Bänz Friedli getroffen habe, den wunderbaren Kabarettisten und Sprachpoeten, und der liebe Fussball, habe immer noch eine Saisonkarte von YB, aber schaue längst viel lieber den fussballspielenden Frauen zu und Katar, nein, da habe er kürzlich gewettet, er werde kein Spiel….
Weiter spricht Bruno nicht. Er merkt, dass auch das ein schlechtes Thema gewesen wäre. Sie stehen wortlos auf und verlassen das Bistro.
«Espresso» mit Bruno und Luca war von 2014 bis 2016 eine Kolumne im «Tages-Anzeiger». Auf diesem Blog lebt sie wieder auf.
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