Schlatter flitzt, Schawinski schreit

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Es ist eine unendliche Geschichte mit dem Zürcher Fussballstadion. Schon in den neunziger Jahren gab es Pläne für ein neues Stadion auf dem Hardturmgelände, 2003 stimmten Zürcher und Zürcherinnen erstmals darüber ab und sagten mit grosser Mehrheit Ja. Gebaut wurde nicht, es gab weitere Abstimmungen, vier insgesamt, die letzte im Herbst 2020, und wieder war die Zustimmung gross. Gebaut werden konnte aber bis heute nicht.

Die Stadt plant neu in einem der beiden Stadiontürme auch ein Schulhaus für 6 Primar- und 12 Sekundarschulklassen - aber auch hier gibt es Einsprachen, und auch andere Rekurse und Beschwerden müssen noch behandelt werden. «Wer in der Stadt Zürich neuen Schulraum verhindern will, ist definitiv geisteskrank», sagte FCZ-Präsident Ancillo Canepa kürzlich in einem Interview mit «Schweiz am Wochenende».

Das Stadion kommt, sagt Canepa, die Frage ist nur wann, 2025 ist realistisch, glaubt er. 20 Jahre später als einst geplant.

Stadioneröffnung 2025 – das war 2017 auch ein Thema in einer Kolumne, hier nochmals bearbeitet. Zum Fussball-Wiederbeginn an diesem Wochenende, mit dem FCZ im Letzigrund.



Schlatter flitzt, Schawinski schreit


Das «Türmli» bebt. Bis auf den letzten Platz ist es gefüllt, 18 000 sind gekommen an diesem heissen Sonntagnachmittag, es ist der 10. August 2025 in einem wieder einmal endlosen Sommer. «Türmli» heisst das neue Zürcher Stadion, weil sich einige Höngger Millionäre die Namensrechte gesichert haben. Es war ihre Reaktion gewesen, nachdem andere Höngger durch Einsprachen den Bau immer wieder verzögert hatten – mit dem Argument, die freie Sicht aufs Mittelmeer sei durch die beiden Hochhäuser beeinträchtigt.

Roger Schawinski, 80, braungebrannt, die Haare inzwischen weiss, er hat sein Radio 1 verkauft, ist vollamtlicher Stadionsprecher bei beiden Zürcher Klubs. Als Erstes und zur Begrüssung schreit er ins Publikum: «Hallo zäme, sisch mini Idee gsi!»

Kooki, der Schäferhund des Immer-noch-Präsidentenehepaars, soll den Anstoss ausführen (Chilla, der zweite Hund, kam erst später zur Canepa-Familie). Er bellt aber zuerst nur, und erst als Cillo Canepa, 72, ganz in Blau-Weiss gekleidet, die Haare lang und wirr (heute würde man es eine Boris-Johnson-Frisur nennen), ihm ein extragrosses Filet entgegenstreckt, macht Kooki seine fast circensische Einlage. Er jongliert den Ball mit den beiden Hinterpfoten, direkt in die Füsse von Roger Federer, 44, seine Frisur ist immer noch gleich, sein Gang federnd. Er hat kurz zuvor seinen Rücktritt vom Tennissport gegeben, und Federer kickt den Ball aufs Stadiondach. Heliane Canepa, alterslos, ihre Haare nicht rot, sondern blau-weiss gefärbt, tanzt dazu ekstatisch in der Ehrenloge, paffend, die Hände mit blau-weissen Fingernägeln in die verrauchte Luft streckend.

Neben ihr sitzt Asfour, 23, arabisch für: Vogel, einer von einigen Dutzend Enkeln von Scheich Hamad bin Khalifa bin Hamad bin Abdullah bin Jasim bin Muhammed Al Thani, des früheren Staatsoberhaupts von Katar. Er ist der neue Besitzer der Grasshoppers, ein anderer Vogel, Erich, 86, mit Halbglatze, hatte den Investor nach Zürich gebracht, behauptet er, inzwischen trägt er eine Brille mit sehr dicken Gläsern.


Im rechten der beiden Stadiontürme soll es auch ein Schulhaus geben.


Komiker Beat Schlatter, 64, volles Haar, wie Schawinski seinerzeit im Pro Stadion-Komitee, steht von seinem gepolsterten Business-Seat auf, etwas aufgeregt scheint er, er trägt einen goldenen Pass um den Hals, der ihm im Stadion überall den Zutritt gewährt.

Schlatter rennt nach unten zum Spielfeld, plötzlich zieht er seine Designer-Jogginghose und sein FCZ-Shirt aus, splitternackt ist er, er scheint viel Fitness gemacht zu haben, und so rennt er kreuz und quer über den Rasen, verfolgt von einer Kamerafrau, begeistert beklatscht von den 18 000. Schawinski schreit wieder: «Sisch mini Idee gsi!» Wie Schlatter nachher live auf dem in der Schweiz exklusiven Fussball-Pay-Sender «Asfour Arabic TV» sagt, plane er eine zweite Folge seiner Komödie «Flitzer». Canepa soll diesmal, vertraglich zugesichert, eine Hauptrolle spielen dürfen; noch ist nicht klar, ob er darin auch flitzen muss. Er wäre bereit dazu, seine Frau Heliane sähe es weniger gerne.
Beat Schlatter flitzend. (Aus Film „Flitzer“)

Das Spiel zwischen GC und dem FCZ endet 2:2. Das war so vorgesehen, in der Hoffnung, dass die Fan-Lager der beiden Zürcher Klubs das neue Stadion bei diesem ersten Spiel wieder friedlich verlassen werden. Ein altes Lied ertönt, «7:7», Kuno Lauener von Züri West singt es live im Stadion in Zürich-West, «Unentschide ischs nid, es isch 7:7 für mi».

Heliane tanzt jetzt mit Cillo und Asfour auf dem Rasen, Kooki wedelt. Schlatter trägt zumindest wieder eine Hose. Und Schawinksi brüllt nochmals durchs Stadion: «Sisch alles mini Idee gsi.»

(Erschienen erstmals im November 2017 im Tages-Anzeiger).
 

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