Wie bei den Grossen, fast

 

Sie laufen auf das Spielfeld, miteinander, voran der Schiedsrichter. Wie die Grossen. Sie stellen sich auf. Einer winkt scheu, wohl seiner Mutter. Die einen Spieler laufen zu denen der anderen Mannschaft, sie klatschen sich ab. Wie bei den Grossen. Und dann laufen alle zurück zum Spielfeldrand, brav geben die einen Spieler den Ersatzspielern und Betreuern der anderen Mannschaft die Hand. Nicht wie bei den Grossen. Das tun die nicht.

Und die beiden Trainer haben am Spielfeldrand ihre Coaching-Zone, wie all die Guardiolas und Ancelottis dieser Welt. Der eine schreit ständig, nicht immer jugendfreie Worte, der andere nur gelegentlich, etwas anständiger. Beide rufen manchmal «Schiri» und haben das Gefühl, benachteiligt zu sein. Wie die Grossen.

Es ist Frühsommer, und die Grossen, die Männer, sind in den Gazetten nur zu sehen, wie sie sich, nicht alle, auf irgendwelchen Yachten vergnügen auf fernen Inseln oder sonst auf Instagram posieren. Auf einem Sender spielt der FC Urnäsch gegen St. Gallen, es muss fast jede Minute ein Tor gefallen sein, einer, der an einem Sonntagnachmittag trotz 40 Grad schwüler Hitze am TV drinnen das Spiel angesehen hat, aus welchem Grund auch immer, sagt, es hätte 0:50 geendet oder so, er übertreibt wohl nur ein bisschen.

Aber der Fussball macht Pause. Der Grosse, der Männer. Wenigstens kurze Zeit. Die Kleinen tun es auch bald, aber noch spielen sie, und es macht Spass, ihnen zuzusehen, ihre Freude, ihre Lust am Spielen. Die Grossen unter den Kleinen, einige schon fast erwachsene Männer, reden schon von Taktik und Spielsystemen, ihr Spiel ist ernster; die ganz Kleinen, jenen, bei denen die Leibchen fast bis zum Boden fallen, bräuchten eigentlich nur ein ganz kleines Spielfeld, weil sowieso alle nur dort sind, wo auch der Ball ist. Ein Haufen Beine und irgendwo der Ball, er ist wie ein Magnet für sie.


Zeit der Schüelis in allen Gemeinden (hier Küsnacht).

Und vom Schüeli redeten sie schon seit Wochen, nach drei Jahren gibt es endlich wieder diese Turniere für alle Schulklassen in vielen Gemeinden, die meisten fieberten darauf und hatten das Datum schon lange im Kopf, 25. Juni. Einige wenige hätten vielleicht lieber eine mathematische Formel auswendig gelernt, als sich an diesem Nachmittag bei grosser Hitze ungelenkig und lustlos einem Ball annähern zu müssen, und sie sind fast froh, wenn keiner in ihre Nähe kommt. Aber es braucht alle. Der Lehrer schaut zu, und die Eltern und der Nonno und die Tante, es sind viele am Spielfeldrand.

Und manchmal jubeln sie wie die Grossen, weil sie am Fernsehen eben sehen, wie die Grossen theatralisch jubeln und sich posenhaft feiern lassen, aber oft drehen sie sich einfach um, rennen zurück und stellen sich wieder auf, bereit für den nächsten Ball. Jene, die ein Tor bekommen haben, schauen sich vorwurfsvoll an, diskutieren, wer jetzt vielleicht hätte wo stehen sollen, dabei waren doch alle nahe zusammen.

Perfekte Schusshaltung.

Es ist Pause bei den Grossen, den Männern, die Frauen tragen bald in England ihre Europameisterschaft aus, und trotzdem gibt es immer noch solche, die sagen, es sei ein fussballloser Sommer, und das sei doch schön, mal kein TV-Stress, weil nicht überall und immer irgendwo ein Spiel übertragen wird. Wahnwitzig ist der Fussball der Grossen und der Männer auch so: mit dreistelligen Millionensummen, die ein Spieler nur dafür bekommt, dass er seinen Klub nicht verlässt, sein Gehalt aus katarischen Tresoren wurde gleichzeitig natürlich nochmals massiv erhöht (Mbappé/Paris-St-Germain).

Alle auf engem Raum: Der Ball als Magnet.

Zurück zum Schüeli. Die Kleinsten der Kleinen, sieben erst, Erstklässler, rennen rund um den magnetischen Ball, nur einer, Salvatore heisst er, er spielt schon bei den FCZ-Kids, ist schneller und wendiger und vor allem mit Füssen, die den Ball lieben, er rennt manchmal allen davon, schiesst die Tore.

In einer anderen Klasse gibt es ein Penaltyschiessen, und der, der zuvor fast alle Tore geschossen hat, geht jetzt auch ins Tor, weil er auch hier talentiert ist, und die Mutter kann nicht hinsehen, weil sie auch im TV nicht sehen kann, wenn dieses Nervenspiel ansteht.

Die Kleinen, die weniger Kleinen, es ist jetzt wie bei den Grossen, jubeln und tanzen und umarmen sich, wenn sie gewonnen haben, und bei den anderen, bei den meisten, weil ja nur wenige gewinnen können am Ende, gibt es Tränen, bittere Tränen, und auch die Mütter und Väter können diese nicht trocknen. Tränen von Kindern sind fast nicht zu trösten, sie sind echt.

Tränen, die auch von der Mutter nicht zu trocknen sind.

Nur eines ist nicht wie bei den Grossen: Es werden den Kleinen keine Mikrofone hingestreckt, es gibt keine Reporter mit ihren dämlichen Fragen, auf die es in solchen Momenten doch gar keine Antwort geben kann: Wie fühlen Sie sich in diesem Moment, was geht Ihnen durch den Kopf? Wie bitter ist es?

Ihre Welt ist nur traurig.

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