Chloote, Chloote , Olé! Olé!
Chloote!!! Chloote!!! – ein Stadion, eine Stadt, die sich als grosses Dorf sieht, in Ekstase, an diesem Abend, der zur langen Nacht wird. 7600 stehen auf, als gegen Olten immer noch zehn Minuten zu spielen sind, sie setzen sich nicht mehr und bleiben noch sehr lange stehen, jubelnd, singend, klatschend, feiernd, später viele selber auf dem Eis, nachher auf dem Stadtplatz und die Letzten bis in die frühen Morgenstunden.
«Schwizer Meischter, Schwizer Meischter», auch wenn das nicht ganz richtig ist und das vielleicht bald jene beim ZSC zurecht schreien dürfen, aber Kloten ist wieder zurück in der obersten Eishockey-Liga, und, es muss so sein in solchen Momenten, aus den Boxen im Stadion dröhnen die Queen mit ihren Champions und Einfach das Beste von Tina Turner, es ist sehr laut und ausgelassen und sehr viel Bier fliesst.
Die letzten Sekunden und der Jubel (Video Dimitri Wettstein) |
Chloote, irgendwann in den 90er Jahren, als der EHC viermal nacheinander die Nummer 1 in der Schweiz war, als das Stadion, das später zu einer Arena plus irgendetwas wurde, noch der Schluefweg und es immer bitterkalt war, weil unter dem Dach noch offen und man zur Toilette in den nahen Wald musste; irgendwann in dieser Zeit begann diese Liebe, und Fan-Liebe entsteht meist zufällig, wegen irgendetwas oder irgendjemandem.
Aber Chloote war nachher und immer wieder ein Abschied, waren wehmütige Momente. Die Liebe blieb zwar, aber sie war jetzt immer mit Schmerz verbunden, wie Liebesbeziehungen sich eben manchmal entwickeln, es war mehr die Liebe zu einer verflossenen Liebe.
So 2002, jener Dienstagabend Ende März, Playoff-Halbfinal gegen Davos, es hiess 6:0 für die Bündner, alles war entschieden. Und dann stand Felix Hollenstein, der ewige Klotener, der Flügel mit den wehenden Haaren, die Nummer 24, Dorfkönig nannten sie ihn, plötzlich auf dem Eis, sechs Minuten vor dem Ende. Er hatte zuvor das Spiel nur in Jeans und Hemd auf der Tribüne verfolgt, wie die ganze Saison schon, weil ihn sein Knie schmerzte, er stand auf keinem Matchblatt, aber jetzt nochmals in Eishockeymontur, die Davoser erlaubten es. Alle standen im Stadion, überrascht und begeistert, und schauten nur noch auf ihn, zum letzten Mal Fige Hollenstein, zum 650. Mal im Klotener Dress.
Auf der Tribüne schaute auch sein Sohn zu, Denis, 13 war er damals.
Felix Hollenstein am Mittwoch beim TV-Interview. |
So 2011, wieder Kloten gegen Davos, diesmal der Final, und wieder ein Abschied, diesmal von der Nummer 33, von Kimmo Rintanen, dem Finnen, der viele Tore schoss, aber eigentlich viel lieber auf der Suche war, wem er den Puck vor dem Tor noch zuspielen könnte und der nicht gerne jubelte, ein erhobener Stock war jeweils der grösste emotionale Ausbruch. Er sei ein «Taikuri» sagten sie über ihn zu Hause, ein Zauberer mit Stock und Scheibe.
37 war er, die Klotener fanden schon früh in der Saison, er sei jetzt doch zu alt, verlängerten den Vertrag nicht mehr. Das Herz des Liebhabers auf der Tribüne blutete.
So 2018, als Kloten abstieg, erstmals nach 56 Jahren. Mit Denis spielte inzwischen wieder ein Hollenstein, aber er hatte schon früh angekündigt, dass er Ende Saison zum ZSC, ausgerechnet zum ZSC, gehen würde. Das Chlootener Herz musste wieder bluten.
Felix Hollenstein war damals bei Kloten der Sportchef, er war in den Jahren zuvor auch zweimal Trainer gewesen und zweimal auch wieder entlassen worden. Ein Jahr später erhielt er die schlimme Diagnose Knochenmarkkrebs.
So 2020, vor fast genau einem Jahr, die Niederlage in Ajoie, 4:5 nach Verlängerung. Im Tor der Jurassier stand Wolf, den sich die Klotener jetzt ausgeliehen haben und der so wesentlichen Anteil am Erfolg hat, zwei Aufstiege für ihn in einem Jahr – aber diese Bilder damals, alle Klotener am Boden sitzend und liegend, mit dem Rücken zur Bande und leerem Blick irgendwohin, trostlos. Der Fan litt am TV.
Doch nun kam dieser Mittwochabend, fast genau vier Jahre nach dem Abstieg. Kimmo Rintanen, der Zauberer, steht jetzt als stiller Assistent an der Bande, Fige Hollenstein sitzt auf der Tribüne und gibt in der Drittelspause ein TV-Interview, es gehe ihm gut, sagt er, er ist genesen, er ist viel in Spanien, an der Wärme. Und er strahlt zuletzt wie alle strahlen im Stadion - über Chloote, sein Chloote, und er, der Ur-Chlootener, hört später, dass sein Sohn Denis wenige Kilometer entfernt im Hallenstadion den Pass zum zweiten Tor und zweiten Sieg für den ZSC im Playoff-Final gegeben hat.
Und so ist nächste Saison im Stadion am Schluefweg nicht mehr Ticino Rockets ein Gegner für den EHC Kloten, sondern der ZSC. Und irgendwie wieder Hollenstein senior und Rintanen gegen Hollenstein junior.
Der Chlootener Fan ist wieder versöhnt.
Nach dem Spiel: Jubel auf dem Eis. (Foto Kevin Felder) Gegenüber einer ersten Fassung und dem Audio ist dieser Blog leicht ergänzt. |
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