Tanzen wie Travolta

An diesem Sonntag, am 1. Mai, kann es wieder passieren: Basel gegen Zürich, wie damals 2006, und diesmal kann der FCZ Meister werden, wenn er einen Punkt holt.


Am 13.Mai 2006 war es anders gewesen, damals musste der FCZ im letzten Spiel der Saison gegen den FCB gewinnen. Was dann passierte, ist längst legendär, es gibt ein Buch darüber: Die 93. Minute. Einwurf von Nef, viel zu weit vorne, Flanke Stahel, und in der Mitte stand Filipescu, der glatzköpfige rumänische Senior, Verteidiger eigentlich, aber er hatte sich in der Verzweiflung nach vorne geschleppt - und schoss das 2:1, sein erstes Tor für den FCZ. Was nachher geschah, mit grässlichen Jagdszenen auf dem Spielfeld, wurde zur Nacht der Schande, es waren die schlimmsten Krawalle auf einem Schweizer Fussballplatz.


Am andern Tag kam es zur Meisterfeier auf dem Helvetiaplatz, Sven Hotz, der grosse Patron mit dem weichen Herzen, hielt eine Rede und tanzte nachher auf dem Balkon des Volkshaus, als wäre er John Travolta. Es wurde eine lange Jubelnacht, und Fredy Bickel, der Sportchef, ging morgens um fünf ins Bett, schlief mit dem Meisterpokal in den Armen.


Sven Hotz hatte von diesen Momenten geträumt, wie er am Tag vor dem Spiel erzählte. Davon handelt dieser Text von damals.


Sven Hotz träumt

Plötzlich diese Bilder. «Ich war in Basel», sagt Sven Hotz. Ein grosses Podest, die Mannschaft tanzte, ein Pokal, «und da gab mir der Captain, ich sah, es war Schneider, diesen Kübel in die Hand, ich stemmte ihn in die Höhe, und ... » Dann brachen die Bilder in seinem Kopf ab. Sven Hotz erwachte und war nicht mehr in Basel, sondern lag im Bett in seinem Haus in Uetikon, es war mitten in der Nacht vor einigen Tagen.

Und jetzt, es ist Freitagmorgen, sitzt Sven Hotz im Bistro Strozzi’s im Zürcher Seefeld. Er war zuvor kurz beim Arzt gewesen, hat sich untersuchen lassen «denn ich spüre, da kommt im Moment einiges auf mich zu, und ich muss sicher sein, dass alles gut ist».

Es ist alles gut, Sven Hotz, 76 ist er, fühlt sich wohl. Er erzählt, er lacht, ist bester Laune, jemand kommt zu ihm an den Tisch, sagt «Herr Hotz, wenn es einer verdient hat, dann sind Sie es.» Hotz bedankt sich, «ja, ja, das ist nett von Ihnen, aber wissen Sie: Nicht ich, der Klub hätte es verdient». Seit 25 Jahren wartet der FC Zürich auf einen Meistertitel, zuletzt war es 1981 unter Trainer Jeandupeux.

Sven Hotz und sein grosser Traum. Seit fast genau 20 Jahren ist er nun Präsident des FC Zürich. Und was hat er in dieser Zeit schon alles erlebt, wie hat er gelitten, immer wieder, wie ist er auf seinem Platz im Letzigrund gesessen, bleich und bitter enttäuscht. Wie viele Millionen hat er in den Klub gesteckt? 30, 40, 50? Er will gar nicht darüber sprechen und die Zahl nicht wissen, er hat sich, wenn e
s wieder einmal schief gelaufen war, nur immer wieder gefragt: Was sind die Gründe? Und manchmal auch, er gibt es ja zu: «Du bisch doch en verruckte Siech, warum machsch das überhaupt?»
Sein Traum wurde Wirklichkeit: Sven Hotz mit dem Pokal. (Fotos Reto Oeschger)

Er macht es, weil er immer an das Gute glaubt, auch in einem Geschäft, in dem so vieles verlogen ist. Er macht es, weil er einfach etwas tun will, von dem auch andere etwas haben, weil ihm der FCZ so am Herzen liegt.

Es ist Freitag, in gut 30 Stunden wird er auf der ersten Balkonreihe im St.Jakob-Park sitzen – noch ein Spiel, ein Tor mehr als Basel ist nötig.

Sven Hotz, was glauben Sie? «50:50» sei es, er schmunzelt, innerlich, nein, innerlich denke er schon: «51:49 für uns.» Er wird für das Spiel in Basel den Veston anziehen, auf dem draufgenäht steht «Cupsieger 2005», und alle erinnern ihn auch an damals, wie er spät abends im Festzelt hinter dem Letzigrund mit Ke1ta, dem Stürmer, einen Walzer getanzt hat. Wird er wieder? «Dann», sagt er, «dann könnte ich sicher wieder ganz Fan sein, und ich bin ja nicht der, der nicht tanzen kann.»

Es ist an diesem Morgen viertel nach zehn, er müsste schon längst an einer Sitzung sein, die Presse, alle wollen etwas von ihm, mit Stadträten kommt er zusammen, die Verträge im Technopark, wo der FCZ neu seine Geschäftsstelle haben soll, müssen unterschrieben werden.

Sven Hotz 2006 beschwingt auf dem Weg zum Balkon im Volkshaus.

Als er draussen vor dem Strozzi's zu seinem Auto geht, hat er einen Bussenzettel an der Scheibe. Er will einsteigen, da stürzen zwei Männer aus dem Café, einer kniet gar vor ihm auf die Strasse. «Herr Hotz, bitte geben Sie uns diesen Zettel, wir zahlen, denn Sie haben für den FCZ schon so viel getan und gezahlt.» Sie nehmen ihm die Busse aus der Hand, Hotz will das auf keinen Fall, «nie, nie lasse ich das zu, ich habe falsch parkiert, ich zahle auch».

Die beiden Männer haben keine Chance. Aber irgendwie freut es Hotz trotzdem: Der FCZ liegt in der Stadt so vielen am Herzen. Und noch etwas will er sagen, bevor er geht: «Auch wenn wir es nicht schaffen sollten, ich bleibe der Gleiche.»

(Diese Kolumne erschien erstmals am 12. Mai 2006 im Tages-Anzeiger)

PS: Sven Hotz, der in diesem Oktober 93 wird, verfolgt das Spiel am Sonntagnachmittag in seinem Haus in Uetikon am See zusammen mit seiner Tochter Kristine und seinem Schwiegersohn Heinz Scheiwiller. Hotz ist weiterhin ein leidenschaftlicher Anhänger des FCZ. Im Letzigrund hat seine Familie immer noch eine Loge gemietet, Sven Hotz war in der Saison auch ein paarmal im Stadion. 

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