Abschied und Wehmut

 

Es gibt auch jetzt Bilder, viele Bilder von Roger Federer irgendwo im Netz, Federer zusammen mit anderen, nur nicht Federer als Tennisspieler. Mit Murat Yakin und den Schweizer Fussballern und einem neuen Leibchen, das diese bei der WM in Katar tragen werden; mit dem Gourmetkoch Andreas Caminada; oder wie er in einem Schweiz-Tourismus-Film gemeinsam mit Oscar-Gewinnerin Anne Hathaway für die schöne Schweiz wirbt; Federer bei einem Formel-1-GP; Federer wandernd; Federer mit Familie in Venedig und Federer mit Hund Willow, der jetzt auch zur Familie gehört.

Willow gehört jetzt auch zur Familie Federer.

Nur nicht Federer in Paris, das French Open ist weit weg für ihn.

Aber Federer kommt mir in den Sinn in dieser Nacht. Auch weil ich, als Ablenkung zwischendurch, über ihn lese, online die aktuelle Ausgabe der «Süddeutschen Zeitung», schon der Titel ist handwerkliche Poesie: «Holzer mit Herz und Hirn». 

Oliver Meiler schreibt einfühlsam, wie seine Texte sind, über den Abschied von Giorgio Chiellini, vor dem letzten Spiel des italienischen Verteidigers, der, so Meiler, «keine feinen Füsse hat», und das sei noch vorsichtig ausgedrückt. Sie seien so kantig geraten, dass ihm gerade mal der kurze, mit dem Innenrist ausgeführte Pass gelinge, aber auch der längst nicht immer. Seine langen Bälle würden überall hinfliegen, vor allem ins Aus.

Aber «Chiello», wie ihn die Italiener zärtlich rufen, der während seiner Karriere Zeit hatte, Ökonomie zu studieren, war ein wunderbarer Fussballer, den auch die Gegner liebten, er sei, schreibt Meiler, fähig gewesen, «sich mit zerknirschtem Blick bei Stürmern zu entschuldigen, die er gerade gefällt hatte».

Auch seine Gegner liebten ihn: Giorgio Chiellini.

Jetzt hört er auf mit dem grossen Fussball, 37 ist er.

Rafael Nadal wird an diesem Freitag 36. Novak Djokovic ist eben 35 geworden.

Ihnen sah ich zu, während ich an Federer dachte und zwischendurch über Chiellini las. Ich wollte längst schlafen und blieb wach, ich wollte, weil ich manchmal dachte, jetzt nehme das verrückte Spiel eine Wende und das Ende klar sei, ins Bett und blieb angewurzelt auf dem Sofa sitzen, ich bangte und zitterte und litt und fieberte mit Nadal, weil ich sein Spiel und seinen wahnsinnigen Willen und seine fast kindliche Begeisterung für diesen Sport liebe.

Und dann, 01.16 Uhr morgens war es, jetzt nicht mehr Mai, sondern Juni, der letzte Ball, Nadals Aufschrei, sein Gesicht, das strahlte, und seine Worte und sein Dank ans Publikum auf französisch, soweit es ging, «Merci, merci, merci et merci», er wollte nicht aufhören, merci zu sagen, er war ergriffen vom Moment, wie wir auch. Zum letzten Mal in Paris, auf seinem Sand, in seinem Stadion? Im Interview auf dem Platz wurde er das gefragt, und er sagte: Er wisse nur, dass er in zwei Tagen nochmals hier spielen werde, mehr könne er nicht sagen. «Jedes Spiel hier kann das letzte sein.»

Und ich denke: Das letzte Spiel. Gibt es noch eines, irgendwo, mit Roger Federer? Er wird im August 41. Und muss sich jetzt auch um seinen Hund kümmern.

Nadal fliegt wieder: Der Jubel in der spanischen Zeitung «Ultima Hora».

 

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