Beben mit Campino

Beben mit Campino

Die Piazza in Locarno bebte. Die Luft war heiss und feucht, abends um zehn noch 29 Grad, aber auch sonst war es heiss. Es wurde getanzt, gehüpft, gegrölt, gesungen, geraucht und getrunken, und natürlich war es in den zwei Stunden auch eines der 30 Lieder, an Tagen wie diesen, und man  wünscht sich die Unendlichkeit. Sie hätten auch um Mitternacht noch getanzt, gehüpft, gegrölt, gesungen, geraucht und getrunken. Auf der Bühne rannte und rannte und bebte Campino mit seinen Toten Hosen, 60 ist er, 40 die Band. Er weiss vom ersten Akkord an, was das Publikum erwartet, seine Gesten, seine Mimik, seine Worte zwischendurch, alles passt, tausendmal gespielt, und man kann nur staunen, über diesen Power, diese Ausdauer, diese Präsenz, diese Energie von einem, der ja bald ins Rentneralter kommt. Er schwitzte, wir schwitzten auf der Piazza Grande.

Das sind die Impressionen:




«Mach das Flutlicht an
sie kommen gleich raus
und dann kann die Show beginnen
Und sie sind nicht allein
denn wir sind dabei
auch wenn es heute aufs Auge geht»

Auswärtsspiel, 2002





«Wir sind uns vorher nie begegnet, doch ich hab Dich schon lange vermisst
Auch wenn ich Dich zum ersten Mal hier treff',
ich wusste immer, wie du aussiehst.
Mit Dir will ich Pferde stehl'n, die uns im Wege sind
 Ich geh mit Dir durch dick und dünn bis ans Ende dieser Welt
»

Bonnie & Clyde, 1996 



«Ein letztes Lied, ein letzter Tanz
Ein Augenblick ganz ohne Glanz
Das Feuerwerk am Horizont
Malt unsere Schatten auf Beton
Kein Happy End, kein Hollywood
Alles passiert, wie es passieren muss»

Alles passiert, 2017 


 

Beim letzten Bild sang er in Locarno das Lied, das er seinem Vater gewidmet hat. «Draussen vor der Tür» heisst es, und Campino textet darin «Ich wollte nie so sein wie du und du denkst. Heut' merk' ich immer wieder, wie ähnlich ich dir bin. Zum Glück war's damals nicht zu spät. Wir haben uns verziehen, der Wind hat sich gelegt.

Campino hat auch ein Lied für seine ebenfalls an Krebs gestorbene Mutter geschrieben. Es ist ein ganz stilles Lied, die Worte «Tod» oder «sterben» kommen darin nicht vor, und live spielen es die Toten Hose nur ganz selten, es passt in einem intimen Rahmen. Es ist aber eines ihrer schönsten Lieder, Campino schrieb es, um seiner Mutter Danke zu sagen. Es heisst darin:

«Ich mag die Ruhe hier
zwischen all den Bäumen
als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt
(...)
Wie es mir geht, die Frage stellst du jedes Mal.
Ich bin O.K., will nicht, dass du dir Sorgen machst.
Und so red ich mit dir wie immer so
als ob es wie früher wär
so als hätten wir jede Menge Zeit.»

 
«Alles wird vorüber gehen», Campino in Locarno (YouTube-Video Fredy Wettstein)




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